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Rechtsberatung

Kostenübernahme der Erstberatung bei Rechtsfragen für Kammermitglieder

Jeder planende Ingenieur hat die Erfahrung gemacht, dass Probleme aus diversen Rechtsgebieten seine Arbeit beeinflussen und durchdringen. Das alles neben der eigentlichen planerischen Tätigkeit zu erkennen und zu berücksichtigen erfordert einen großen Aufwand, der manchmal ohne Hilfe nicht zum Ziel führt. Deshalb hat die Ingenieurkammer M-V die Möglichkeit für die Mitglieder eingerichtet, sich unbürokratisch und kostenfrei juristischen Rat einzuholen.

Ohne großen Aufwand können sich Mitglieder der Ingenieurkammer M-V an die u. g. Rechtsanwälte wenden und ihr Anliegen vortragen.

Je nach Spezifik der Frage erfolgt entweder sofort ein Rat bzw. eine Auskunft am Telefon, wird ein Rückruf nach Recherche vorgenommen, wird eine kurze schriftliche Auskunft erteilt (z. B. auch durch Übersendung von Auszügen aus entsprechenden Kommentierungen) oder es wird ein Besprechungstermin vereinbart.

Das Tätig werden gegenüber einer anderen Partei bzw. in einer gerichtlichen Auseinandersetzung geht über den Rahmen einer Erstberatung hinaus. Dem rechtsratsuchenden Mitglied wird aber innerhalb der Erstberatung rechtzeitig angezeigt, wann die von der Ingenieurkammer finanzierte kostenlose Beratung endet und das Mitglied ansonsten selbst Kosten aufwenden muss. Das Mitglied kann dann die Entscheidung treffen, ob die Angelegenheit dann auf eigenes Kostenrisiko weitergeführt wird oder nicht. Die Höhe der ungefähren Kosten wird noch im Rahmen der Erstberatung dem Mitglied mitgeteilt.

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Brügmann Rechtsanwälte

Rechtsanwalt Björn Schugardt

Telefon: 0385 / 734466

19053 Schwerin

Mozartstraße 21

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Rechtsanwaltssozietät Borufka, Heiling & Rößler

Rechtsanwalt Jörg Borufka

Telefon: 0385 / 731230

19055 Schwerin

Alexandrinenstraße 18

Rechtsprechung Archiv

Hier finden Sie Artikel zur Rechtsprechung aus dem Kammerreport der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern.

Recht aktuell - 2024

Kammerreport Juli / August 2024: Widerruf von Verträgen mit Verbrauchern - eine Gefahr für die Vergütung?

In einer zunehmend digitalen Welt treffen sich die Vertragsparteien nicht immer Vor-Ort, um einen Vertrag abzuschließen, sondern wählen den digitalen Weg. Die digitale Kommunikation bringt Vorteile und Zeitersparnis, aber auch Risiken. Welche Bedeutung die Digitalisierung für abgeschlossene Bauverträge haben kann, haben wir in einem früheren Beitrag erörtert. Dass ein solcher „digitaler Vertragsschluss“ aber auch rechtliche Folgen für die Vergütung von Ingenieuren haben kann, zeigt ein vom LG Frankfurt/Main (Urteil vom 02.04.2024, 2-31 O78/23) entschiedener Fall, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Eine Verbraucherin fragte Anfang 2022 an, ob ein Planer die Renovierung und Sanierung einer Immobilie begleiten wolle. Beide Seiten hatten ausführlichen Mailverkehr und mehrere Gespräche per Video-Meeting. Eine Inaugenscheinnahme der Immobilie durch den Architekten fand ohne Anwesenheit der Bauherrin statt. Der Architekt übermittelte danach ein Angebot an die Bauherrin. Dabei informierte er die Bauherrin weder schriftlich noch mündlich über das Widerrufsrecht. Die Bauherrin befand sich zu dem Zeitpunkt im Ausland, weshalb die gesamte vorvertragliche Kommunikation nur per E-Mail, Telefon und Videokonferenz stattfand. Erst nach dem dann per E-Mail erteilten Auftrag erfolgte ein Ortstermin beider Parteien, in dem Bestandspläne und Entwurfsvarianten besprochen wurden. Danach arbeiteten beide Parteien weiter an dem Projekt. Nachdem der Architekt für weitere Leistungen zugunsten des Projektes jedoch den Abschluss einer Honorarvereinbarung forderte, rügte die Bauherrin die Mangelhaftigkeit der ursprünglich erstellten Pläne und verlangte Nachbesserung. Schließlich widerrief die Bauherrin den Vertrag und klagte gegen den Architekten auf Rückzahlung der bereits gezahlten Vergütung nach Widerruf des Architektenvertrages.

Das LG Frankfurt/Main gab der Klage statt und verurteilte den Architekten zur Rückzahlung aller geleisteten Vergütung. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag wurde vom LG Frankfurt/Main als Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB qualifiziert, weil der Vertrag ausschließlich über Fernkommunikationsmitteln zustande kam. Bis zum Vertragsabschluss wurden von den Vertragsparteien ausschließlich Fernkommunikationsmittel wie E-Mails oder Telefonanrufe verwendet. Ein gemeinsamer Vor-Ort-Termin fand erst nach dem Vertragsschluss statt. Zudem konnte der Architekt den ihm obliegenden Beweis, dass der Vertrag gerade nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystem abgeschlossen wurde, nicht erbringen.

Durch das Vorliegen eines Fernabsatzvertrags war nach den § 312g und § 355 BGB ein Widerrufsrecht der Bauherrin eröffnet. Die Widerrufsfrist beträgt nach § 355 Abs. 2 BGB 14 Tage und beginnt bei ordnungsgemäßer Belehrung mit dem Vertragsschluss. Da im entschiedenen Fall keine Belehrung der Bauherrin über ihr Widerrufsrecht stattfand, begann die Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 S. 1 BGB nicht zu laufen, so dass der deutlich später erklärte Widerruf nicht verfristet war. Die Folge des Widerrufs ist nach § 355 Abs. 3 BGB, dass empfangene Leistungen zurückzugewähren sind. Der Architekt hatte damit die erhaltene Vergütung an die Bauherrin zurückzuzahlen. Eine Wertersatzpflicht der Bauherrin für erbrachten Leistungen des Architekten nach § 357a BGB schied zudem aufgrund der fehlenden Belehrung ebenfalls aus.

Die Entscheidung des LG Frankfurt/Main zeigt, dass die Vertragsanbahnung über Fernkommunikationsmittel erhebliche Risiken birgt. Soweit die zum Vertrag führende Kommunikation über das Telefon, E-Mails oder Videokonferenzen abläuft, liegen häufig die Voraussetzungen eines Fernabsatzvertrags vor. Das kann auch Ingenieurverträge betreffen, wenn sie mit Verbrauchern abgeschlossen werden.

Um zu verhindern, dass der Verbraucher im Rahmen eines Widerrufs bereits geleistete Zahlungen zurückverlangt, sollte vor Vertragsschluss ein gemeinsamer Vor-Ort-Termin stattfinden. Erst nach diesem Termin sollte dem Verbraucher ein Angebot zugesendet werden. Hierdurch wird bereits verhindert, dass ein Fernabsatzvertrag zustande kommt und dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht.

Beim Abschluss eines Fernabsatzvertrages, ist der Verbraucher vor oder beim Vertragsabschluss umfassend über sein Widerrufsrecht zu belehren. Für die Widerrufsbelehrung gibt es gesetzlich ausformulierte Muster, die man verwenden sollte. Durch die ordnungsgemäße Belehrung beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist zu laufen und eine „unendliche“ Widerrufsfrist wird verhindert. Zudem kann im Fall des Widerrufs zumindest der Anspruch auf den Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen geltend gemacht werden. Bei Zweifeln, ob ein Fernabsatzgeschäft vorliegt, sollte die Belehrung vorsorglich erfolgen.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Tobias Helling
Rechtsreferendar
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport Mai / Juni 2024: Kurzarbeitergeld in der Wohnungsbaukrise?

Im Vorjahresvergleich war bereits im Juli 2023 in Mecklenburg-Vorpommern ein Rückgang der für Wohngebäude erteilten Baugenehmigungen um 24 %, bezogen auf den Landkreis Vorpommern-Rügen sogar um 52 %, zu verzeichnen. Diese Zahlen gelten allgemein als Frühindikatoren für die jetzt allerorts festzustellende Krise im privaten Wohnungsneubau. Unsere Planungsbüros im Lande gehören somit zu den Ersten, die diese Krise wirtschaftlich zu spüren bekommen. Mit dem Ziel, erstattungsfähiges Kurzarbeitergeld an seine Angestellten zahlen zu können und damit betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, zeigte ein im Landkreis Vorpommern-Rügen ansässiges Vermessungsbüro den kompletten Arbeitsausfall für seine Betriebsabteilung Lageplanerstellung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit an.

Ein Arbeitsausfall ist gem. § 96 SGB III nur dann erheblich und relevant für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, er nur vorübergehend und zudem nicht vermeidbar ist.

Sämtliche dieser Voraussetzungen wurden seitens der BA gegenüber dem Vermessungsbüro in Abrede gestellt. So unterstellt man zu Lasten des Vermessungsbüros, dass die Wohnungsbaukrise nicht nur vorübergehender Natur ist, ohne dass dafür belegbare Anhaltspunkte bestehen. Weiter wurde seitens der BA unterstellt, dass es sich bei der derzeitigen Marktlage um eine typische Situation im Rahmen eines normalen volkswirtschaftlichen Zyklus handeln soll. Darüber hinaus hätten während der vorangegangenen Hochkonjunktur in der Baubranche auf Grund der zu erwartenden Niedrigzinsphase und des damit verbundenen Abschwungs entsprechende Vorkehrungen im Betrieb stattfinden müssen. Im Ergebnis stellte sich diese Situation für die BA als ein typisches, vermeidbares allgemeines Betriebsrisiko des Vermessungsbüros dar.

Dabei übersieht die BA, dass die gestiegenen Bauzinsen auch ein Ausfluss der Inflationsbekämpfung durch EZB sind. So lag der BaukostenPreisindex für Wohngebäude in Deutschland im Jahr 2023 bei rund 142,4 Punkten gegenüber 113,2 Punkten im Jahr 2020, also vor Ausbruch des Ukraine-Krieges. Letzterer hatte erhebliche Auswirkungen auf die Energiekosten, die wiederum auf die energieintensive Herstellung von Baustoffen wie beispielsweise Zement oder Ziegel durchschlugen.

Mit einer Änderung der Bewertung seitens der BA ist erst bei Eintritt einer konjunkturellen schwierigen Phase mit einer über das Normalmaß hinausgehenden Belastung des Arbeitsmarktes durch eine große Anzahl von Kündigungen von Arbeitsverträgen zu rechnen.

Fazit:
Erst wenn die Wohnungsbaukrise in der gesamten Baubranche zu Massenkündigungen führt, hätten auch die freiberuflich tätigen Ingenieurbüros zum Halten ihrer Mitarbeiter möglicherweise Anspruch auf Erstattung von Kurzarbeitergeld.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau – und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte Schwerin

Kammerreport März / April 2024: Keine Mitwirkungspflicht bei sog. Deckblattlösung

Wenn die Baugenehmigung abgelehnt wurde und auch mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage nicht durchgesetzt werden kann, ist es grundsätzlich nicht möglich, ein Bauvorhaben wie geplant umzusetzen. Aufgeben wollte der beauftragte Architekt in einem vom OLG Celle (Urteil vom 07.02.2024, 14 U 12/23) entschiedenen Fall, der eine Abweichung von den Festsetzungen eines künftigen Bebauungsplanes vorsah, jedoch nicht. Er begehrte von dem Bauherrn Zustimmung zum sog. „Deckblattverfahren“. Dies sieht vor, dass eine Baugenehmigung beantragt wird, die einem B-Plan-konformen und damit genehmigungsfähigen, aber nicht dem eigentlich gewünschten und geplanten Bauvorhaben entspricht. Nach Erteilung der Baugenehmigung wird aber das ursprünglich geplante Bauvorhaben weiterverfolgt, in dem dann eine nachträgliche Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes gemäß § 31 Abs. 2 BauGB beantragt wird. Die Voraussetzungen für eine Befreiung können sich als niedriger erweisen als die einer Baugenehmigung, weshalb das Vorhaben des Architekten grundsätzlich Aussicht auf Erfolg versprach.

Der Bauherr ist nicht verpflichtet, der von dem Architekten begehrten „Deckblattlösung“ zuzustimmen, so das OLG Celle.

Der beauftragte Architekt begehrte mit seiner Klage Honorar für Architektenleistungen eines Bauvorhabens. Für das Gebiet bestand kein Bebauungsplan, jedoch ist die Aufstellung eines Bebauungsplans beabsichtigt gewesen.

Das ursprünglich geplante Bauvorhaben sollte drei Vollgeschosse aufweisen. Bereits in einem Vorgespräch wurde seitens der Baubehörde mitgeteilt, dass das Bauvorhaben wahrscheinlich nicht genehmigungsfähig ist. Sie argumentierte, dass sich das Gebiet nicht gem. § 34 BauGB in die Umgebung einfüge. Außerdem seien im Hinblick auf den geplanten Bebauungsplan maximal zwei Vollgeschosse erlaubt. Kurz darauf stellte der Bauherr eine Bauvoranfrage, welche wie angekündigt abgelehnt wurde. Dennoch hat der Bauherr den Architekten mit der weiteren Entwurfs- und Genehmigungsplanung beauftragt. Wie auch die Bauvoranfrage wurde die vom Bauherrn beantragte Baugenehmigung für das dreigeschossige Gebäude abgelehnt.

Nachdem die erhobenen Klagen auf Erteilung eines Bauvorbescheides und auf Erteilung einer Baugenehmigung vom Verwaltungsgericht abgewiesen wurden, konnte das Bauvorhaben, zumindest in seiner ursprünglich geplanten Form, nicht mehr verwirklicht werden. Der Architekt des Bauvorhabens wollte mit der sogenannten Deckblattlösung erreichen, dass das Bauvorhaben doch noch umgesetzt werden kann. Er verlangte vom Bauherrn, diesem zuzustimmen. Nachdem der Bauherr dies verweigerte, klagte der Architekt auf Auszahlung seines Honorars. Er machte unter anderem geltend, dass es treuwidrig gewesen sei, seiner Mitwirkungspflicht nicht nachzukommen. Denn es habe eine mündliche, inoffizielle Zusage eines Mitarbeiters der Baubehörde gegeben, dass eine Baugenehmigung auf diesem Wege Aussicht auf Erfolg habe.

Zur Mitwirkung ist der Bauherr aber nicht verpflichtet. Die sog. „Deckblattlösung“ ist nach Ansicht des OLG Celle zweifelhaft, denn die Behörde wird über das tatsächlich gewollte Bauprojekt getäuscht. Es birgt, selbst bei einer mündlichen Zusage eines Behördenmitarbeiters, große Risiken.

Für die Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB sind zwar leichtere Voraussetzungen normiert als bei einer Baugenehmigung. Dennoch darf das Bauvorhaben nicht dem planerischen Grundkonzept zuwiderlaufen. Gerade bei der Geschossigkeit ist das häufig der Fall. Und außerdem ist die Erteilung einer Befreiung eine Einzelfallentscheidung und unterliegt dem Ermessen der jeweiligen Baubehörde. Ein vorhersehbares Ergebnis ist deshalb keinesfalls zu erwarten.

Die Zusage eines Behördenmitarbeiters kann dieses Risiko nicht immer senken, sie entfaltet nämlich erst Rechtswirkungen, wenn sie schriftlich erfolgt ist (§ 38 VwVfG).

Solange die Befreiung nicht erteilt ist oder wenn sie nicht erteilt wird, handelt es sich bei dem Bauvorhaben um einen Schwarzbau. Eine Baustilllegung, Nutzungsuntersagung oder ein Abriss können die Folge sein.

Auch trotz einer mündlichen Zusage eines Behördenmitarbeiters verhält sich der Bauherr nicht treuwidrig, wenn er der sog. „Deckblattlösung“ nicht zustimmt. Denn bereits wegen der Risiken handelt der Bauherr nicht treuwidrig, vielmehr hat er ein berechtigtes Interesse daran, sich diesen Risiken nicht auszusetzen. Außerdem hielt das OLG Celle es für unwahrscheinlich, dass eine Befreiung erteilt werden würde, schließlich hatten Anträge und Klagen an die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht keinen Erfolg.

Bei der Durchführung des Deckblattverfahrens sollte der Bauherr deshalb ausführlich aufgeklärt werden. Damit ein Architekt dennoch einen Vergütungsanspruch hat, sollte außerdem vereinbart werden, dass der Planer ausnahmsweise für die Genehmigungsfähigkeit der gewünschten Planung nicht einzustehen hat und die Erstellung der Entwurfs- und Genehmigungsplanung also auf Risiko des Bauherrn erstellt wird, so dass sie auch dann zu bezahlen sind, wenn eine Genehmigung ausbleibt. Eine solche wirksame Haftungsbefreiungsvereinbarung konnte das OLG Celle im entschiedenen Fall nicht feststellen, so dass der Planer für die Leistungsphasen 3 und 4 leer ausging.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Jasper Saaman
Rechtsreferendar
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport Januar / Februar 2024: OVG Greifswald klärt: Entfall von Abstandsflächen - bloßes Einfügen reicht nicht!

Grundsätzlich gilt laut § 6 LBauO M-V, dass von Außenwänden von Gebäuden bzw. gebäudegleichen Anlagen die Abstandsflächen gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenzen 0,4 H, also der senkrecht gemessenen Wandhöhe, mindestens jedoch 3 m betragen müssen. Das Abstandsflächenrecht soll damit angemessene Verhältnisse hinsichtlich Licht, Luft und Sozialabstand gewährleisten.  Eine von mehreren Ausnahmen hiervon wurde mit dem Änderungsgesetz der Landesbauordnung-V vom 15. Oktober 2015 eingeführt. Hiernach ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 LBauO M-V eine Abstandsfläche vor Außenwänden nicht erforderlich, soweit nach der umgebenden Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1   S. 1 BauGB abweichende Gebäudeabstände zulässig sind.  Problematisch dabei ist, dass die mit der Änderung dieser bauordnungsrechtlichen Norm bewirkte Suspendierung des Abstandsflächenrechts auf eine Regelung zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit verweist. Mit dem Erfordernis der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit in § 34 BauGB verfolgt der Gesetzgeber die Sicherstellung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung für den nicht beplanten Innenbereich. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB sieht vor, dass dort ein Bauvorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Um eine städtebauliche Entwicklung zu ermöglichen und nicht einen Status quo in Gestalt der vorhandenen Umgebungsbebauung quasi einzufrieren, geht es hierbei um die Ermittlung eines zulässigen Rahmens anhand bestimmter Einfügungskriterien, in den sich das zu beurteilende Bauvorhaben einfügen muss. Das Abstandsflächenrecht definiert dagegen rechnerisch eindeutig zu ermittelnde Abstandsflächen.

Konkrete Ansatzpunkte, diesen Konflikt zu lösen, liefert weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung. Dies hat in der Genehmigungspraxis der Behörden zu einer erheblichen Unsicherheit geführt, zumal eine aktualisierte Handlungsempfehlung der obersten Bauaufsichtsbehörde zur Anwendung der Landesbauordnung weiter auf sich warten lässt.

Da im Rahmen der Prüfung des Einfügungsgebotes auch das Rücksichtnahmegebot Beachtung findet, lässt ein Teil der Rechtsprechung (s.a. VGH Kassel, Beschluss vom 17. November 2021 Az. 3 B 233/21 sowie OVG Weimar, Beschluss vom 18. Februar 2019, Az.-1 EO 622 / 18 zu vergleichbaren landesrechtlichen Regelungen im Bauordnungsrecht in Hessen bzw. Thüringen) die Erfüllung der Anforderungen an die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit für die Suspendierung des Abstandsflächenrechts genügen.

Dem folgt das OVG Greifswald mit seiner Entscheidung vom 11.04.2023, Az.: 3 LB 467/20 ausdrücklich nicht.

Zwar mag ein solches Verständnis der Ausnahmeregelung durch die Gesetzesbegründung nahegelegt werden, jedoch kommt das OVG Greifswald unter Berücksichtigung weiterer Auslegungskriterien zu einem anderen Verständnis dieser Ausnahmevorschrift. Ein bloßes Abstellen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Gebäudeabständen allein nach Prüfung des Einfügungsgebotes reicht hiernach nicht aus. Das nach dem Einfügungsgebot des § 34 BauGB zu prüfenden Kriterium der Bauweise befasst sich allenfalls mit dem Erfordernis eines seitlichen Abstandes zur Grundstücksgrenze und wird bereits mit der weiteren Ausnahme in § 6 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 LBauO M-V erfasst. Auch das Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche kann allenfalls nur eine mittelbare begrenzte Steuerungswirkung für die Gebäudeabstände begründen. Zu den eigentlichen Gebäudeabständen enthält § 34 BauGB somit kein konkretes Einfügungskriterium. Nur wenn die Einfügungskriterien, so das OVG Greifswald weiter, ausnahmsweise steuernde Wirkung entfalten, kann dies Vorrang haben und insoweit das Abstandsflächenrecht hinsichtlich dessen Umfang, sprich der Größe der Abstände und in räumlicher Hinsicht suspendieren. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung das Abstandsflächenrecht im unbeplanten Innenbereich nicht vollständig abschaffen, sondern nur dann zurücktreten lassen, wenn andere bauplanungsrechtliche Steuerungen den Gebäudeabstand bereits definieren. Insofern komme diese Ausnahme bereits dann nicht in Betracht, wenn eine diffuse Umgebungsbebauung besteht, der also keine städtebauliche Ordnung im Hinblick auf einzuhaltende Gebäudeabstände entnommen werden kann. Um eine solche steuernde Wirkung auf die zu wahrende Gebäudeabstände nach Maßgabe der Einfügungskriterien gem. § 34 BauGB zu bejahen, fordert das OVG Greifswald, dass in Anlehnung an die Regelungen in § 6 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 und § 6 Abs. 5 S. 4 LBauO MV eine positive Aussage entnommen werden kann. Die Umgebungsbebauung müssen daher eindeutig ableitbare Gebäudeabstände prägen. Hierzu ist eine gewisse Einheitlichkeit hinsichtlich der Gebäudeabstände als auch eine gewisse Einheitlichkeit der Baukörper im Blick auf deren Abstandsflächen relevant. Liegen dagegen markante Unterschiede in der Bauweise, der Lage der Baukörper oder der Gebäudehöhen in der maßgeblichen Umgebung vor, kann die Schlussfolgerung auf abweichende Gebäudeabstände aus planungsrechtlicher Sicht nicht gerechtfertigt werden.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau – und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte Schwerin

Recht aktuell - 2023

Kammerreport Dezember 2023: Bitte sorgen Sie vor!

Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, was im Falle Ihrer Geschäftsunfähigkeit oder Ihres plötzlichen Todes auf Ihre Familie, Hinterbliebene, Kollegen oder Mitarbeiter zukommt?

In einem aktuellen Fall ist eine vermeidbare Katastrophe eingetreten: Der ganz plötzlich verstorbene selbständige Ingenieur hinterlässt seine langjährige Lebensgefährtin und gemeinsame minderjährige Kinder sowie weitere Kinder aus vorherigen Beziehungen und glaubte, die Lebensgefährtin und ihre gemeinsamen Kinder durch ein Testament, welches im Safe liege, hinreichend abgesichert zu haben. Nach dem plötzlichen Tod fand sich dort ein maschinenschriftliches Testament wieder, das den angekündigten Inhalt hat, jedoch einfach unwirksam ist, weil gemäß § 2247 Abs. 1 BGB ein eigenhändiges Testament zwingend handschriftlich erstellt werden muss. Da die Lebensgefährtin keine gesetzliche Erbin ist, geht sie vollständig leer aus, was der Erblasser keinesfalls wollte. Hinzu kommt, dass der Verstorbene keine Informationen über sein Unternehmen, keinerlei Zugangsdaten für seinen PC, keine Vollmacht oder dergleichen hinterlassen hat. Alle Kinder des Erblassers bilden nun eine Erbengemeinschaft und müssen sich gemeinsam um die Abwicklung des Nachlasses kümmern.

Wenn ein Unfall oder eine schwere Erkrankung einen Menschen unerwartet aus dem Leben reißt, ist dies eine schlimme Situation für die Familie, Geschäftspartner und Kollegen. Wenn in einem solchen Fall keinerlei Vorsorge getroffen ist, stellt dies für die Hinterbliebenen – neben der ohnehin vorhandenen psychischen Belastung und Trauer – vor schier unlösbare Herausforderungen. Diese fehlende Vorsorge beruht meist auf der Hoffnung, es werde schon nichts passieren und man werde sich dem Thema demnächst annehmen, wenn es zeitlich besser passt. Manchmal ist es dann jedoch zu spät.

Deshalb sollte sich jeder, unabhängig von Alter und Berufsstand, Gedanken darüber machen, welche Vorsorge er für den Fall der Geschäftsunfähigkeit, einer dauerhaften krankheitsbedingten Verhinderung oder des Todes treffen muss und in welcher Form er diese gestalten will. Der Aufwand hierfür ist in aller Regel überschaubar und freilich davon abhängig, in welchem Umfang die betreffende Person geschäftlich aktiv ist. Ein Unternehmer wird in der Regel mehr Regelungsbedarf sehen als ein angestellter Ingenieur.

Für alle gilt jedoch, dass ein Mindeststandard vorhanden sein sollte. Hierzu gehört:

- eine Patientenverfügung
- eine Vorsorgevollmacht / Betreuungsverfügung
- Vorsorge für den Todesfall

Mit einer Patientenverfügung wird für den Fall, dass der Patient seinen Willen nicht mehr äußern kann, bestimmt, welche medizinischen Behandlungen durchgeführt werden sollen und wer im Zweifel gegenüber den Ärzten Entscheidungen treffen darf. Mit einer Patientenverfügung wird also die Umsetzung des individuellen Patientenwillens sichergestellt. Sowohl Ärzte als auch Hinterbliebene können sich somit am Willen des Patienten orientieren.

Mit einer Vorsorgevollmacht / Betreuungsverfügung bestimmt eine Person, wer im Falle der Geschäftsunfähigkeit für die betreffende Person rechtsgeschäftlich handeln soll und – wenn eine gerichtlich angeordnete Betreuung unvermeidbar ist – wer nach Willen der betroffenen Person vom Gericht zum Betreuer bestellt werden soll. Auch eine solche Anweisung findet bei der Entscheidung des Betreuungsgerichtes Beachtung und vermeidet so, dass etwa ein der Familie völlig unbekannter Berufsbetreuer zur Regelung der Vermögensangelegenheiten bestellt wird.

Die Vorsorge für den Todesfall umfasst zunächst die Prüfung, ob ggf. die gesetzliche Erbfolge für die betreffende Person passend erscheint. In diesem Fall wäre kein Testament erforderlich. Häufig und gerade bei Patchwork-Familien macht jedoch eine individuelle Gestaltung durch Testament oder Erbvertrag Sinn. Ein Testament kann sowohl notariell als auch eigenhändig erstellt werden, im letzteren Fall jedoch zwingend handschriftlich!

Da eine Vielzahl erbrechtlicher und steuerlicher Regelungen zu beachten ist, empfiehlt sich vor Aufstellung eines Testaments eine rechtliche und steuerliche Beratung.

Schließlich ist sicherzustellen, dass bei Erstellung derartiger Dokumente diese im Notfall auch aufgefunden werden. Wir empfehlen, die Erstellung eines „Notfallkoffers“, der freilich auch in Leitz-Ordner-Form angelegt werden kann. Die digitale Hinterlegung derartiger Dokumente reicht jedoch nicht, da diese Dokumente in der Regel im Original und mit Originalunterschrift vorgelegt werden müssen. In den „Notfallkoffer“ gehören weitere wichtige Personenstandsdokumente, jedoch auch ein Verzeichnis von Passwörtern, Codes und PINs für Computer, etwaige Anweisungen für wichtige Dinge, Hinweise auf bestehende Lebensversicherungen und eine – zu aktualisierende – Vermögensaufstellung. Schließlich muss sichergestellt werden, dass der „Notfallkoffer“ aufgefunden werden kann und zugänglich ist. Die Hinterlegung in einem Bankschließfach oder in einem Safe ist nur dann sinnvoll, wenn eine Vertrauensperson hierzu die Schlüsselgewalt hat.

Machen Sie sich bitte Gedanken über diese Fragen, ergreifen Sie möglichst schnell wenigstens die grundlegenden Maßnahmen der Vorsorge und weihen Sie hierzu engste Angehörige oder Vertrauenspersonen ein.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport Oktober 2023: BGH: Die Bedeutung des Vertragstyps beim Widerruf baurechtlicher Verträge

Bereits zweimal in diesem Jahr musste sich der BGH mit den Voraussetzungen des Widerrufs baurechtlicher Verträge auseinandersetzen. Dabei hat es bezugnehmend auf einen Beschluss des OLG München die Unterschiede und Folgen des Widerrufs in Verbraucherbauverträgen gem. § 650 i BGB („große Bauverträge“) und Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkverträgen („kleine Bauverträge“) herausgearbeitet. Darin betont der BGH das hohe Schutzniveau von Verbraucherwerkverträgen im Vergleich zu außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Denn beim Verbraucherbauvertrag schuldet der widerrufene Kunde auch Wertersatz, wenn die Rückgewähr der Leistung nicht möglich ist. Dies ist beim kleinen Bauvertrag nur dann der Fall, wenn der Bauunternehmer nachweisen kann, dass der Kunde ausdrücklich verlangt hat, dass er mit den Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll (§ 357a Abs. 2 BGB). Der BGH sah sich deswegen veranlasst, in einem weiteren Urteil zu den engen zeitlichen Voraussetzungen des kleinen Bauvertrages und seinem im Vergleich niedrigen Schutzniveau für Bauunternehmer Stellung zu beziehen.

Der Entscheidung des OLG München vom 22.2.2021, Az.: 28 U 7274/20 Bau ging folgende Geschichte voran: Im Sommer 2019 einigten sich Dachdeckerunternehmer und Bauherr über die komplette Sanierung eines Daches im Wert von 25.000 €. Die Einigung erfolgte außerhalb der Geschäftsräume des Dachdeckers. Eine Widerrufsbelehrung erfolgte nicht wirksam. Der Dachdecker führte den Auftrag mangelfrei aus. Trotzdem widerrief der Kunde den Werkvertrag nach Fertigstellung der Leistung im Frühsommer des darauffolgenden Jahres. Der Dachdecker klagte auf Wertersatz. Das zuerst befasste Gericht lehnte den Anspruch ab. Auch das Berufungsgericht OLG München und der BGH kamen zu keinem anderen Ergebnis.

Der Dachdecker hätte Wertersatz vom Kunden verlangen können, wenn ein Verbraucherbauvertrag vorgelegen hätte. Ein Verbraucherbauvertrag lag aber gerade nicht vor. Der große Bauvertrag soll den Bauunternehmer bei komplexen baurechtlichen Verträgen, die mit dem Neubau eines Gebäudes vergleichbar sind, schützen. Werden Arbeiten an einem bereits bestehenden Bau geleistet, müssen die Umbaumaßnahmen so erheblich sein, dass sie dem Bau eines Gebäudes gleichkommen. Das OLG entschied, dass die vorliegende Arbeit keine erhebliche Umbaumaßnahme sei, die mit dem Bau eines Gebäudes vergleichbar gewesen wäre. Weder die Instandsetzung oder Renovierung ohne erhebliche Umbauarbeiten noch die vollständige Neueindeckung eines Dachs fallen in den Anwendungsbereich eines Verbraucherbauvertrages. Das OLG stellte dann fest, dass der vorliegende Vertrag wirksam, insbesondere rechtzeitig widerrufen wurde, obwohl seit Sanierung des Daches fast ein dreiviertel Jahr verstrichen war. Grund dafür war, dass der Bauunternehmer nicht korrekt über den Widerruf bei Abschluss des Vertrages belehrt hatte und die Widerrufsfrist von 12 Monaten und 14 Tagen in Gang gesetzt wurde (§ 356 Abs. 3 BGB). Im Ergebnis blieb dem Dachdecker die unerfreuliche Nachricht, dass er keinen Anspruch auf Wertersatz geltend machen konnte.

Einem anderen Bauherrn, der sich das Widerrufsrecht des kleinen Bauvertrages geschäftlich zunutze machen wollte, gebot der BGH in seiner zweiten Entscheidung Einhalt (Urteil vom 06.07.2023, Az.: VII ZR 151/22). Der BGH nutze den Fall, um die Voraussetzungen des außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags zu schärfen. Der Bauherr hatte sich an einem Mittwoch auf der Baustelle im Rahmen anderer Bauarbeiten ein zusätzliches Angebot zur Reparatur eines defekten Wandanschlusses erstellen lassen („Wakaflex“). Einen Tag später einigten sich Bauherr und Bauunternehmer final auf der Baustelle. Die Arbeiten wurden ausgeführt und - wie von vornherein geplant - vom Kunden widerrufen. Streitig war, ob tatsächlich ein kleiner Bauvertrag außerhalb der Geschäftsräume geschlossen wurde. Dieser liegt vor, wenn er bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Vertragsparteien an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Bauunternehmers ist (§ 312b BGB). Der Bauherr führte an, dass sich beide an dem Donnerstag auf der Baustelle einigten, übersah aber, dass ihm der Bauunternehmer am Mittwoch lediglich ein Angebot unterbreitete, das er am Folgetag in Anwesenheit des Bauunternehmers annahm. Der BGH entschied, dass dies nicht den Anforderungen entsprach, weil der zeitliche Zusammenhang nicht ausreichend gegeben war. Erforderlich ist, dass sowohl das Angebot als auch die Annahme bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner erklärt werden. Hier fallen Angebotsunterbreitung (hier am Mittwoch) und Annahme (hier am Donnerstag) aber zeitlich auseinander. Im Ergebnis stand dem Bauherrn das von ihm ausgeübte Widerrufsrecht nicht zu. Er musste also die Reparatur des defekten Wandanschlusses bezahlen.

Der Widerruf von baurechtlichen Verträgen durch Verbraucher spielt in der Praxis eine zunehmende Rolle und kann auch Ingenieurverträge betreffen, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden.  Deshalb ist die ordnungsgemäße Gestaltung der Widerrufsbelehrung wichtig, um die Widerrufsfrist von 2 Wochen in Gang zu setzen. Auch dies gelingt nicht immer, wie das Urteil des OLG Stuttgart vom 23.05.2023 (10 U 33/23) zeigt, weil die Belehrung, die der Entscheidung zugrunde lag, den unzutreffenden Eindruck erweckte, das Widerrufsrecht müsse durch Verwendung eines bestimmten Formulars ausgeübt werden. 

Rechtsanwalt Jörg Borufka, Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin
Rechtsreferendarin Luise-Henriette Stegen, Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport September 2023: Haftung für fehlerhaften Standsicherheitsnachweis

In dem jüngst veröffentlichten Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 20.02.2023 Az. 14 U 202/12 hatte das Gericht über die Frage der persönlichen Haftung eines Prüfingenieurs, der mit der Bescheinigung der Standsicherheit vom Bauherrn beauftragt wurde, zu entscheiden.

In dem konkreten Fall war der beklagte Prüfingenieur vom Bauherrn mit der Prüfung der Standsicherheit eines Einfamilienhauses beauftragt, die er im Ergebnis bescheinigt hat. Der Standsicherheitsnachweis war allerdings fehlerhaft. Der Erddruck der Kelleraußenwände war unzureichend berücksichtigt. Infolge der nur geringen Auflast aus dem Fertighaus war die betroffene Mauerwerkswand nicht hinreichend standsicher.

Im Ergebnis hat das OLG Frankfurt die persönliche Haftung des Prüfingenieurs nach den werkvertraglichen Gewährleistungsregeln in §§ 633 ff. BGB bejaht.

Das OLG Frankfurt hat hierzu auf die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zum 31.03.2016 Az. III ZR 70/15 abgestellt, wonach die in der damals zugrunde gelegten Hessischen Bauordnung einschlägigen Vorschriften vorsahen, dass der Standsicherheitsnachweis für das hier streitgegenständliche Gebäude nicht im Rahmen des bauaufsichtlichen Prüfverfahrens im Auftrag der Bauaufsichtsbehörde, sondern durch den Bauherrn zu beauftragen und vorzulegen war. Hierbei handelte es sich also nicht um die Ausübung eines öffentlichen Amtes mit der Folge, dass dann die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB Verbindung Art. 34 S. 1 GG für ein fehlerhaftes Verhalten des Prüfingenieurs nicht haftet. Der gemäß der Hessischen Bauordnung einzuschaltende Sachverständige ist durch den Bauherrn auszuwählen und zu beauftragen. Die von der sachkundigen Person gefertigte Prüfbescheinigung ist dann allein an den Bauherrn auszustellen und von diesem bei der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen. Somit ist die Tätigkeit des Sachverständigen nicht mehr Teil der präventiven örtlichen Bauaufsicht, sondern vollzieht sich im privatrechtlichen Rahmen der Beauftragung durch den Bauherrn. Der BGH hatte der Entscheidung auch betont, dass die Erstellung der Prüfbescheinigung als geschuldetes Werk des Ausstellers nicht nur im Allgemeininteresse, sondern auch im Interesse des Bauherrn liegt.

Insofern stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Rechtsprechung auch auf die Regelungen der Landesbauordnung M-V übertragen lässt. Diese sieht im Zusammenhang mit den bautechnischen Nachweisen § 66 LBauO M-V vor, dass dieser von einer Person mit einem berufsqualifizierten Hochschulabschluss eines Studiums der Fachrichtung Architektur, Hochbau oder des Bauingenieurwesens mit einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung in der Tragwerksplanung erstellt sein muss, der in einer von der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern oder der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern zu führenden Liste eingetragen ist. Dies betrifft die Nachweisberechtigung grundsätzlich für die Gebäudeklassen 1 bis 3 sowie sonstigen baulichen Anlagen. Allerdings sieht § 66 Abs. 3 LBauO M-V für die Gebäude der Gebäudeklassen 4 und 5 sowie die nach § 85 Abs. 3 LBauO M-V erlassenen Rechtsverordnung geregelten Kriterienkatalog für Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3, Behälter, Brücken, Stützen und Treppen sowie sonstige bauliche Anlagen, die keine Gebäude sind, mit einer Höhe von mehr als 10 m vor, dass die Standsicherheit bauaufsichtlich geprüft sein muss. Insoweit wird in § 66 Abs. 4 LBauO M-V nochmals klargestellt, dass mit Ausnahme der in Abs. 3 genannten Fälle bautechnische Nachweise nicht bauaufsichtlich geprüft werden. Ergänzend wird in § 2 Bauprüfverordnung M-V geregelt, dass bei den prüfenden Personen zu unterscheiden ist zwischen Prüfingenieuren, die im Rahmen des jeweiligen Fachbereichs bauaufsichtliche Prüfaufgaben aufgrund der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern im Auftrag der Bauaufsichtsbehörden unter der Fachaufsicht der obersten Bauaufsichtsbehörde wahrnehmen und der Tätigkeiten als Prüfsachverständige, die die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Anforderungen, soweit dies in der Landesbauordnung M-V vorgeschrieben ist, bescheinigen. Letztere nehmen ausdrücklich keine hoheitlichen bauaufsichtlichen Prüfaufgaben wahr.

Insoweit kommt es für eine persönliche Haftung auf der Grundlage der zivilrechtlichen Gewährleistungshaftung auch in Mecklenburg-Vorpommern darauf an, in wessen Auftrag der Aussteller des Standsicherheitsnachweises tätig wird und ob es sich um eine Tätigkeit im Rahmen des bauaufsichtlichen Verfahrens oder aber um eine privatrechtliche Auftragserfüllung handelt.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte Schwerin

Kammerreport Juli / August 2023: Haftet der Bauüberwacher für Fehler des Planers oder des Sonderfachmannes?

Der vom Bauherrn eingesetzte Bauüberwacher hat sicherzustellen, dass die Bauausführung mangelfrei und auf der Grundlage der vorgegebenen Pläne sowie der Baugenehmigung und der anerkannten Regeln der Technik erfolgt. Bei der Errichtung eines Bauwerkes sind jedoch mehrere am Bau beteiligte Akteure parallel und nebeneinander verpflichtet, ein mangelfreies Werk herzustellen. So hat der Planer für eine mangelfreie Planung zu sorgen, die zu einer Bauausführung entsprechend der anerkannten Regeln der Technik führt. Das bauausführende Unternehmen seinerseits trifft diese Pflicht zur mangelfreien Herstellung des vereinbarten Werkes ebenfalls.  Wenn festzustellen ist, dass die Ausführung nach der Planung zu einer mangelhaften Bauausführung führen würde, hat das bauausführende Unternehmen entsprechende Bedenkenanmeldungen vorzubringen.

Auch der Bauüberwacher hat durch seine Leistung dafür zu sorgen, dass ein mangelfreies Werk entsteht. Erweist sich die ihm vom Bauherrn zur Verfügung gestellte Planung jedoch als mangelhaft und wird dies weder vom bauausführenden Unternehmen noch vom Bauüberwacher erkannt, kann dies zur Haftung des Bauüberwachers führen, obwohl der Fehler nicht durch seine eigene Leistung entstanden ist. Er haftet also nicht unmittelbar für fremde Fehler, aber mittelbar dann doch, wenn er seine eigene Pflicht dadurch verletzt hat, dass er die Fehler des Sonderfachmannes oder des Planers nicht erkannt hat.

Für Planungsfehler haftet der Planer zunächst in vollem Umfange. Bei Erkennbarkeit des Planungsfehlers haftet der bauüberwachende Architekt oder Ingenieur jedoch ebenfalls für den Baumangel, der durch die Umsetzung der fehlerhaften Planung entsteht. Der Bauüberwacher muss also eine ihm zur Verfügung gestellte Planung eines Planers auf erkennbare Fehler prüfen. Wenn er solche feststellt, hat er auf die Korrektur der Planung zu drängen oder muss seinerseits wenigstens Bedenken gegenüber dem Bauherren anmelden. Dies gilt nicht für komplizierte Fachplanungen, die Spezialwissen voraussetzen, über das der Bauüberwacher nicht verfügen muss. Dem Bauüberwacher kann nicht zugemutet werden, über bessere Kenntnisse zu verfügen als die entsprechenden Spezialisten. Die grundlegenden Anforderungen der anerkannten Regeln der Technik muss der Bauüberwacher jedoch präsent haben und Abweichungen hierzu in der Planung auch erkennen. Außerdem muss sich der Bauüberwacher wenigstens vergewissern, dass der Fachplaner entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zutreffende und vollständige bautechnische Vorgaben gemacht hat (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.01.2021 – 2 U 39/20). Er haftet beispielsweise auch für eine fehlerhafte Tragwerksplanung des von ihm beauftragten Statikers, wenn der Fehler auf unzureichenden Vorgaben beruht, wenn er einen unzuverlässigen Statiker ausgewählt hat oder wenn er Mängel der Statik nicht beanstandet, die für ihn nach den von ihm zu erwartenden Kenntnissen erkennbar waren (vgl. BGH Urteil vom 08.05.2003 – VII ZR 407/01). Er muss im Rahmen seiner Koordinierungspflicht auch nachprüfen, ob der Fachplaner seiner Pflicht zur Bauüberwachung wirklich nachkommt (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 24.03.2023 – 14 U 50/17).

Soweit sich ein Mangel in der Planung durch die Bauausführung vergegenständlicht hat und der Planungsmangel für den Bauüberwacher erkennbar war, so haftet der Bauüberwacher gegenüber dem Bauherrn für seinen Überwachungsfehler, kann aber gegenüber dem Bauherrn den Mitverschuldenseinwand erheben. Der planende Ingenieur, der den Planungsfehler verursacht hat, ist insoweit Erfüllungsgehilfe des Bauherrn, dessen Verschulden sich der Bauherr zurechnen lassen muss.

Der Mitverschuldensanteil, der dem Bauherrn zu zurechnen ist, ist einzelfallabhängig, beträgt aber meist 50 %, sodass die Haftung des Bauüberwachers sich entsprechend reduziert. Der Planer und der Bauüberwacher haften gegenüber dem Auftraggeber daher meist in Höhe von 50 % als Gesamtschuldner. Die darüber hinaus gehenden 50 % sind vom Planer allein zu tragen, wenn die Person des Planers und des Bauüberwachers nicht ohnehin zusammenfallen.  Soweit auch das bauausführende Unternehmen verpflichtet war, Bedenkenhinweise auszubringen, haftet auch dieses für den eingetretenen Mangel, jedoch ebenfalls nur zu 50 % als Gesamtschuldner neben dem Planer und dem Bauüberwacher. Diese Quoten gelten gegenüber dem Bauherrn. Der Bauüberwacher kann sich seinen Haftungsanteil jedoch in der Regel jedenfalls anteilig über den Gesamtschuldenausgleich vom planenden Architekten und/oder dem bauausführenden Unternehmen zurückholen, sodass er bei der Umsetzung einer fehlerhaften Planung meist mit einem quotalen Anteil von 25 % am Gesamtschaden beteiligt bleibt.

Der Bauüberwacher hat also die Pflicht, die ihm übergebene Planung auf erkennbare Mängel zu prüfen und solche dann auch gegenüber dem Bauherrn zu monieren. Tut er dies nicht, trifft ihn ein Haftungsrisiko.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport Mai 2023: DIN18015-2 – anerkannte Regel der Technik oder darf es ein bisschen weniger sein?

Die Anforderungen an die Planungsleistungen von Ingenieuren ergeben sich zunächst aus der vertraglichen Vereinbarung. Soweit diese keine expliziten Aussagen zu den Planungsinhalten enthält, gelten subsidiär die anerkannten Regeln der Technik als vereinbarte Mindeststandards. Unter anerkannten Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen zu verstehen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Kenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrungen als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind. Anerkannte Regeln der Technik müssen also dem wissenschaftlichen Stand entsprechen und über eine Praxisbewährung verfügen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und welcher Weise diese Regeln schriftlich niedergelegt sind.

Soweit jedoch technische Regeln in Normen fixiert sind, so z.B. in DIN-Normen, spricht zunächst ein erster Anschein dafür, dass es sich um anerkannte Regeln der Technik handelt. Insofern wird der Planer regelmäßig keinen Fehler begehen, wenn er sich an dieses Normenwerk bei der Planung hält. Dies ist jedoch keinesfalls immer so, so dass eine Prüfung im Einzelfall stattfinden muss. So kann es passieren, dass DIN-Vorschriften so veraltet sind, dass sie dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht mehr entsprechen und sich diese Erkenntnis auch in der Praxis durchgesetzt hat. Wenn der Normengeber also der technischen Entwicklung hinterherhinkt, kann es passieren, dass DIN-Vorschriften nicht mehr die anerkannten Regeln der Technik widerspiegeln. Abzugrenzen ist auch der Begriff des „Standes der Technik“, der die Spitze der technischen Entwicklung, also aktuellen Innovationen umfasst, die jedoch noch nicht zwingend in der Praxis hinreichend bewährt sind und deshalb nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Andererseits können DIN-Vorschriften Regelungen enthalten, die nicht geeignet sind, für sich in Anspruch zu nehmen, anerkannte Regeln der Technik darzustellen.

So gilt dies nach Auffassung des OLG Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 09.02.2023 – 5 U 227/21) für die in der DIN 18015-2 (elektrische Anlagen in Wohngebäuden – Teil 2: Art und Umfang der Mindestausstattung) niedergelegten Mindeststandards für die technische Ausstattung von Wohnräumen, z.B. hinsichtlich der Anzahl der vorzusehenden Steckdosen. Im entschiedenen Fall blieb die Anzahl der vom Planer vorgesehenen Steckdosen hinter den Mindestanforderungen der DIN 18015-2 zurück. Der Bauherr rügte eine mangelhafte Planung, weil die Mindestausstattung gemäß DIN 18015-2 aus seiner Sicht anerkannte Regeln der Technik darstellen, deren Unterschreitung einen Mangel darstelle. Das OLG Düsseldorf widerspricht dem. Die DIN 18015-2 beanspruche im Hinblick auf das Ausstattungsniveau keine Vermutungswirkung, allgemein anerkannte Regeln der Technik wiederzugeben. Nach Auffassung des Gerichts stellen die Mindestanforderungen lediglich Empfehlungen dar. Da Sicherheitsfragen und technische Erfordernisse nicht betroffen sind, betreffen diese Mindestvorgaben z.B. für die Anzahl von Steckdosen lediglich Komfortstandards, deren Unterschreitung jedoch keine Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik darstelle.

Soweit sich der Bauherr also auf die Mindeststandards der DIN 18015-2 berufen möchte, wären die dortigen Mindeststandards ausdrücklich als Vertragsinhalt in den Vertrag einzubeziehen – eine automatische Geltung dieser Mindeststandards aufgrund der Vermutungsregel gibt es – ausnahmsweise – für die Anwendung dieser DIN-Vorschrift nicht. Nicht jede Abweichung von DIN-Vorschriften stellt also per se eine mangelhafte Planung oder Ausführung dar und nicht alle DIN-Vorgaben beanspruchen für sich, anerkannte Regeln der Technik zu sein, wenn sie nicht Sicherheits- oder Qualitätsanforderungen formulieren, die sich in der Praxis als Mindeststandards durchgesetzt haben. Nun wurde die DIN 18015-2 im Jahr 2021 novelliert und das OLG Düsseldorf entschied aufgrund der Vorgängerversion. Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) vertritt auf seiner Homepage die Auffassung, dass jedenfalls die neue DIN 18015-2 verbindliche Mindestanforderungen formuliert. Sollten sich diese Anforderungen in der Praxis durchsetzen, könnte wohl auch die DIN 18015-2 in Zukunft anerkannte Regel der Technik werden – diesen Ritterschlag muss sie sich aber erst noch verdienen.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport April 2023: Öffentliche Planungsaufträge zukünftig nur noch im Wege der EU- Vergabe? -Bundesregierung will § 3 Abs. 7 S. 2 VgV ersatzlos streichen

Im Zuge der Anpassung der nationalen Vergabeordnungen (VgV, SektVO, VSVgV und KonzVgV) zwecks Einführung von elektronischen Standardformularen („e-forms“) hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz einen ersten Referentenentwurf vorgelegt. Dieser Entwurf mit Stand vom 16.02.2023 sieht u.a. auch die Abschaffung des § 3 Abs. 7 S. 2 Vergabeverordnung vor. Damit soll die drohende Fortführung eines bereits in Jahre 2019 durch die EU-Kommission gegen die BR Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens abgewendet werden.

Die zu streichende Regelung in § 3 Absatz 7 S.2 VgV sah bislang vor, dass eine Addition der geschätzten Auftragswerte aller Lose für die Planungsleistungen eines von dem öffentlichen Auftraggeber beabsichtigten Bauvorhabens nur dann erfolgen muss, wenn es sich um „gleichartige Leistungen“ handelte. Die Schätzung des Auftragswertes ist wiederum maßgeblich für die Frage, ob der sog. EU- Schwellenwert von derzeit 215.000 EUR netto für Liefer-/ und Dienstleistungsaufträge überschritten und damit eine EU-weite Ausschreibung dieser Planungsleistungen erfolgen muss.

Seitens der EU-Kommission wird moniert, dass sich in Artikel 5 Absatz 8 der Vergabe- Richtlinie 214/24/EU für eine solche Sonderregelung für Planungsleistungen keine Entsprechung findet und die EU- Kommission darüber hinaus argwöhnt, dass in der deutschen Vergaberechtspraxis damit eine Umgehung der Transparenzvorschriften der Richtlinie stattfindet.

Auch unter dem Eindruck der sog. Autalhalle- Niedernhausen- Entscheidung des EuGH vom 15.03.2012, Rechtssache C-574/10 hat sich die Bundesregierung jetzt entschlossen, dieser Rüge der EU- Kommission abzuhelfen.

Hintergrund ist, dass der EuGH mit dieser Entscheidung, allerdings nicht anhand von Fach- sondern von zeitlich versetzt ausgeschriebenen Teillosen für Planungsleistungen seine funktionale Betrachtungsweise betont hat. Hiernach liegt dann ein einheitlich zu betrachtender Gesamtauftrag aus mehreren Losen vor, sofern diese „in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität aufweisen“. Dies bedeutet, dass aus Sicht des EuGH bei Planungsleistungen, die vorhabenbezogen in einem funktionalen Zusammenhang stehen, die Auftragswerte zusammengerechnet werden. Dagegen hatte sich in der deutschen Vergabepraxis, wenn auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Funktion der Leistung für die Feststellung, ob eine gleichartige Leistung vorliegt, eine leistungsbezogene Betrachtungsweise etabliert, die sich an den Leistungsbildern der HOAI orientierte. Diese leistungsbezogene Betrachtungsweise ist aus Sicht der Bundesregierung aus europarechtlicher Sicht nicht weiter durchzuhalten.

Was bedeutet dies für die zukünftige Vergabepraxis von Planungsleistungen?

Die Gesamtaddition der Auftragswerte bei bauvorhabenbezogenen Planungsleistungen führt zu der kuriosen Situation, dass für Bauvorhaben, deren geschätzten honorarrelevanten Baukosten von derzeit ca. 2,3 Mio. EUR netto aufwärts zwar weit unterhalb der Schwellenwerte für die europaweite Ausschreibung von Bauaufträgen von derzeit 5,382 Mio. EUR netto liegen, die Planungsleistungen wegen der Überschreitung des derzeitigen Schwellenwertes von 215.000,- EUR netto für Liefer-/ und Dienstleistungsaufträge EU- weit ausgeschrieben werden müssen, die auf die Planung folgenden Bauleistungen dagegen nicht. Eine Ausnahme hierfür betrifft nur Teil- oder Fachlose, deren Einzelwert den geschätzten Auftragswert von 80.000,00 EUR nicht überschreitet. Die Summe der so national vergebenen Lose darf dabei insgesamt 20% des Gesamtauftragswertes nicht überschreiten.

Obwohl es weiterhin zulässig bleibt, trotz Überschreitung des EU-Schwellenwertes durch die Gesamtauftragssumme die zu vergebenen Planungsleistungen im Wege von Teil- und Fachlosen im Sinne einer klein- und mittelstandsfördernden Vergabe gemäß § 97 Abs. 4 GWB auszuschreiben, ist zu befürchten, dass die Vergabestellen wegen des damit verbundenen zusätzlichen Aufwandes von einer solchen Losbildung Abstand und stattdessen eher den Begründungsaufwand für eine Gesamtvergabe aus wirtschaftlichen und/oder technischen  Gründen an einen Generalplaner in Kauf nehmen. In der Begründung des Referentenentwurfes deutet sich die Annahme einer solchen Entwicklung an, da man die dort erwähnten klein- und mittelständischen Architektur- und Ingenieurbüros mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Bildung von Planer- ARGEN verweist.

Zudem ist eine Flucht der Vergabestellen zur Vermeidung der aufwendigen EU- weiten Vergabe von Planungsleistungen in Bauvergaben zu befürchten, bei denen die Planungsleistungen nur als untergeordneter Bestandteil des Bauauftrags mit ausgeschrieben und vergeben werden. Planungsbüros können sich dann allenfalls mittelbar als Subplaner der jeweils als Bieter auftretenden Generalunternehmer bzw. Generalübernehmer beteiligen. Dass hier zulässigerweise auch im Rahmen der Bauvergabe zeitlich vorgezogene, gesonderte Fachlose für die Planung gebildet werden können, ist mit Blick auf den zusätzlich entstehenden Verwaltungsaufwand für die Vergabestellen eher als frommer Wunsch der Bundesregierung, denn als evidenzbasierte Prognose einzuordnen. Der vom Vergaberecht bezweckte Mittelstandsschutz und von kleinen Büros droht damit ausgehöhlt zu werden.

Darüber hinaus entfielen bei einer nationalen Vergabe der Planungsleistungen im Rahmen einer Bauvergabe unterhalb der EU- Schwellenwerte die oberhalb der Schwellenwerte geltenden Rechtsschutzmöglichkeiten für die Bieter. Auch dies bietet für die öffentlichen Vergabestellen ein starkes Motiv, die Vergabe von Planungsleistungen zukünftig als bloße Nebenleistung zur Bauleistung mit Generalunternehmer bzw. Generalübernehmern als Adressatenkreis auszuschreiben.

Nicht etwa zum besseren Schutz von KMU-Interessen sondern allein motiviert wegen der befürchteten Mehrbelastung der Bediensteten in den staatlichen und kommunalen Vergabestellen infolge der wegen des geplanten Wegfalls von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV zunehmenden Zahl an EU-weiten Vergaben von Planungsleistungen hat der Bundesrat mit Beschluss vom 10.02.2023, die Bundesregierung aufgefordert, einen Sonderschwellenwert für Planungsleistungen/freiberufliche Leistungen auf europäischer Ebene einzuführen oder wahlweise auf die Erfassung solcher Leistungen im Anhang XIV der Richtlinie 2014/24 EU hinzuwirken. Für die dort bislang geregelten sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber gilt ein deutlich höherer Schwellenwert bei 750.000 EUR netto. 

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport März 2023: Keine Kündigungsvergütung in der Zielfindungsphase

Der mit Wirkung zum 1. Januar 2018 kodifizierte Architekten- und Ingenieurvertrag in den §§ 650p ff. BGB brachte nicht nur rechtliche Klarheit über den Vertragstypus. Darüber hinaus wurden frühzeitige Leistungsbestimmungsrechte für den Auftraggeber geschaffen, um über wesentliche Planungsinhalte Klarheit zu erhalten. Zugleich hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang dem Besteller in § 650r Abs. 1 BGB ein Sonderkündigungsrecht nach Vorlage der Planungsgrundlage nebst Kosteneinschätzung eingeräumt. Es war noch ungeklärt, welche Vergütungsansprüche des Ingenieurs im Falle einer ordentlichen Kündigung nach § 648 Satz 1 BGB bestehen, wenn bei Vertragsschluss nicht alle wesentliche Planungsziele vorlagen. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17.11.2022 (VII ZR 862/21) nunmehr entschieden.

In dem verhandelten Fall klagte ein Ingenieur auf die Vergütung der infolge einer freien Kündigung nicht erbrachten Leistungen. Der Ingenieur sollte für den Besteller Planungsleistungen der Leistungsphasen 1 bis 5 für einen Büroneubau erbringen. Der Ingenieur übersandte dem Besteller sodann Unterlagen zur Grundlagenermittlung, woraufhin der Auftraggeber ein Viertel des Honorars leistete. Bei den Planungsleistungen stellte der Besteller allerdings verschiedene Mängel fest, weshalb der Auftraggeber den geschlossenen Vertrag fristlos kündigte, nach Einschätzung des Gerichtes jedoch unberechtigt, so dass die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet wurde. Der Auftragnehmer verlangte einen Teil seiner Vergütung für die vereinbarten, aber nicht erbrachten Leistungsphasen.

Eine weitere Vergütung stehe dem Ingenieur aber nicht zu, so die Karlsruher Richter.

Ausgangspunkt ist die Regelung des § 650p Abs. 2 BGB, der die Erstellung von Planungsgrundlagen durch den Ingenieur vorsieht, wenn die Planungsziele bei Vertragsabschluss noch nicht feststehen. Dies war in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht gegeben. Soweit noch unbekannte Planungs- und Überwachungsziele bestehen, ist zunächst eine Zielfindungsphase zu deren Ermittlung vorgeschaltet, die regelmäßig die Leistungsphasen 1 und 2 umfassen wird. Sobald dem Besteller bei Vertragsschluss Planungsziele fehlen oder diese unkonkret sind, ist der Ingenieur verpflichtet, eine solche Planungsgrundlage zur Ermittlung der Ziele zu erstellen. Dadurch sollen die konkreten Eckpunkte der erforderlichen Leistungen für das Werk bestimmt werden. Wenn ein Architekten- oder Ingenieurvertrag nach § 650p Abs. 2 BGB geschlossen wird, beschränkt sich die Leistungspflicht zunächst nur auf die Erstellung der Planungsgrundlage sowie die dazugehörige Kosteneinschätzung. Ein Anspruch auf weitere Vergütung besteht nur dann, wenn der Auftraggeber nach Vorlage dieser Planungsgrundlage nicht binnen zwei Wochen kündigt.

Im Werkvertragsrecht kann der Auftraggeber bis zur Vollendung des Werkes jederzeit kündigen. Der Auftragnehmer kann in den Fällen der Kündigung für nicht erbrachte Leistungen einen Teil der Vergütung verlangen. So aber nicht hier. Anders als in § 648 Satz 2 BGB wird bei Ausübung des Sonderkündigungsrechts nach § 650r Abs. 3 BGB kein Vergütungsanspruch für nicht erbrachte Leistungen gewährt, so dass es auch keine Kündigungsvergütung nach § 648 Satz 2 BGB gibt. Anlass der unterschiedlichen Behandlung ist der dahinterstehende Gedanke. Für die freie Lösungsmöglichkeit des Bestellers nach dem Kündigungsrecht gem. § 648 BGB soll der Auftragnehmer einen Ausgleich für sein Vertrauen auf den Bestand des Vertrages erhalten. Ein solcher Ausgleich ist beim Sonderkündigungsrecht nicht notwendig, da bei der Erstellung von Planungsgrundlagen noch keine gesicherte Rechtsposition für darüber hinaus gehende Leistungen vorliegt. Eine freie Kündigung vor Abschluss der Zielfindungsphase beruht zwar nicht auf dem Sonderkündigungsrecht gemäß § 650r BGB, jedoch ist sie der Sonderkündigung vergütungstechnisch im Wesentlichen gleichgestellt, da der Auftraggeber, der bereits zuvor kündigt, dann ja das Sonderkündigungsrecht erst recht in Anspruch nehmen würde.

In der Praxis kann es zu Abgrenzungsproblemen kommen, ob bei Vertragsschluss zwischen den Parteien die Planungs- und Überwachungsziele bereits vorlagen oder diese gerade Gegenstand der Ausarbeitungen sein sollen. Daher ist es ratsam, mit dem Auftraggeber schriftlich und strukturiert zu vereinbaren, ob wesentliche Planungsgrundlagen bereits vorliegen oder erst geschaffen werden sollen. Soweit alle Planungs- und Überwachungsziele vorliegen bzw. sodann geschaffen worden sind, kann mit der weiteren Arbeit (nach Zustimmung) begonnen werden. Im Nachhinein ist eine Aufschlüsslung der erbrachten Leistungsphasen schwierig und kann sich negativ auf die Vergütung auswirken. Eine Differenzierung bei Vertragsschluss ist an dieser Stelle somit Gold wert.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Christoph Recht
Rechtsreferendar
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Recht aktuell - 2022

Kammerreport November 2022: Beitragsfalle für geschäftsführende GmbH-Gesellschafter?

Das Bundessozialgericht hat im Zusammenhang mit der Frage, ob ein geschäftsführender Minderheitsgesellschafter einer GmbH eine abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ausübt und damit einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, mit mittlerweile drei Urteilen im Sinne einer ständigen Rechtsprechung verfestigt (s. a. BSG Urteil vom 14.03.2018, Az. B 12 R 5/16 R; Urteil vom 19.09.2019, Az. B 12 R 25/18 R sowie Urteil vom 07.07.2020, Az. B 12 R 17/18 R).

Mit der letztgenannten Entscheidung hat das BSG am Beispiel eines Gesellschafter- Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, der über 25 % der Geschäftsanteile verfügte, entschieden, dass dieser versicherungspflichtig ist. Dabei lässt das Gericht außen vor, dass es sich bei Steuerberatertätigkeit um einen freien Beruf im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt, den der Kläger eigenverantwortlich und fachlich weisungsfrei für seine Mandanten ausüben konnte. Auch etwaige außerhalb des Gesellschaftsvertrages (Satzung) eingeräumte, nur schuldrechtlich wirkendende Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschaftergeschäftsführer und anderen Gesellschaftern sind nach Auffassung des BSG für diese Beurteilung irrelevant. Maßgeblich wären allein die gesellschaftsrechtlich nach dem Gesellschaftsvertrag zu beurteilenden Rechtsmachtverhältnisse. Der Gesellschaftsvertrag müsse dem Geschäftsführer-Gesellschafter die Rechtsmacht einräumen, durch Einflussnahme auf der Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und sich gegen ihn nicht genehme Weisungen der Gesellschafter effektiv zu Wehr setzen zu können. Hierzu fordert das BSG, dass der Gesellschafter mehr als 50 % der Anteile an Stammkapital halten muss. Nur ausnahmsweise ist dieser als Selbständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende („echte“ bzw. „qualifizierte“), die gesamte Unternehmenstätigkeit betreffende Sperrminorität eingeräumt ist.

Dagegen reiche eine „unechte“, auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht aus, diese erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln.

Die vormalige sog. „Kopf und Seele“-Rechtsprechung, insbesondere bei den familiengeführten GmbHs hat das BSG mit der zitierten Entscheidung vom 19.09.2019 ausdrücklich aufgegeben. Insoweit bestünde auch kein Vertrauensschutz

Es ist zu befürchten, dass diese Rechtsprechung nunmehr von der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rahmen von sog. Statusfeststellungsverfahren auf sämtliche freiberuflichen Berufsträger, also auch auf Ingenieure Anwendung findet. Somit sind alle als GmbH organisierte Ingenieurgesellschaften betroffen, deren geschäftsführende Gesellschafter weniger als 50 % des Stammkapitals halten und nicht durch umfangreiche Sperrminoritäten geschützt sind. Mit Rücksicht auf die 4jährige Verjährungsfrist für Sozialbeiträge bei nicht vorsätzlichem Handeln (siehe § 25 Abs. 1 SGB IV) können somit Rückveranlagungen für 100 %, also sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung bis einschließlich für das Jahr 2018 erfolgen. Unter Berücksichtigung der Veranlagung bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenzen drohen somit sechsstellige Nachzahlungen pro betroffenen Mitgesellschafter. Geschützt sind nur diejenigen, deren Status im Rahmen einer Betriebsprüfung durch einen Sozialversicherungsträger durch entsprechenden bestandskräftigen Bescheid nicht beanstandet wurde. Für den Fall des beanstandungsfreien Prüfergebnisses sieht § 28 p Abs. 1 S 5 SGB IV allerdings erst seit dem 01.01.2017 eine entsprechende Bescheidung vor. Diese muss sich ausdrücklich auf den Status des geprüften Geschäftsführer- Gesellschafters beziehen.

Darüber hinaus können sich Betroffene, allerdings nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft, gem. § 6 Abs. 1 SGB IV auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen. Dies gilt aber nur für gesetzliche Pflichtmitglieder aufgrund ihrer Listeneintragungen bei den Berufskammern, die zugleich in einem berufsständischen Versorgungswerk versichert sind, wie die Beratenden Ingenieure oder einer besonderen gesetzlichen Zulassung bedürfen, wie die öffentlich bestellten und vereidigten Vermessungsingenieure.

Für freiwillige Kammermitglieder kann dagegen nur die Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen zur Satzungsänderung mit echten, qualifizierten Sperrminoritäten oder gleich ein Wechsel der Gesellschaftsform bspw.in eine Partnerschaftsgesellschaft empfohlen werden, um zukünftig eine Veranlagung der Mitgesellschafter in der gesetzlichen Rentenversicherung zu vermeiden.

Das BSG geht in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich Beurteilung der abhängigen Beschäftigung als Arbeitnehmer bzw. der arbeitnehmerähnlichen Eigenschaften von GmbH-Geschäftsführern insoweit eigene Wege und stellt dabei vorrangig auf den gesellschaftsrechtlichen Status des geschäftsführenden Mitgesellschafters ab.

Die breite Kritik an dieser BSG-Rechtsprechung, wonach ein Geschäftsführer mit Rücksicht auf seine gesetzlichen Weisungsfreiheiten im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung, der Kapitalerhaltung bis hin zur Insolvenzantragspflicht gerade nicht als „sozial abhängig Beschäftigter“ zu beurteilen ist, blieb bislang ungehört.

Mit einer erneuten Änderung der Rechtsprechung des BSG ist in nächster Zeit nicht zu rechnen. Im Gegenteil, der erst 2016 neu berufende Präsident des BSG, der zugleich Vorsitzender des für die Rentenversicherung zuständigen 12. Senats des BSG ist, hat sich durch eine Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Neuen Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) und als Vorsitzender der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht auf dem diesjährigen Deutschen Juristentag eine Abschaffung der berufsständischen Altersversorgung bzw. deren Reduzierung auf eine reine Zusatzversorgung befürwortet.

Maßgeblich wird daher sein, inwieweit die Deutsche Rentenversicherung Bund bereit ist, diese BSG-Rechtsprechung auf breiter Front im Rahmen von Statusfeststellungsverfahren umzusetzen. Hier ist ggf. der Gesetzgeber gehalten, eine entsprechende Korrektur dieser BSG-Rechtsprechung durch eine Klarstellung der gesetzlichen Grundlagen herbeizuführen.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport Oktober 2022: Was Ingenieure bei der Bauabnahme beachten müssen - die Reichweite von Beratungspflichten bei Bauverträgen

Die Abnahme ist einer der wichtigsten Meilensteine bei der Umsetzung eines Bauvertrags. Dies zeigt sich in ihren zahlreichen Rechtswirkungen. So wird mit ihr der Werklohn endgültig fällig, die Verjährungsfristen für Mängelansprüche beginnen zu laufen und der Gefahrübergang tritt ein. Eine wichtige Wirkung der Abnahme ist dabei der Verlust der Mängelrechte und der Vertragsstrafe, wenn Auftraggeber sich diese Rechte bei Abnahme nicht vorbehalten.

Auftraggeber entscheiden dabei, ob das Vertragsziel erreicht ist. Die Abnahme stellt nach § 640 BGB die körperliche Entgegennahme der vollendeten Leistung verbunden mit der Anerkennung des Werkes als eine in der Hauptsache vertragsgemäße Leistungserfüllung. Unwesentliche Mängel hindern die Abnahme nicht. Es handelt sich um eine einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung, deren Inhalt allein von den Auftraggebern bestimmt wird. Der Unternehmer kann selbstredend seine Stellungnahme dazu abgeben aber nicht beeinflussen, ob und welche Mängel vom Auftraggeber gerügt werden.

Daher muss sich der Auftraggeber seine Rechte wegen erkannter oder offensichtlicher Mängel und etwaiger verwirkter Vertragsstrafen bei der Abnahme ausdrücklich vorbehalten. Anderenfalls gehen etwaige Mängelrechte wie beispielsweise der Nacherfüllungsanspruch bezüglich derartiger Mängel verloren. Bei vertragsgemäßer Erstellung des Werkes hat der Auftraggeber ein Recht aber auch die Pflicht, die Abnahme zu erklären. Der Auftraggeber kann die Abnahme nur verweigern, wenn wesentliche Mängel vorliegen. Wird die Abnahme unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert, sollte zumindest eine Zustandsfeststellung erfolgen.

Allerdings ist diese Problematik nicht nur für den Auftraggeber, sondern auch für Ingenieure von großer Bedeutung, um nicht in etwaige Haftungsfallen zu tappen. Ingenieure sind oft bei der Abnahme zugegen, um den Auftraggeber während des Termins fachkundig zu unterstützen. Es stellt sich also die Frage, welche Pflichten Ingenieure bei der Abnahme treffen.

Dies behandelt ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt vom 25.04.2022 (29 U 185/20):

In dem dort entschiedenen Fall hat der Auftraggeber einen Ingenieur auf Schadensersatz wegen eines Baumangels in Anspruch genommen, der durch das ausführende Unternehmen verursacht wurde. Der Anspruch wurde dabei darauf gestützt, dass der Ingenieur bei der Abnahme keinen Vorbehalt erklärt hatte.  

Das Gericht stellte sich auf die Seite des Auftraggebers und verurteilte den Ingenieur zu Schadensersatz. Es begründete die Entscheidung damit, dass es dem Ingenieur oblegen hätte, im Hinblick auf einen bekannten Mangel bei der Abnahme einen Vorbehalt zu erklären bzw. den Besteller darauf hinzuweisen. Nach Auffassung des Gerichts sei dem Besteller dadurch ein Schaden entstanden, da er die Möglichkeit verloren hatte, Nacherfüllung zu verlangen.

Diese Entscheidung knüpft an ein älteres Urteil des Bundesgerichtshofs an (BGH, NJW 1979, 1499). Im damaligen Fall stellte sich das oberste Gericht auf den Standpunkt, dass der Ingenieur nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des BGB und der entsprechenden Vorschriften des VOB/B besitzen müsse und bei mangelhaften Bauleistungen die Rechte der Bauherren wahren müsse.

Weiter setzt sich das OLG Frankfurt mit der Frage auseinander, ob der Besteller eine kulanzweise angebotene Tätigkeit hätte annehmen müssen. So hatte der Unternehmer dem Besteller bei der Abnahme angeboten, die noch ausstehenden behaupteten Mängel später aus Kulanz (verbunden mit dem Hinweis, dass ein Baumangel nicht vorliege) zu beseitigen. Das Gericht war der Meinung, dass sich der Besteller nicht auf dieses Angebot hätte einlassen müssen, da ihm bei fehlerhafter Ausführung der Arbeiten (anders als bei der Nacherfüllung) keine Ansprüche gegen den Unternehmer zustünden. Ob die Auffassung des Gerichts in diesem Punkt als zutreffend anzusehen ist, kann angezweifelt werden. In der juristischen Literatur wird überwiegend angenommen, dass eine solche kulanzweise angebotene Tätigkeit angenommen werden muss. Dies wird zutreffend damit begründet, dass es - anders als es das OLG annimmt - im Falle eines Fehlschlags einer kulanzhalber durchgeführten Leistung eben nicht grundsätzlich zu einem Verlust der ursprünglich vorhandenen Rechte kommt. Allerdings führt die Annahme der Kulanzleistung nicht zu einem Anerkenntnis im verjährungsrechtlichen Sinne.

Im Ergebnis sollten sich Ingenieure an die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen bei der Abnahme einstellen, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Konkret umfasst das zum einen die Pflicht, dass bei Vereinbarung und Verwirkung einer Vertragsstrafe auf den Vertragsstrafevorbehalt geachtet wird und zum anderen, dass im Hinblick auf bekannte oder offensichtliche Mängel ein Vorbehalt erklärt werden muss, insbesondere dann, wenn der Ingenieur die Abnahme durchführt oder daran mitwirkt. Dazu müssen die vorbehaltenen Mängel und Restleistungen im Abnahmeprotokoll mit dem Hinweis auf den Vorbehalt sorgfältig vermerkt werden. Im Ergebnis ist es besser, einen vermeintlichen Mangel zu viel zu rügen als einen zu vergessen.

Ingenieure schulden den Bauherren zwar keine Rechtsberatung, müssen aber gerade bei Abnahme die o.g. Obliegenheiten der Auftraggeber kennen und auf deren Beachtung drängen, um nicht selbst in die Haftung zu kommen. 

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Charlotte Vosschulte
Rechtsreferendarin
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport September 2022: Verschärfte Nachweispflichten für Arbeitgeber seit dem 01.08.2022 in Kraft!

Zwecks Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen der Europäischen Union hat der Bundesgesetzgeber mit Wirkung zum 01.08.2022 im Wesentlichen Änderungen des Nachweisgesetzes vorgenommen. An den bisher geltenden Grundregelungen, wonach Arbeitsverhältnisse mündlich bzw. per Handschlag wirksam geschlossen werden können (ausnahmsweise Geltung der Schriftform bei Befristungsabreden, Ausbildungsverträgen etc.), deren Beendigung aber nur durch schriftliche Kündigung oder Auflösungsvertrag herbeigeführt werden kann, ändert sich nichts.

Allerdings galt schon nach dem alten Nachweisgesetz von 20.07.1995, dass der Arbeitgeber die wichtigsten für das Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen spätestens bis zum Ablauf einer Monatsfrist nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen hatte.

Mit der Neufassung des Nachweisgesetzes wurde der Umfang der in der Niederschrift aufzunehmenden Arbeitsbedingungen deutlich erweitert. Die Ziffernaufzählung von vormals Ziffer 1 bis 10 wird auf Ziffer 1 bis 14 ausgeweitet. Darüber hinaus werden die bislang vorhandenen Ziffern teilweise neu ergänzt.

  • bei befristeten Arbeitsverhältnissen Angabe des Enddatums
  • sofern vereinbart, ausdrücklicher Hinweis auf Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsort frei wählen kann
  • sofern vereinbart, Angabe der Dauer der Probezeit
  • die Benennung der Vergütung von Überstunden
  • Angabe zur Fälligkeit des Arbeitsentgeltes, beispielsweise zum 30. eines Monats und die Form, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird (beispielsweise in bar, per Überweisung oder per Scheck)
  • Angabe der vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzung für eine Schichtänderung
  • für den Fall der Vereinbarung, die Einzelheiten, nach denen die Arbeit auf Abruf erfolgt
  • die Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden
  • ein etwaiger Anspruch auf Fortbildung gegenüber dem Arbeitgeber
  • sofern vereinbart, Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung
  • Angabe zu dem bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens jedoch das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
  • Hinweise auf anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie auf Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen

Das neue Gesetz sieht sich deutlicher Kritik ausgesetzt. So hat der Bundesgesetzgeber die ihm in der EU-Richtlinie eingeräumte Möglichkeit nicht genutzt, die bislang geltende Regelung, wonach die Erfüllung der Nachweispflicht nur durch schriftliche, vom Arbeitgeber zu unterzeichnende Dokumentation erfüllt ist, in Textform, also in eine elektronische Form, abzuändern, nicht genutzt.

Im Gegenteil, zum zusätzlichen Katalog der Nachweispflichten ist zur Verschärfung eine erstmalige Bußgeldandrohung für den Fall der nicht richtigen, nicht vollständigen oder nicht in der vorgeschriebenen Weise, sprich in Schriftform oder nicht rechtzeitig erfolgten Aushändigung der dokumentierten Arbeitsbedingungen mit einer Geldbuße bis zu 2.000,00 € hinzugekommen.

Hinsichtlich der Fristen zur Dokumentation und Aushändigung gilt jetzt eine gestaffelte Regelung, wonach die wesentlichen Bedingungen zu § 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 und 8 spätestens am 1. Tag der Arbeitsleistung der schriftlichen Angaben zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am 7. Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens 1 Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen sind.

Die Neuregelung gilt für alle Arbeitsverhältnisse, die ab dem 01.08.2022 begründet werden. Für Arbeitsverhältnisse, die vor dem 01.08.2022 bereits bestanden, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Verlangen spätestens am 7. Tag nach Zugang der Aufforderung die Niederschrift mit den ergänzten Angaben zu dem neugefassten § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 10 des Nachweisgesetz auszuhändigen. Die übrigen Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nachweisgesetz sind dann spätestens 1 Monat nach Zugang der Aufforderung des Arbeitsnehmers auszuhändigen.

Zudem problematisch ist die Umsetzung der Angaben zum Prozedere der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Im Unterschied zur Geltung von Tarifverträgen sieht das Nachweisgesetz keine Verweisungsmöglichkeit auf den Gesetzestext vor. Vorsichtige Berater empfehlen daher den kompletten Gesetzestext der Kündigungsvorschriften in § 622 BGB hinsichtlich der für den Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses geltenden gestaffelten Kündigungsfristen zu übernehmen, sofern keine Abweichungen vereinbart sind. Ebenso ist ein Hinweis auf die 3-wöchige Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage aufzunehmen gem. § 7 KSchG.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport Juli / August 2022: Die wichtigsten Aufbewahrungsfristen für Ingenieure

Zu früh geschreddert oder lange überfällig?

Viele kennen es - die Archive, sofern sie noch nicht elektronisch archiviert und digitalisiert wurden, sind voll und man fragt sich, was passiert mit den Unterlagen?

Wie lange muss ich diese behalten, um mich vor Ansprüchen von Auftraggebern und dem Finanzamt zu schützen? Und wie lange darf ich die Unterlagen aufbewahren, um im Einklang mit dem Datenschutz zu arbeiten? Es muss eine regelmäßige Kontrolle der Aktenbestände vorgenommen werden, denn die Akten müssen irgendwann vernichtet oder gelöscht werden.

Im Folgenden klären wir Sie über die wichtigsten Pflichten und Fristen auf. Grundsätzlich wird in Aufbewahrungsfristen von zwei, drei, fünf, sechs, zehn und 30 Jahren unterteilt. Viele der Fristen beginnen erst mit dem Schluss des laufenden Kalenderjahres, so dass man die Unterlagen jahrgangsweise betrachten kann.

Die längste Aufbewahrungspflicht von 30 Jahren gilt für Unterlagen und Gegenstände, die im Eigentum des Auftraggebers stehen. Hier besteht ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB, der erst nach 30 Jahren verjährt. Zu diesen Unterlagen zählen insbesondere Originalunterlagen wie etwa Baugenehmigungen, Fachgutachten, Bauverträge, statistische Berechnungen, Vertragsurkunden, Kataster- und Lagepläne oder auch im Auftrag des Auftraggebers mit Unternehmen geführter Schriftwechsel sowie Leistungsnachweisverzeichnisse. Eine Möglichkeit, um eine Verletzung dieser Aufbewahrungspflicht entgegen zu wirken, besteht darin, die genannten Unterlagen nach Beendigung des Auftrags an die jeweiligen Auftraggeber, möglichst gegen Empfangsquittung, zu übergeben. Damit können mögliche Pflichtverletzungen verhindert werden und eigene Rechte können durch die Aufbewahrung von Kopien oder die elektronische Speicherung der jeweiligen Originaldokumente gesichert werden.

Des Weiteren ist die Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren zu beachten. Diese gilt für kaufmännische, handelsrechtliche und steuerrechtliche Angelegenheiten. Insbesondere gilt sie für Handelsbücher, Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen sowie Buchungsbelege jeglicher Art. Diese Frist endet jedoch nicht, wenn die Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind. Eine Verletzung dieser Frist führt dazu, dass von Seiten des Finanzamtes Schätzungen vorgenommen werden können, die im Zweifel nachteilig ausfallen können.

Zudem gilt eine sechsjährige Aufbewahrungsfrist für empfangene Handelsbriefe, und die Wiedergabe versandter Handelsbriefe sowie für die Besteuerung relevante Dokumente und Lohnkonten, die nicht in der Buchführung enthalten sind.

Neben den für die hauptsächlich aus steuerlichen und Buchhaltungsgründen erforderlichen Aufbewahrungsfristen gelten die folgenden Fristen der Absicherung gegen Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche.

Für projektbezogene Unterlagen besteht eine fünfjährige Aufbewahrungsfrist, die mit der Abnahme oder Fertigstellung der Planungsleistung zu laufen beginnt. Innerhalb dieser Frist können Sachmängelhaftungsansprüche des Auftraggebers geltend gemacht werden, so dass man die Unterlagen zur sachgerechten Verteidigung gegen solche Ansprüche benötigt. Bei Übernahme der Vollarchitektur beginnt die Haftungsfrist erst mit Beendigung der Leistungsphase 9, also mit Ablauf der Gewährleistungszeit der Bauunternehmen, d.h. in der Regel 5 Jahre nach Bauabnahme, so dass der Ingenieur unter Umständen 10 Jahre nach Bauabnahme einzustehen hat.

Unterlagen, die sich aus dem Vertragsverhältnis zwischen Ingenieur und Auftraggeber als eigene Leistung ergeben, sollten mindestens drei Jahre aufbewahrt werden, um Verschaffungsansprüche des Auftraggebers nachkommen zu können. Die Frist endet drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Außerdem sollten aus eigenem Interesse alle Unterlagen zur Durchsetzung vertraglicher Ansprüche gegen den Auftraggeber für mindestens drei Jahre aufbewahrt werden.

Eine zweijährige Frist gilt für Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers für sonstige Werke.

Allerdings ist auch zu beachten, dass die genannten Unterlagen und die personengebundenen Daten nur im Rahmen der datenschutzrechtlichen Regelungen der DSGVO aufbewahrt werden sollten. Es ist zu empfehlen, diese nach Ablauf der oben genannten jeweiligen Fristen zu löschen.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die aufgeführten Aufbewahrungsfristen vor allem der eigenen Absicherung dienen. Herausgabeansprüche von im Eigentum der Auftraggeber stehenden Unterlagen kann durch das Übergeben der Unterlagen an den Auftraggeber erledigt werden. Da keine für Ingenieure gesondert geltenden Aufbewahrungsfristen bestehen, sind vor allem steuerliche und kaufmännische Fristen einzuhalten. Darüber hinaus dient die Aufbewahrung von Unterlagen maßgeblich der Durchsetzung eigener Forderungen gegen die Auftraggeber sowie der Nachweismöglichkeit zur Abwehr von Mängelbeseitigungs- und Schadensersatzansprüchen.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU Schwerin

Björn Möller
Rechtsreferendar
Rechtsanwaltssozietät WIGU Schwerin

Kammerreport Juni 2022: Bestimmung abweichender Mindestabstandsflächen durch prägende Umgebungsbebauung?

Mit Gesetz vom 15.10.2015 wurde eine weitere neue Ausnahmeregelung unter § 6 Abs. 1 Nr. 2 LBauO M-V eingeführt, wonach eine regelhafte Abstandsfläche vor Außenwänden zur Nachbargrenze nicht erforderlich ist, soweit nach der umgebenden Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB abweichende Gebäudeabstände zulässig sind. Mit dieser Regelung wurde die weitere zeitgleich neu eingeführte Ausnahmevorschrift in § 6 Absatz 1 Nr. 1 LBauO MV flankiert, welche auf planungsrechtliche Vorschriften verweist, die in Form von Festsetzungen im Bebauungsplan gem. § 30 BauGB, nach der Eigenart der Umgebung gem. § 34 BauGB sowie im Hinblick auf eine offene, geschlossene oder eine abweichende Bauweise gem. § 22 BauNVO vorsehen, dass an die Grenze gebaut werden darf oder muss.

Nach der Gesetzesbegründung zur Ausnahmeregelung in § 6 Absatz 1 Nr. 2 LBauO MV sollen die Regelabstände 0, 4 H einschließlich des Mindestabstandes von 3 Metern nicht mehr eingehalten werden müssen, sofern sich das Bauvorhaben an den Abständen orientiert, die in der das Baugrundstück bauplanungsrechtlich prägenden Nachbarschaft bestehen.

Es komme nicht darauf an, hier ein konkretes anderes Abstandsflächenmaß exakt zu ermitteln, sondern dass sich das Bauvorhaben hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

Durch diese neu Ausnahmeregelung war somit eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die Baubeteiligten, insbesondere die Planer, Vermessungsingenieure sowie für die Bauaufsichtsbehörden entstanden. Anstelle klarer Mindestabstände von 3 Metern bzw. der Regelvorgaben hinsichtlich der Abstandsfläche von 0,4 H als Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Außenwand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand, sollte nunmehr eine bauplanungsrechtlich beeinflusste Einzelbetrachtung der näheren Umgebung des Baugrundstücks treten. Bei dem Begriff des „Einfügens“ im Sinne von § 34 BauGB handelt es sich zudem um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der erst durch die Rechtsprechung bezogen auf die neu zu klärende Anwendung auf die Bestimmung von Abstandsflächen näher konkretisiert und ausgefüllt werden musste.

Für die Anwendungspraxis kam erschwerend hinzu, dass die Handlungsempfehlungen zum Vollzug der Landesbauordnungen Mecklenburg-Vorpommern unter Berücksichtigung der neu eingeführten gesetzlichen Regelungen nicht mehr fortgeschrieben wurden. Die letzte Fassung datiert auf Stand Februar 2013.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Zielrichtungen des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts unterschiedlich sind. Im Rahmen des Bauplanungsrechts wird im Wesentlichen die Frage der Zulässigkeit von Bauvorhaben im nicht beplanten Innenbereich danach bestimmt, ob sich das Vorhaben in einen bestimmten anhand der Bestandsbebauung vorhandenen Rahmen hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung als auch hinsichtlich der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche einfügt oder nicht.

Dagegen zielt das Abstandsflächenrecht im Wesentlichen auf die Gefahrenabwehr als baupolizeiliche Vorschrift ab. So dienen die Regelungen zu den Abstandsflächen der Gewährleistung eines Minimalstandards zur Gewährleistung der Belichtung, Belüftung, Besonnung und Sozialabstandes.

Der Gesetzgeber war der Meinung, dass dieser Mindeststandard auch über das durch die bauplanungsrechtlichen Vorschriften zu gewährleistenden Rücksichtnahmegebot bezüglich der einzuhaltenden Abstandsflächen ausreichend gewährleistet werden könnte.

Da weder eine Legaldefinition oder Regelbeispiele im Gesetzestext aufgeführt und auch in der Gesetzesbegründung keine Beispiele enthalten waren und sich zudem die oberste Baubehörde mit Handlungsempfehlungen bei der Anwendung vornehm zurückhielt, waren die Rechtsanwender in der Praxis auf die kommende Rechtsprechung zur Klärung der offenen Auslegungsfragen angewiesen.  Erst rund 5 Jahre nach Inkrafttreten der Neureglung hatte das Verwaltungsgericht Schwerin mit Urteilen vom 27.02.2020, Az. 2 A 397/17 SN, vom 09.09.2011, Az. 2 A 772/20 SN sowie vom 01.04.2022, Az. 2 A 3619/17 SN Gelegenheit erhalten, die Rechtsvorschriften im Rahmen der Anwendung zu konkretisieren. Dabei orientiert sich das Verwaltungsgericht bei der Bestimmung der prägenden Umgebungsbebauung an der bereits hierzu ergangenen Rechtsprechung an die nähere Umgebung im Sinne von § 34 BauGB. Problematisch blieb dagegen, dass die Frage des Einfügens nach § 34 BauGB nach bisheriger Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht regelmäßig nur die Ermittlung eines Rahmens, innerhalb dessen sich das geplante Bauvorhaben für dessen Zulässigkeit bewegen muss, vorzunehmen ist. Dies ist jedoch für die Bestimmung einer konkreten, abweichend von den regelhaft einzuhaltenden Abstandsfläche nur wenig hilfreich.  In dem konkreten am 01.04.2022 entschiedenen Fall wollte der Bauherr nur einen Grenzabstand von ca. 0,4 Metern einhalten, also die 3 Meter Mindestabstandsregel deutlich unterschreiten. Die Genehmigungsbehörde vertrat die Auffassung, dass sich ein solcher Grenzabstand von 0,4m durchaus anhand von Beispielen innerhalb des in der Umgebungsbebauung vorhandenen Rahmens herleiten ließe.

Das Verwaltungsgericht folgte dem jedoch nicht und ging hier einen anderen Weg, versucht hier also, keinen Rahmen zu ermitteln, sondern prüft, ob im Sinne einer „einheitlichen Prägung“ ein Grenzabstand abweichend von den Regelabständen des § 6 Landesbauordnung M-V festzustellen ist. In dem konkret zu entscheidenden Fall ergab sich dabei eine diffuse Umgebungsbebauung, in der zwar auch Grenzanstände, wie der hier beantragte vorhanden waren, aber eben auch völlig andere, größere Grenzabstände, so dass sich die Schlussfolgerung auf abweichende Gebäudeabstände im Sinne der Ausnahmevorschrift aus Sicht des Gerichts nicht ergab.

Darüber hinaus vergaß das Verwaltungsgericht nicht zu betonen, dass es sich bei dieser nachträglich eingefügten Regelung um eine Ausnahmevorschrift im Rahmen des nachbarschützenden Abstandsflächenrechts handelt, die also entsprechend eng auszulegen ist.

Im Grunde genommen verwendet das Verwaltungsgericht hier den Weg des Gedankens der Vorbelastung aus der vorhandenen Bebauung. Wenn sich dort bauliche Zustände im vorhandenen Bestand im Sinne eines einheitlichen Bildes, ohne dabei zentimetergenau vorzugehen, verfestigt haben, die das Baugrundstück mit einer Unterschreitung der Mindestabstände von 0,4 H bzw. von 3 Metern prägen, so muss die Nachbarschaft im Falle eines Bauvorhabens die entsprechende Beeinträchtigung des ansonsten geltenden Mindeststandards nach dieser Ausnahmevorschrift hinnehmen.

Mit dem vom Verwaltungsgericht aufgestellten Erfordernis einer in der Umgebungsbebauung nachzuweisenden einheitlichen Prägung durch andere Mindestabstände als der gesetzlichen Regelabstände will dieses der Anforderung an eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift gerecht werden. Allerdings bleibt offen, ab wann man von einer Einheitlichkeit in der prägenden Umgebungsbebauung von den Regelabständen abweichenden Grenzabstände ausgehen darf.

Bei markanten Unterschieden in der Bauweise, der Lage der Baukörper oder insbesondere der Gebäudehöhe in der maßgeblichen Umgebung kann jedenfalls nicht von einer Einheitlichkeit, die eine Schlussfolgerung auf abweichende Gebäudeabstände zulässt, gesprochen werden.

Im Ergebnis wird daher nach Maßgabe dieser Rechtsprechung seitens der Bauplaner als auch seitens der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden eine deutliche Zurückhaltung bei der Anwendung dieser Ausnahmevorschrift künftig geboten sein, um keine Aufhebung im Falle der Anfechtung durch Nachbarwidersprüche und -klagen zu riskieren.

Ob sich die vom Verwaltungsgericht geschaffene Begrifflichkeit der „Verfestigung eines einheitlichen Bildes“ mit dem bauplanungsrechtlichen Begriff des „sich Einfügens“ vereinbaren lässt, muss letztendlich durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt werden. Das Verwaltungsgericht hat zumindest den anzuerkennenden Versuch unternommen, das vom Gesetzgeber geschaffene Dilemma einer halbwegs praktikablen Lösung zuzuführen. 

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport Mai 2022: Haftung für Kostenüberschreitung am Bauvorhaben – für jede Kostenermittlungsart gelten eigene Toleranzgrenzen

Manche Bauvorhaben sind am Ende teurer als man anfangs kalkuliert hat – mit diesem Satz erzählt man IngenieurInnen nichts Neues. Bei einem Bauvorhaben wirken jedoch viele Umstände und Beteiligte mit, von denen aber keiner auf den (Mehr-)Kosten sitzen bleiben möchte. Dabei ist die schuldhaft verursachte Kostenüberschreitung eine der häufigsten Pflichtverletzungen von IngenieurInnen, die zu (erfolgreichen!) Schadensersatzforderungen führen können.

IngenieurInnen müssen während des gesamten Bauvorhabens die Kosten im Blick behalten. Dabei gibt es einzelne Kostenermittlungen nach verschiedenen Leistungsständen der Planung wie z.B. die Kostenschätzung innerhalb der Vorplanung, die Kostenberechnung innerhalb der Entwurfsplanung, Kostenfeststellung innerhalb der Objektüberwachung oder die Kosteneinschätzung gem. § 650 p Abs.2 BGB. Alle Kostenermittlungen haben den Zweck, den Bauherrn über die Kosten gut zu informieren, damit er die notwendigen kommerziellen Entscheidungen treffen und sich vor wirtschaftlicher Überforderung schützen kann. Die Überschreitung der Kostenermittlung durch IngenieurInnen bis zu einer angemessenen Spanne, einer Toleranzgrenze, ist unschädlich, ohne dass von einer Fehlkalkulation bzw. Pflichtverletzung gesprochen werden, da die Erstellung eines Bauwerkes naturgemäß mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden ist.

Es herrscht in der Rechtsprechung und in der Literatur keine Einigkeit darüber, wann die Toleranzgrenze überschritten ist. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit seiner Entscheidung vom 17.09.2020, Az: 17 U 75/19 ausgeführt, dass die den IngenieurInnen zu gewährende Toleranzgrenze nicht pauschal mit einem festen Prozentsatz über alle Leistungsphasen gleichermaßen angegeben werden könne. Maßgeblich sei, in welchem Leistungsstand und folglich in welcher Kostenermittlungsart man sich in dem jeweiligen Bauvorhaben befinde.

Diesem Beschluss zufolge wird im Rahmen der Kostenschätzung den IngenieurInnen eine Toleranz von 30 bis 40 % eingeräumt, im Rahmen der Kostenberechnung von 20 bis 25 % und im Rahmen des Kostenanschlags von 10 bis 15 %. Der Beschluss hat eine weitreichende Bedeutung, da nicht nur eine bzw. die Endsumme eines Bauvorhabens als Beurteilungskriterium herangezogen wird, sondern einzelne Toleranzgrenzen für einzelne Kostenermittlungen ermittelt werden müssen. Hierdurch wird die Vornahme einer differenzierten Einschätzung ermöglicht. Es gilt dabei die Faustregel, dass die Kostenermittlungsart der IngenieurInnen so genauer und sorgfältiger sein muss, je weiter das Bauvorhaben fortgeschritten ist (Werner/Pastor Der Bauprozess 2020 Rn.2259 und 2281). Diesem Umstand tragen die RichterInnen mit dem Satz „in Abhängigkeit von Genauigkeitsgrad der Kostenermittlung verringert sich auch die Toleranz“ Rechnung.

In diesem Rahmen müssen jedoch zwei Besonderheiten beachtet werden. Zum einen ist die Anwendung dieser Toleranzrahmen eine Frage des Einzelfalls und diese Prozentzahlen sind nicht in Stein gemeißelt. Hierbei müssen alle Umstände, die für die Kosten entscheidend sind, wie die Dauer des Bauvorhabens, unerwartete Mehrpreis- und/oder Lohnsteigerungen, berücksichtigt werden.  Diese Toleranzgrenzen finden z.B. keine Anwendung, wenn IngenieurInnen diese Grenzwerte zwar eingehalten haben, die Überschreitungen jedoch vermeidbar waren und/oder sie diesbezüglich nicht das Gespräch mit dem Auftraggeber gesucht haben. IngenieurInnen haben insoweit eine Warnpflicht (Werner/Pastor Der Bauprozess 2020 Rn.2275). Der zweite Aspekt ist derjenige, dass der Toleranzrahmen bei einem konkret mit dem Bauherrn vereinbarten Kostenobergrenze bzw. Kostenlimit keine unmittelbare Anwendung findet. In Abgrenzung zur generellen Pflicht zur ordnungsgemäßen Kostenbegleitung stellt eine solche Vereinbarung zwischen IngenieurInnen und Bauherren häufig eine Beschaffenheitsvereinbarung dar, die dann die maßgebliche Grundlage für eine Schadensersatzforderung darstellen kann (vgl. Werner/Pastor Der Bauprozess 2020 Rn.2267). Noch strenger ist die Haftung bei einer von IngenieurInnen eingegangenen Baukostengarantie, von deren Vereinbarung grundsätzlich abzuraten ist.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass nicht jede Kostenüberschreitung auch eine Pflichtverletzung darstellt. Der Beschluss des OLG, der vom BGH im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bestätigt wurde, hat die Rechte der IngenieurInnen gegenüber denen des Auftraggebers gestärkt und zu mehr Rechtssicherheit geführt, indem es mit den Prozentangaben klare Vorgaben für zulässige Toleranzgrenzen gegeben hat. Der Beschluss hat insoweit eine über den Einzelfall hinausgehende Wirkung.

Jörg Borufka                                                       Mustafa Ali Kara
Rechtsanwalt                                                      Rechtsreferendar
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

 

Kammerreport April 2022: Ingenieurhaftung für unwirtschaftliche Solarthermieanlage

Die klagende WEG nahm den seinerzeit mit den Leistungsphasen 5 – 8 des § 15 HOAI a.F. beauftragten Beklagten, einen beratenden Ingenieur, wegen fehlerhafter Planung des Einbaus einer neuen Solaranlage auf Schadensersatz in Anspruch. Das OLG Düsseldorf hat der Klage mit Urteil vom 08.10.2021, Az. 22 U 66/21 teilweise stattgegeben. Die der Investitionsentscheidung der WEG für die Solaranlage zugrunde gelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung des beklagten Ingenieurs war unstreitig fehlerhaft. Die von ihm errechneten jährlichen Einsparungen beim Energiebedarf und damit die Amortisierungsdauer waren deutlich zu gering bzw. zu kurz berechnet. Die tatsächlich erzielbare Einsparung lag deutlich darunter. Nach Abzug des tatsächlich erzielbaren jährlichen Energieersparnis konnte sich die Anlage unter Annahme einer mittleren Lebensdauer von 20 Jahren nicht amortisieren.

Die klagende WEG trug vor, dass sie im Falle der Kenntnis von der richtigen tatsächlichen Ersparnissituation von der Investitionsentscheidung zugunsten der Solaranlage Abstand genommen hätte.

Das OLG Düsseldorf führt hierzu aus, dass auch ohne ausdrückliche Regelung im Vertrag der Planer verpflichtet ist, die wirtschaftlichen Belange des Bestellers zu wahren. Hier hatte der beklagte Ingenieur durch die wirtschaftliche Beratung im Rahmen seiner Wirtschaftlichkeitsberechnung zugleich die Pflicht übernommen, diese gewissenhaft durchzuführen. Er würde deshalb auch dann haften, wenn er die Beratung ohne ausdrückliche, vertragliche Grundlage durchgeführt hätte.

Die geschädigte WEG war daher im Wege der Differenzhypothese so zu stellen, als wäre der Fehler bei der Investitionsberatung sowie die Entscheidung zur Durchführung der Baumaßnahme nicht erfolgt. Das OLG Düsseldorf hat für die Schadensberechnung zunächst die Kosten für die Errichtung der Solaranlage abzgl. dem KFW-Zuschuss und zzgl. des Honorars des Beklagten zugrunde gelegt. Gegenzurechnen waren die tatsächlich erzielten jährlichen Ersparnisse, die das Gericht mit Rücksicht auf eine etwaig längere Nutzungszeit und weiter steigende Energiepreise noch zugunsten des Beklagten aufgerundet hat. Der danach verbliebene, nicht amortisierte Rest stellte somit den Schaden der WEG dar. Dagegen konnte die WEG nicht das sogenannte positive Interesse in Höhe der Differenz der tatsächlichen Einsparung zu der vom Beklagten errechneten jährlichen Ersparnis für die Dauer der Laufzeit der Anlage als Schaden begehren. Eine solche Schadensbemessung widerspräche dem Vortrag der Klägerin, sie hätte die Solaranlage ohne die Beratungspflichtverletzung gerade nicht einbauen lassen.

Unklar bleibt anhand der Entscheidung allerdings, worauf sich die rechtlichen Erwägungen des Gerichts stützen, dass es sich bei der Berechnung der Ersparnisleistung für die Solaranlage um ein vertraglich vereinbartes Planungs- und Überwachungsziel, für das die werkvertragliche verschuldensunabhängige Erfolgshaftung mit der 5-jährigen Gewährleistungsfrist ab Abnahme Geltung beansprucht,  und damit nicht um eine bloße Nebenpflichtverletzung bei fehlerhafter Berechnung mit 3-jähriger, kenntnisabhängiger Verjährungsfrist handelt.

Starke Stimmen in der baurechtlichen Literatur vertreten die Auffassung, dass dem Planer in der Regel nicht der Haftungswille unterstellt werden kann, er würde mangels Einflussmöglichkeit auf die zukünftige Preisentwicklung für die Einhaltung von Baukostenzielen im Sinne einer Erfolgshaftung einstehen wollen. Ein ähnlicher Einwand dürfte hier für die nicht vorhersehbare und nicht beeinflussbare Preisentwicklung bei den eingesparten Energiekosten gelten.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport März 2022: Der EuGH und die HOAI-Mindestsätze – eine unendliche Geschichte mit Überraschungen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 14.07.2019 entschieden, dass der verbindliche Preisrahmen der HOAI, insbesondere also auch das Verbot der Unterschreitung der Mindestsätze gemäß § 7 Abs. 1 HOAI (a.F.), gegen europäisches Recht verstieß. Daraufhin hat der deutsche Gesetzgeber mit der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung der HOAI das Verbot der Mindestsatzunterschreitung faktisch abgeschafft. Umstritten blieb jedoch, ob die vor dem 01.01.2021 abgeschlossenen Architekten- und Ingenieurverträge noch unter das Mindestsatzunterschreitungsverbot fallen, Auftragnehmer also mit sogenannten "Aufstockungsklagen" die HOAI-Mindestsätze verlangen können, obwohl vertraglich geringere Vergütungen vereinbart waren. Die Rechtsprechung war uneinheitlich und unterschied dabei auch zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebern. Die wohl herrschende Meinung ging jedoch davon aus, dass die Europäische Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) nach Ablauf der Umsetzungsfrist auch unmittelbar als nationales Recht gilt und damit das Verbot der Mindestsatzunterschreitung seit diesem Zeitpunkt auch als innerstaatliches Recht unwirksam ist, so dass eine Mindestsatzunterschreitung folgenlos bliebe.

Auf einen Vorlagebeschluss des BGH entschied der EuGH nunmehr am 18.01.2022 (RS. C-261/20), dass die Dienstleistungsrichtlinie keine unmittelbare innerstaatliche Wirkung entfalte und daher die HOAI im geltenden Wortlaut, also auch mit dem Verbot der Mindestsatzunterschreitung, bis zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in nationales Recht, also mit der HOAI 2021, weiter gelte. Dies bedeutet jedoch, dass für Verträge mit Mindestsatz unterschreitenden Vergütungen, die vor dem 01.01.2021 abgeschlossen wurden, weiterhin Aufstockungsklagen mit der Geltendmachung der Mindestsätze möglich sind. Viele dieser Klagen wurden im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BGH zunächst ruhend gestellt und werden jetzt entschieden. Aufstockungsklagen, die bereits rechtskräftig zurückgewiesen sind, können jedoch nicht wieder aufgegriffen werden.

Das Urteil ist durchaus überraschend, weil der EuGH in früheren Entscheidungen Ausnahmefälle herausgearbeitet hat, in denen europarechtliche Richtlinien unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten beanspruchen. Aus diesem Grund wurde vielfach vertreten, dass mit Auslaufen der Umsetzungsfrist am 28.12.2009, spätestens jedoch mit Bekanntwerden der Entscheidung des BGH vom 14.07.2019 das Verbot der Mindestsatzunterschreitung unwirksam geworden und damit in Deutschland nicht mehr anwendbar ist. Aus welchem Grunde die vom EuGH in der Vergangenheit herausgearbeiteten Ausnahmen vorliegend nicht gelten sollen, wurde in der Entscheidung vom 18.01.2022 leider nicht herausgearbeitet. Die Bedeutung der Entscheidung geht jedoch weit über das Architekten- und Ingenieurrecht hinaus, da sie die grundlegende Aussage enthält, dass Richtlinien der Europäischen Union grundsätzlich nicht unmittelbare nationale Wirkung entfalten, sondern die Mitgliedstaaten lediglich verpflichten, diese in nationales Recht umzusetzen. Diese Frage hat auch in anderen Rechtsbereichen erhebliche Bedeutung.

Einige Fragen blieben aber durch die Entscheidung des EuGHs auch noch ungeklärt, nämlich ob dies nur im Verhältnis zwischen Privaten gilt oder auch öffentliche Auftraggeber betroffen sind. Unklar bleibt auch, ob dies auch für noch laufende Verträge oder im Falle einer Stufenbeauftragung gilt. Schließlich hatte der EuGH angedeutet, dass Auftraggeber im Falle der Inanspruchnahme in Höhe der Mindestsätze Schadensersatzansprüche gegen den deutschen Staat haben könnten, weil dieser die Richtlinie nicht fristgemäß umgesetzt hat. Der Bundesgerichtshof wird nun sicher auf der Grundlage der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes die einzelnen Fallgestaltungen von Aufstockungsklagen beleuchten und hoffentlich Rechtsklarheit bringen. Freilich betrifft dies nur noch Altfälle der vor dem 01.01.2021 abgeschlossenen Verträge. Da Planungsverträge jedoch meist langfristig sind, könnten sich für einige Ingenieure hier Chancen auf Geltendmachung einer Mehrvergütung im Rahmen einer Aufstockungsklage auftun. Jedenfalls sollte die Rechtsentwicklung bis zum Ende des Jahres beobachtet werden, um dann Ansprüche, die bis zum 31.12.2019 fällig waren und daher möglicher Weise zum 31.12.2022 verjähren, verjährungshemmend geltend zu machen.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport Januar / Februar 2022: BFH-Urteil: Kündigungsvergütung grundsätzlich nicht umsatzsteuerpflichtig!

Infolge ordentlicher Kündigung eines Planervertrages kann der gekündigte Ingenieur gemäß § 648 S. 2 BGB n. F. (entspricht § 649 S. 2 BGB a. F.) vom Auftraggeber für die auf die gekündigten Leistungen entfallenen Vergütungsanteile unter Abzug etwaig ersparter Aufwendungen Zahlung verlangen.

Erhebliche Unsicherheiten bestanden in der Vergangenheit jedoch bei der Frage, ob die auf die gekündigten Leistungen entfallenden Vergütungsanteile der Umsatzsteuerpflicht unterliegen.

In dem konkreten Fall hatte der ordentlich vom AG gekündigte Planer seine Schlussrechnung erstellt und die Vergütung nach erbrachten und nicht erbrachten Leistungen getrennt abgerechnet, wobei er die Vergütungsanteile für die nicht mehr erbrachten Leistungen nicht mit Mehrwertsteuer beaufschlagt, also netto abgerechnet hatte. Damit war das Finanzamt nicht einverstanden und veranlagte den gekündigten Planer zur Umsatzsteuerabfuhr für die Vergütungsanteile auf die gekündigten Planungsleistungen. Auch das Finanzgericht Niedersachsen folgte der Auffassung des Finanzamtes.

Im Rahmen seiner Revisionsentscheidung hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 26.08.2021, Az. V 13/19 nunmehr klargestellt, dass die Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen gem. § 649 S. 2 BGB a.F. bzw. § 648 S. 2 BGB n.F. grundsätzlich keine umsatzsteuerbaren und damit umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zugrunde liegen, also keine Umsatzsteuer hierauf anfällt. Damit folgt der BFH der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (siehe BGH- Urteil vom 22.11.2007, Az. VII ZR 83/05), wonach der Unternehmer keine Mehrwertsteuer auf die für die nicht erbrachten Leistungen entfallende Vergütung beanspruchen kann. Diese Rechtsprechung war allerdings mit Blick auf die Einheitlichkeit des Vergütungsanspruches nicht unumstritten. Wie an dem Fall ersichtlich, hat ein Teil der Finanzverwaltung bzw. der finanzgerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Kündigungsentschädigung um einen modifizierten Vergütungsanspruch handelt, so dass letztendlich ein umsatzsteuerpflichtiger Leistungsaustausch zugrunde läge.

Insoweit ist es zu begrüßen, dass der BFH im Anschluss an den BGH der Umsatzsteuerpflichtigkeit auf die Kündigungsvergütung eine Absage erteilt hat.

Allerdings bleibt auch hier ein Ausnahmefall von Beachtung, wenn keine Kündigung durch den Auftraggeber erfolgt und die Parteien sich stattdessen einvernehmlich durch Aufhebungsvereinbarung trennen. Hier ist bei der Formulierung der Aufhebungsvereinbarung darauf zu achten, dass die gezahlte Kündigungsentschädigung nicht als Entgelt für den Verzicht auf die Durchführung des Vertrages zu betrachten ist. Hierzu hatte der BFH bereits in einer früheren Entscheidung (BFH Urteil vom 16.01.2014, Az. V R 22/13) festgestellt, dass die Voraussetzung für einen entgeltlichen und damit umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch insbesondere dann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger, hier der planende Auftragnehmer auf eine ihm auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage zustehenden Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet. Formulierungen, wie bspw.: „Der Auftragnehmer stimmt einer Aufhebung des Vertrages zu. Im Gegenzug erhält er als Kündigungsentschädigung einen Betrag von X EURO“ wären insoweit schädlich und könnten zur Umsatzsteuerpflichtigkeit der als Entschädigung für die nicht mehr ausgeführten Leistungsteile bezahlte Abgeltungsbeträge führen. Um zu vermeiden, dass der Auftragnehmer in einem solchen Fall auf der Umsatzsteuerzahllast sitzen bleibt, sollte in die Vereinbarung ein klarstellender Hinweis aufgenommen werden, wonach der Auftraggeber verpflichtet ist, die auf den Entschädigungsbetrag anfallende Umsatzsteuer zusätzlich zu entrichten.

Rechtsanwalt
Björn Schugardt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Recht aktuell - 2021

Kammerreport Dezember 2021: Das Unterlassen der baulichen Nutzung kann zum Erlöschen einer Baugenehmigung führen – Kein Bestandsschutz

Eine Baugenehmigung bietet grundsätzlich eine dauerhafte Sicherheit für die Nutzung des Bauvorhabens und gibt möglicher Weise sogar Abwehrrechte gegen eine heranrückende Wohnbebauung, denn mit der Erteilung der Baugenehmigung erhält der Bauherr zugleich die dauerhafte Erlaubnis für die beantragte Nutzung. Soweit die Nutzung kontinuierlich weiterverfolgt wird, ergeben sich keine Probleme bezüglich der Genehmigung. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn der Eigentümer die Nutzung der baulichen Anlage beendet. Die Beendigung der genehmigten Nutzung kann unter Umständen als Verzicht auf die Rechte aus der Baugenehmigung gedeutet werden und diese zum Erlöschen bringen, so dass die Wiederaufnahme der eigentlich legalen Nutzung nicht mehr möglich ist.

Grundsätzlich ist eine Baugenehmigung als Verwaltungsakt zwar solange wirksam, wie sie nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben wurde. Eine spezialgesetzliche Regelung, wann eine ausgeübte Baugenehmigung erlischt, gibt es nicht. Allerdings kann unter engen Voraussetzungen die Genehmigung auch auf andere Weise untergehen. Hierzu müssen ein Umstandsmoment und ein Zeitmoment betrachtet werden. Diese sind aus der Sicht eines objektiven Dritten zu beurteilen.

Beim Umstandsmoment kommt es auf den Zustand der baulichen Anlage, notwendige erforderliche Investitionen für die Wiederaufnahme der Nutzung, Gründe für die Beendigung der Nutzung sowie sonstige Veränderungen des Baugrundstücks an. Besonderem Gewicht kommt dem Zeitmoment zu. Je länger eine bauliche Anlage ungenutzt bleibt, desto eher ist von einer Nutzungsaufgabe als von einer Nutzungsunterbrechung auszugehen.

Diese Erfahrung musste eine Eigentümerin machen, deren genehmigter Schweinemaststall seit 20 Jahren nicht mehr betrieben wurde, jedoch reaktiviert werden sollte. Die Gemeinde plante aber ein Wohngebiet in der Nähe. Ein Schweinemastbetrieb, der noch aktiv bewirtschaftet wird, hätte dies verhindern können.

Nicht in diesem Falle: Wie das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 07.10.2021 (1 KN 17/20) ausführt, kann aus einem tatsächlichen Verzicht auf die Nutzung der baulichen Anlage zugleich ein rechtlicher Verzicht auf die Baugenehmigung abgeleitet werden. Im konkreten Fall wurde im Jahr 1957 die Baugenehmigung für ein Schweinemaststall erteilt. Der Betrieb der Anlage wurde 1999 eingestellt. Die Antragstellerin verfolgte mithilfe des Normenkontrollantrags das Ziel, den Bebauungsplan, welcher den Bau von Wohngebäude in unmittelbarer Nähe zum Stall ausweist, für unwirksam zu erklären, um eine Wiederaufnahme des Betriebes im Jahr 2023 zu realisieren.

Das Gericht sah es im vorliegenden Fall als erwiesen an, dass unter anderem aufgrund des langen Zeitraumes eine Nutzungsaufgabe gegeben ist. Insbesondere bei gewerblichen bzw. landwirtschaftlichen Bauten müsse berücksichtigt werden, dass sich mit der Zeit nach der Verkehrsauffassung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern und somit mit keiner neuen Aufnahme zu rechnen sei. Gleiches könne gelten, wenn der Betrieb wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt wird. Zwar spiele ein guter Zustand des Objektes eine entscheide Rolle, doch selbst dies ist kein Garant dafür, den Bestand der Baugenehmigung zu erhalten. Im Ergebnis kann sich die Stallinhaberin nicht auf Bestandsschutz berufen und ihre Baugenehmigung von 1957 ist erloschen. Ein Rücksichtnahmegebot gegenüber der Eigentümerin sei ebenfalls nicht mehr gegeben, sobald die Wiederaufnahme der Nutzung bei objektiver Betrachtung nicht mehr zu erwarten sei, so das OVG Lüneburg.

Somit stellt sich die Frage, wie die Baugenehmigung und damit der Bestandsschutz für die genehmigte Nutzung bewahrt werden können, wenn die Wiederaufnahme der genehmigten Nutzung, ggf. viele Jahre nach der Nutzungseinstellung, wieder beabsichtigt ist. Wenn die Baugenehmigung trotz Nutzungsunterbrechung bewahrt werden soll, kommt es auf frühzeitige Initiative an. Im Kern geht es darum, dass über die Jahre hinweg nach außen erkennbar wird, dass eine Wiederbenutzung der Anlage beabsichtigt ist. Dazu darf die Anlage nicht in identitätsverändernde Weise zu anderen Nutzungszwecken umgebaut werden. Zudem muss der Bauherr präventive Maßnahmen treffen. Dies kann durch die klare Formulierung seines Willens gegenüber der Baubehörde und der Gemeinde erfolgen, die Anlage zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Betrieb zu nehmen. Ferner muss ein Verfall der baulichen Anlage verhindert werden. So kann auch über Jahrzehnte hinweg die Baugenehmigung erhalten werden. Allein der zeitliche Aspekt kann nicht zum Erlöschen der Genehmigung führen, wenn die sonstigen Umstände gegen eine endgültige Nutzungsaufgabe sprechen.

Rechtsanwalt
Jörg Borufka

Rechtspraktikant
Christoph Recht

Rechtsanwaltssozietät WIGU Schwerin

Kammerreport November 2021: OVG M-V bestätigt: Dachüberstände > 50 cm sind nicht abstandsflächenneutral

Wie in der Ausgabe des Kammerreports von Februar 2019 ausführlich berichtet, hatte das Verwaltungsgericht Schwerin in einer durchaus kritikwürdigen Entscheidung vom 18.10.2018 festgestellt, dass ein Dachüberstand eines Einfamilienhauses mit 1,50 m Breite zuzüglich 20 cm Dachrinne nicht mehr abstandsflächenneutral im Sinne von § 6 Abs. 6 Nr. 1 Landesbauordnung M-V ist und hatte den Teilrückbau auf 50 cm inklusive Dachrinnenbreite angeordnet. Trotz der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung des in der Gesetzesbegründung verwendeten unbestimmten Begriffes des „untergeordneten Bauteils“, hatte das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zugelassen. Der vom Bauherrn hiergegen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts in Greifswald am 16.03.2021, Az. 3 LZ 1130/18 abgelehnt. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils wären nicht erkennbar. Insbesondere erteilte das Oberverwaltungsgericht der klägerseitigen Auffassung eine Absage, wonach die bloße Aufnahme von Dachüberständen ohne Bemaßungsgrenze durch den Gesetzgeber so zu verstehen wäre, diese stets als untergeordnete Bauteile und damit abstandsflächenneutral anzusehen. Nach der Auslegung des OVG bezöge sich die abstandsflächenrechtliche Privilegierung von Dachüberständen nur auf untergeordnete Dachüberstände.  Das OVG überträgt hierzu seine bereits ergangene Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 S. 3 Baunutzungsverordnung im Zusammenhang mit der zulässigen Grundfläche von Wochenendhäusern, wonach der Größe des Dachüberstandes dann keine eigene Bedeutung zukommt, wenn der Bau konstruktiv und baugestalterisch nach Form, Maß und Verhältnis der Baumaßnahme und Bauteile unter Beachtung der örtlichen Verhältnisse zueinander angemessen ist. Als angemessen betrachtet das OVG einen maximal 50 cm tiefen Dachvorsprung, da damit, so das OVG, „immer noch eine augenfällige markante Baugestaltung erreichbar wäre und das darunterliegende Mauerwerk mehr als nur gerade ausreichend gegen Tropfwasser geschützt werden könne“.

Nach Auffassung des OVG handelt es sich, wie bei den ebenfalls in dieser Vorschrift geregelten, vor die Außenwand vortretenden Bauteilen „um kleingestalterische Gliederungselemente mit zubehörähnlicher Funktion“.

Schließlich, so das OVG weiter, wäre auch bei der Abwägung der konkurrierenden Interessen – Gestaltungsmöglichkeit des Bauherrn und Mauerwerksschutz einerseits und Wahrung der mit dem Abstandsflächenrecht verbundenen Schutzzwecke wie Sozialabstand und Brandschutz anderseits - mit der besagten Tiefe von bis zu 50 cm inklusive Dachrinne grundsätzlich jeweils ausreichend Rechnung getragen.

Im Ergebnis hat das OVG daher die tragenden Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts bestätigt. Kritikwürdig daran ist, dass die OVG-Richter sich wie schon das VG Schwerin hier ohne jede nähere empirische Ermittlung und ohne sachverständige Untersuchung quasi in die Funktion eines Baumeisters begeben und geradezu apodiktisch in verallgemeinernder Weise das 50 cm - Maß festgelegt haben. Zur Entscheidung des Falls hätte es vollkommen ausgereicht, bezogen auf die konkrete Dachform und -länge sowie bezogen auf die konkrete Höhe der zu schützenden Hauswand des zu beurteilenden Bauvorhabens eine Aussage zu treffen.

Diese generelle Festlegung durch das OVG widerspricht auch dem vom Gesetzgeber erklärtermaßen verfolgten Ziel, durch Verzicht auf eine konkrete Maßangabe in § 6 Absatz 6 Nr. 1 LBauO M-V individuelle, anpassungsfähige Einzelfalllösungen schaffen. Mit dieser Rechtsprechung wird jedoch der Versuch unternommen, die nicht abstandsflächenrelevante Tiefe des Dachüberstands grundsätzlich auf 50 cm zu deckeln.

Es ist daher zu befürchten, dass die Bauämter diese Entscheidung in ihrer Genehmigungspraxis als feste Größe behandeln werden.

Dabei besteht die Gefahr, dass die in der Entscheidung des OVG ebenfalls enthaltene Andeutung von den Bauämtern übersehen wird, wonach die 50 cm-Regelung keine absolute Obergrenze darstellen muss, aber der dort klagende Bauherr keine konkreten Gründe dafür vorgetragen hatte, welche ein Abweichen von den vom OVG aufgestellten Grundsätzen rechtfertigen würden.

Fazit:
Ohne besondere Gründe darf daher in Mecklenburg-Vorpommern der Dachüberstand bei zukünftigen Bauvorhaben abstandsflächenneutral maximal 0,50 Meter inklusive Dachrinne betragen. Eine Abweichung könnte ausnahmsweise nur dann in Betracht kommen, wenn bspw. ein notwendiger Mauerwerkschutz auch unter Abwägung der größtmöglichen Berücksichtigung der Zwecke des Abstandsflächenrechts ein abweichendes Ergebnis rechtfertigt. Wann dies konkret der Fall sein könnte, musste das OVG im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Diese Frage bleibt also offen und muss ggf. erneut gerichtlich geklärt werden.

Rechtsanwalt
Björn Schugardt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport Oktober 2021: Architekt darf das Brandschutzkonzept des Fachplaners nicht ungeprüft übernehmen

An der Erstellung eines Bauwerks sind grundsätzlich viele Akteure beteiligt, darunter neben dem Bauherrn die Architekten, Ingenieure, Statiker, Brandschutzfachleute auf der einen Seite und Juristen, Bauprüfer, Mitarbeiter der Genehmigungsbehörde und andere behördliche Fachleute auf der anderen Seite. Es liegt in der Natur der Sache, dass vor allem Großprojekte anfällig für Mängel sind, die sich erst während der Bauphase oder nach der Fertigstellung des Bauwerks offenbaren. Schwachstellen ergeben sich häufig gerade an den Schnittstellen der am Bau Beteiligten. Ein häufiger Streitpunkt ist dabei die Abgrenzung der Haftung zwischen dem Gebäudeplaner und einzelnen Fachplanern.

Wenn trotz vermeintlicher Einhaltung aller vorgeschriebenen und fachlich erforderlichen Abläufe Fehler passieren, ist die Frage nach der Haftung bei den oft komplexen und kostenintensiven Projekten der entscheidende Punkt. Bei zahlreichen Beteiligten, die sich wiederrum gegenseitig auf ihre Kompetenzen verlassen, kann eine Haftungsaufteilung mitunter auch innerhalb der Justiz umstritten sein, wie das Urteil des OLG Saarbrücken vom 27.01.2021 (2 U 39/20) zeigt:

In seiner Entscheidung hat das OLG das vorinstanzliche Urteil aufgehoben und dem Bauherrn einen vollen Schadensersatzanspruch gegen seinen Architekten zugesprochen. Dieser hatte zuvor seine restliche Vergütung eingeklagt. Der Bauherr rechnete das Resthonorar mit Mängelbeseitigungskosten in Höhe von ca. 420.000 € auf – der Architekt hatte ein vom Fachplaner geliefertes Brandschutzkonzept nicht als unrichtig erkannt und ungeprüft in seine Planung integriert. Das Ergebnis war die deutliche Überschreitung zulässiger Rettungswegelängen, die nicht mit den gesetzlichen Vorschriften der Landesbauordnung im Einklang standen. Das Landgericht bejahte erstinstanzlich ein überwiegendes Mitverschulden des Brandschutzfachplaners, das dem Bauherrn als dessen Auftraggeber zuzurechnen sei und kürzte dessen Schadensersatzanspruch auf 1/3 der Gesamtsumme.

Im Berufungsverfahren stellte sich das OLG auf die Seite des Bauherrn. Es verweist dabei unter anderem auf ältere Entscheidungen, nach denen der Architekt grundsätzlich im Rahmen der konstruktiven Gebäudeplanung auch die Anforderungen an den Brandschutz berücksichtigen muss. Inwieweit seine Leistungspflichten in diesem Zusammenhang im Einzelnen reichen, ist dabei von dem jeweiligen Objekt und der Frage abhängig, ob die von dem Architekten zu erwartenden Kenntnissen im Einzelfall eine Bearbeitung ermöglichen. Das gelte auch dann, wenn die Einschaltung eines Sonderfachmanns für den Brandschutz durch den Auftraggeber erfolgte – dies entbindet den Architekten oder Ingenieur, der die Gebäudeplanung zu verantworten hat, nicht von der Pflicht, dessen bautechnische Vorgaben zu überprüfen. In dem Fall, den das Urteil des OLG zum Gegenstand hatte, waren die im Brandschutzkonzept vorgegeben Rettungswegedimensionen unrichtig berechnet und entsprachen nicht den gesetzlichen Vorgaben der Landesbauordnung. Ungeachtet der Feststellung, dass das Erstellen des Nachweises für den vorbeugenden Brandschutz zum Auftragsumfang des Hauptplaners gehört, wäre es diesem unter Heranziehung der Regelungen der Landesbauordnung unschwer möglich gewesen, den Mangel zu erkennen und die relevanten brandschutzrechtlichen Fragen zu beantworten. Über die Kenntnisse eines Architekten/Ingenieurs hinausgehendes besonderes Spezialwissen sei dazu nicht erforderlich, da die Unvollständigkeit des Brandschutzkonzepts hier offenkundig war. Im Ergebnis konnte sich der Architekt nicht auf ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Bauherrn aufgrund einer Zurechnung des Verschuldens des Fachplaners für Brandschutz berufen, wie es das Landgericht zuvor in Teilen bejaht hatte.

Dass der Tenor des Urteils eine volle Haftung des Architekten zum Inhalt hat, scheint auf den ersten Blick eine harte, wenn auch rechtlich umfangreich begründete und fundierte Entscheidung zu sein. Für den Architekten ist der Rechtsstreit an dieser Stelle in der Regel aber noch nicht vorbei – er kann den verantwortlichen Fachplaner auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 BGB in Anspruch nehmen. Da in dem skizzierten Fall der Brandschutzfachplaner wohl den größeren Anteil an der Pflichtverletzung hatte, wird er dem Architekten auch den größten Teil des Schadens zu erstatten haben. Um Rechtsverluste, insbesondere den Eintritt der Verjährung zu vermeiden, sollte im Falle der gerichtlichen Inanspruchnahme des Hauptplaners dieser eine Streitverkündung gegenüber dem Fachplaner aussprechen, um die Regressmöglichkeit zu erhalten.

Rechtsanwalt Jörg Borufka                           Rechtsreferendarin Laura Brown
Rechtsanwaltssozietät WIGU Schwerin

 

Kammerreport September 2021: Unwirksamkeit des Planervertrages wegen verzögerter Rechnungsstellung!

Mit Entscheidung vom 27.11.2020, Az. 22 O 73/20 hat das OLG Düsseldorf den eingeklagten Honoraranspruch für Leistungen zur Objekt- und Tragwerksplanung abgewiesen, da der zugrundeliegende Vertrag zwischen den Parteien wegen verzögerter Rechnungsstellung gemäß § 134 BGB i.V.m. § 1 SchwarzarbeitsG nichtig war.

Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzarbeitsG liegt Schwarzarbeit bereits dann vor, wenn Werk-leistungen erbracht werden und dabei der Steuerpflichtige seine aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen gegebenen steuerlichen Pflichten nicht erfüllt.

Hierzu ist wissenswert, dass der Unternehmer, in diesem Fall der beauftragte Planer, der eine steuerpflichtige Werklieferung oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück ausführt, verpflichtet ist, innerhalb von 6 Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen (siehe § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UstG).

Nach dieser Bestimmung sind die planerischen Leistungen für den hier betroffenen Umbau und Neubau von der Rechnungserteilungspflicht erfasst. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist es, „Ohne- Rechnung- Geschäfte“ einzudämmen.

In dem konkreten Fall war die Baugenehmigung bereits am 12.05.2016 erteilt und die Ausführungsplanung im Juni 2016 fertiggestellt worden. Spätestens ab dem 09.09.2016 war klar, dass der Planer keine weiteren Leistungen erbringen sollte. Gleichwohl sind seine Rechnungen erst am 06./07.06.2017 erstellt worden, also außerhalb des 6Monatszeitraums.

Die Besonderheit des Falls lag hier allerdings darin, dass die streitenden Parteien über zahlreiche andere Bauvorhaben in jahrelangen Geschäftsbeziehungen miteinander verbunden waren und hier in dem Rechtsstreit zunächst Verrechnungsabreden über wechselseitige Leistungen ohne entsprechende Rechnungsstellung vorgetragen worden sind, von den die Klägerseite dann später ohne plausible Erklärung wieder abrücken wollte.

Insoweit war das Misstrauen des Gerichts hier ohnehin geweckt, und es bestanden Anzeichen, dass hier möglicherweise von Anfang an nur Teilbeträge für die erbrachten Leistungen abgerechnet werden sollten.

Gleichwohl ist dieser umsatzsteuerrechtlichen Vorschrift im täglichen Geschäftsverkehr unbedingt Beachtung zu schenken.

Davon zu trennen sind Verabredungen der Parteien, Honoraransprüche aus bereits gestellten Rechnungen zu stunden. Letzteres ist zulässig.

Problematisch ist dagegen die verzögerte Rechnungserstellung bei grundstücksbezogenen Leistungen, die bereits abgeschlossen sind. Dies kann, wie dieser Fall anschaulich zeigt, zur Nichtigkeit des Vertrages führen, mit der Folge, dass dem Planer keine Honoraransprüche und dem Auftraggeber umgekehrt auch keine Gewährleistungsansprüche mehr zustehen.
Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche sind dann wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot ausgeschlossen (s. § 817 BGB).

Rechtsanwalt
Björn Schugardt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport Juli / August 2021: Planer muss Kosten der Bauverzögerung durch fehlerhafte Planung ersetzen

Das Idealbild, dass die Leistungsphasen der HOAI in chronologischer Reihenfolge und ordentlich hintereinander abgearbeitet werden, entspricht bekanntlich nicht der Realität. Baubegleitende Planung unter hohem Zeitdruck der Bauausführung sind an der Tagesordnung. Es liegt in der Natur der Sache, dass auch während der Bauausführung Fragen auftreten, die einer planerischen Durchdringung in Form von Detailplanungen bedürfen. Übernimmt der Planer jedoch die Pflicht zur baubegleitenden Planung und kommt es aufgrund von Planungsverzögerungen oder fehlerhafter Planungen zur Verzögerung der Bauausführung, kann der Planer schnell in eine Haftungsfalle geraten, die zu erheblichen Schadenersatzansprüchen führen kann.

Voraussetzung für die Geltendmachung von Verzugsschadenersatzansprüchen ist grundsätzlich, dass der Planer durch den Bauherren nach Fälligkeit der Planungsleistungen in Verzug gesetzt wird. Nur selten, z.B. bei datumsmäßiger Bestimmung von Fixterminen zur Abgabe der Planung im Architekten- und Ingenieurvertrag, tritt bei Ablauf der Fixtermine automatisch Verzug ein. Anders ist es hingegen, wenn die Verzögerung durch eine zwar fristgemäß vorgelegte, jedoch fehlerhafte Planung bewirkt wird, da Verzögerungsschäden dann als Folgeschäden der mangelhaften Planung auch ohne Verzug ersatzfähig sind.

Gerät also der Planer entweder mit seiner Planungsleistung in Verzug oder legt er fehlerhafte Ausführungsplanungen vor und verursacht er dadurch die Verzögerung des Gesamtbauvorhabens, ist er dem Grunde nach für den Verzögerungsschaden eintrittspflichtig. Dieser umfasst nicht nur den typischerweise eintretenden Gewinnausfall durch verspätete Vermietung und Inbenutzungnahme oder in Form vertraglicher Sanktionen, die sich der Auftraggeber des Planers seinerseits durch seinen Auftraggeber ausgesetzt sieht. Insbesondere sind nämlich auch die Mehrkosten zu erstatten, die von bauausführenden Unternehmen aufgrund der Baubehinderung geltend gemacht werden. Eine fehlende, unvollständige oder fehlerhafte und nicht umsetzbare Planung führt zumeist sowohl zu Bedenkenanmeldungen als auch insbesondere zu Behinderungsanzeigen des bauausführenden Unternehmens, das hierdurch nicht nur die vertraglich vereinbarten Fertigstellungsfristen suspendieren kann, sondern auch Mehrkostenansprüche hat, die sich aus der Behinderung ergeben können. Dies kann Stillstandszeiten, mehrfache Einrichtung der Baustelle oder auch – bei längeren Baustillstandszeiten – Erhöhung von Material- oder Lohnkosten umfassen. Auf diese Weise kann schnell ein erheblicher Schaden entstehen, dem sich der Planer ausgesetzt sieht. In einer Entscheidung des OLG München, Urteil v. 13.04.2021, 9 U 2715/20 Bau, wurden die Anforderungen an die Darlegung des Verzögerungsschadens für den Bauherren noch erleichtert. Dort hatte der Bauherr zur Vermeidung größerer Schäden durch Androhung der Baueinstellung eine nicht vollständig schlüssige Mehrkostenforderung des bauausführenden Unternehmens akzeptiert, damit die Weiterführung des Bauvorhabens gewährleistet bleibt. Bislang galt eine solche vergleichsweise Erledigung als riskant, da die Weiterberechnung als Schaden an den Schadensverursacher schwierig erschien. Das OLG München hat sich jedoch auf die Seite des Bauherrn gestellt und entschieden, dass die Zahlung auf ein unschlüssig dargelegtes Mehrkostenverlangen jedenfalls dann vom Schädiger akzeptiert werden muss, wenn die Forderung zumindest dem Grunde nach besteht und die Zahlungshöhe jedenfalls einer allgemeinen Plausibilitätskontrolle standhält.

Die Entscheidung ist durchaus realitätsbezogen und sachgerecht, da eine Verständigung zwischen den am Bau Beteiligten möglich bleiben muss, auch wenn Regressansprüche gegen Dritte bestehen könnten. Die Entscheidung eröffnet dem Bauherrn auch nicht einen ausufernden Spielraum zur Anerkennung jedweder geltend gemachter Kosten, erleichtert jedoch seine Situation gegenüber demjenigen, der die Verzögerung maßgeblich verursacht hat. Sollte dies der Planer gewesen sein, erwachsen hieraus erhöhte Risiken für die Haftung infolge verzögerter oder fehlerhafter Planung.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport Juni 2021: Objektüberwacher - Überwacher der Sonderfachleute?

In dem vom OLG Hamm mit Beschluss vom 16.03.2021, Az. 24 U 101/20 entschiedenen Fall kam es zu erheblichen Ausführungsfehlern bei der Verlegung einer als Erdkanal herzustellende Be- und Entlüftungsanlage.

Der vom Bauherrnwegen wegen Bauüberwachungsfehler in Anspruch genommene Objektüberwacher wendet ein, dass der Bauherr für die Planung und Überwachung der Herstellung der Lüftungsanlage einen TGA-Sonderfachmann gesondert beauftragt hätte. Darüber hinaus war im Vertrag mit dem Objektüberwacher ausdrücklich festgehalten, dass die technischen Parameter der hier streitgegenständlichen Lüftungsanlage der Eigenverantwortlichkeit des TGA-Fachingenieurs unterliegen sollten. Dem Objektüberwacher sollte laut Vertrag demgegenüber die Koordinierungspflicht aller am Bau beteiligten Fachingenieure obliegen. Der in Anspruch genommene Objektüberwacher meinte daher, dass er dem Bauherrn keine Überwachung der TGA-Gewerke schuldete.

Anders sieht dies das OLG Hamm. Im Vertrag habe der Objektüberwacher ausdrücklich die Koordinierungspflicht der Fachingenieure übernommen. Dem entspreche auch das Leistungsbild zur Leistungsphase 8, wonach das Koordinieren der an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten, als auch die Organisation der Abnahme der Bauleistungen unter Mitwirkung anderer an der Planung und Objektüberwachung fachlich Beteiligter zum Leistungsumfang des Objektüberwachers gehöre. Die allgemeine Koordinierungspflicht des umfassend mit der Bauüberwachung beauftragten Objektüberwachers erfasse alle von der Bauausführung betroffenen Leistungsbereiche, auch diejenigen, für die besondere Fachbauleiter eingesetzt sind. Unter der Koordinierungstätigkeit ist eine ordnende, den planungs- und termingerechten Ablauf aller Leistungsbereiche überwachende Tätigkeit zu verstehen. Mag dem Objektüberwacher für das Fachgebiet des Sonderfachmanns zwar die spezielle Sachkunde fehlen, so habe er gleichwohl die Überprüfung der Bauarbeiten entsprechend dem Baufortschritt zu koordinieren und dies ggf. auch durch die Fachingenieure zu veranlassen. Im konkreten Fall hätte also der Objektplaner dafür sorgen müssen, dass der TGA-Überwacher als Sonderfachmann den ausführenden Betrieb bei der Erstellung der Be- und Entlüftungsrohre überwacht und in technischer Hinsicht überprüft.

Fazit:
Der Objektüberwacher hat daher nicht nur dafür Sorge zu tragen, dass grundsätzlich eine Überwachung durch die Fachingenieure stattfinden kann, sondern auch im konkreten Fall stattfindet, so dass er für Ausführungsfehler, die bei ordnungsgemäßer Fachüberwachung hätten vermieden werden können, nicht selbst haftet.

Über die Tatsache der Ausführung der Überwachung durch den Sonderfachmann muss er sich selbst vergewissern. Dies kann entweder durch persönliche vor Ort Kontrolle oder aber durch rechtzeitige Überlassung der entsprechenden Überwachungsdokumentation durch den Fachplaner, sofern dieser als zuverlässig gilt, erfolgen. Da es sich bei der eingangs erwähnten Entscheidung des OLG Hamm um einen PKH Bewilligungsbeschluss für die Berufungsinstanz handelt, war die Frage der Überwachungsbedürftigkeit der konkreten Lüftungsarbeiten durch weitere Beweiserhebung im Zuge weiterer sachverständiger Feststellungen noch zu klären. Insoweit blieb offen, ob die Notwendigkeit der Überwachung durch den Sonderfachmann, also die Überwachungsbedürftigkeit der konkreten Arbeiten auch für den Objektüberwacher erkennbar war. Hier wird es sicher ähnlich wie bei der Plausibilitätsprüfung der Fachplanungen auf den Kenntnis- und Verständnishorizont des Objektüberwachers ankommen. Nur wenn für diesen erkennbar war, dass es sich um überwachungsbedürftige Arbeiten für den Sonderfachmann handelte, wäre er auch verpflichtet gewesen, für die tatsächliche Bauüberwachung durch den Sonderfachmann Sorge zu tragen.

Für den TGA-Überwacher bedeutet diese Entscheidung keine unmittelbare Entlastung. Er kann sich gegenüber dem Bauherrn nicht darauf berufen, der Objektplaner hätte ihn unzureichend überwacht. Der Bauherr schuldet dem Fachbauleiter keine Überwachung. Der Objektüberwacher ist mithin nicht sein Erfüllungsgehilfe, so dass der Bauherr sich dessen Verschulden nicht zurechnen lassen muss. Zumindest in Höhe einer Quote könnte der vom Bauherrn in Anspruch genommene Fachüberwacher aber versuchen, im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs beim Objektüberwacher Regress zu nehmen.

Rechtsanwalt
Björn Schugardt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Kammerreport Mai 2021: Keine Vereinbarung zum Schallschutz? Im Zweifel selbst hinhören!

Fehlt es in einem Bauträgervertrag an einer Vorgabe bezüglich der Errichtung eines einzelnen Bestand- bzw. Bauteils des Hauses, so muss der Unternehmer das Teil so errichten, wie es der Bauherr vernünftiger- und berechtigterweise erwarten darf, also so, wie es die anerkannten Regeln der Technik eben vorsehen. Dies gilt wegen § 13 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B selbst dann, wenn es im Bauträgervertrag an einer entsprechenden generalklauselartigen Regelung fehlt. Die „anerkannten Regeln der Technik“ werden dabei insbesondere durch überbetriebliche Regelwerke wie DIN-Normen und VDI-Richtlinien konkretisiert, sodass sie dem Unternehmer insoweit einen konkreten Anhaltspunkt für die Ausführung der Arbeiten bieten. Er darf somit in aller Regel darauf vertrauen, dass ein nach den genannten Regelwerken errichteter Teil eines Bauwerks mangelfrei ist, wenn es für seine Errichtung an einer individuellen vertraglichen Regelung, beispielsweise in Gestalt eines vom Bauherrn gewünschten Materials, Aussehens oder einer sonstigen Eigenschaft, fehlt.

Problematisch ist dies jedoch gemeinhin im Bereich des Schallschutzes. Wie das OLG Saarbrücken mit Urteil vom 30.07.2020 (Az. 4 U 11/14) erneut bekräftigt hat, normiert DIN 4109 für diesen Bereich lediglich einen absoluten Mindeststandard zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen für die Bewohner des Hauses, sodass diese Norm nicht zur Bestimmung des geschuldeten Schallschutzniveaus herangezogen werden kann. Allein die Tatsache, dass das Haus diesen Standard erfüllt, führt somit keinesfalls zu dessen Mangelfreiheit, es sei denn, ein Schallschutz allein nach dieser Maßgabe ist ausdrücklich vom Besteller gewünscht.

Maßgeblich ist allein, wie das OLG weiter ausführt, dass das vom Besteller angestrebte Schallschutzniveau erreicht wird, welches sich im Regelfall an der durch die Umgebung hervorgerufene Lärmbelastung orientieren wird. Das angestrebte bzw. anzustrebende Schallschutzniveau wird dabei in aller Regel im Rahmen der Vertragsverhandlungen vom Besteller zum Ausdruck gebracht werden, beispielsweise wenn dieser auf eine besondere Lärmempfindlichkeit oder den Lärm der Umgebung ausdrücklich hinweist. Auch die Art des Bauvorhabens kann insoweit einen Anhaltspunkt bieten, da beispielsweise ein Einfamilienhaus im Regelfall einen höheren Schallschutz erfordern wird. Neben den geäußerten Wünschen des Bauherrn können sich indes zusätzliche Anhaltspunkte aus den Regelwerken der Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie 4100 und aus Beiblatt II zu DIN 4109 ergeben, an denen sich der Unternehmer ebenfalls orientieren kann.

Es empfiehlt sich demnach aus praktischer Sicht für den Planer, sich während der Planung zumindest die nähere Umgebung einmal grob anzuschauen und bei Unklarheiten beim Besteller nachzufragen, wie er das Lärmniveau nach seinem Empfinden beurteilt, insbesondere ob ihm besondere Lärmquellen bekannt sind. Auch die bauherrenseitigen Schallschutzanforderungen innerhalb der Nutzungseinheit können den notwendigen Schallschutz bestimmen.

Im vom OLG zu entscheidenden Fall grenzt das Grundstück auf der einen Seite an eine Ortsdurchgangsstraße, auf der andern Seite an eine viel befahrene Landstraße, sodass es einer besonderen Lärmbelastung ausgesetzt ist, wobei sich erst nach der Abnahme herausstellte, dass die Außenwände des Hauses wegen der durch den Verkehr hervorgerufenen Lärmbelastung einen deutlich zu geringen Schallschutz aufweisen.

Soll seitens des Unternehmers von den üblichen und der Umgebung angepassten Qualitäts- und Komfortstandards abgewichen werden, so muss er den Besteller hierüber informieren und ihm die Konsequenzen einer abweichenden Bauweise nachvollziehbar darlegen. Der bloße Hinweis darauf, dass der Unternehmer einen Schallschutz nach Maßgabe der DIN-Normen errichten werde oder die schlichte Frage danach, ob der Besteller einen besonderen Schallschutz wünsche, genügen nicht, wenn das Vorhaben in dieser Form den geäußerten Wünschen und/oder berechtigten Erwartungen des Bestellers nicht entsprechen wird, weil der Schallschutz in dieser Form unzureichend wäre.

Wird das Bauvorhaben ohne hinreichenden Schallschutz ausgeführt, so begründet dies einen Sachmangel des Hauses im Sinne von § 633 BGB bzw. § 13 VOB/B, sodass dem Bauherrn Nacherfüllungs- und Schadensersatzansprüche gegen den Planer und/oder den ausführenden Werkunternehmer zustehen können, wobei der Besteller den Mangel auch selbst beseitigen und hierfür vom Unternehmer gemäß § 637 Abs. 3 BGB Vorschuss und vom Planer Schadensersatz verlangen kann. Zu beachten ist dabei, dass die Nacherfüllung auch bei Vereinbarung eines Pauschalpreises in jedem Fall unentgeltlich erfolgen muss und dies erhebliche Mehrkosten für den Unternehmer mit sich bringen kann, beispielsweise wenn sämtliche Fenster eines Hauses ausgetauscht werden müssen. Der Einwand, es handele sich um „Sowieso-Kosten“ ist in diesem Fall unbrauchbar. Das OLG Saarbrücken hat insoweit auch klargestellt, dass diese Mehrkosten nicht von dem durch den Unternehmer zu zahlenden Vorschussbetrag in Abzug gebracht werden können.

Rechtsanwalt Jörg Borufka                                      Rechtsreferendar Sven Küchler
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

 

Kammerreport April 2021: Sicherungshypothek für Planungsleistungen ohne Wertsteigerung am Baugrundstück?

Durch Verweis in § 650q Abs. 1 BGB in dem mit Wirkung zum 01.01.2018 neu eingeführten Untertitel über die Architekten- und Ingenieurverträge hat der Gesetzgeber geregelt, dass gem. § 650 e BGB auch für Planungsleistungen eine Sicherungshypothek am Baugrundstück des Bestellers verlangt werden kann.

Bis zur Einführung des neuen Bauvertragsrechts wurde in der überwiegenden Literatur und Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass der Planer eine Sicherungshypothek zu Lasten des Baugrundstücks nur dann beanspruchen könne, wenn sich die planerischen Leistungen im Sinne einer Wertsteigerung durch die begonnenen Bauhandwerkerleistungen bereits im Baugrundstück verkörpert haben.

Dem erteilt das Kammergericht mit Beschluss vom 05.01.2021, Az. 27 W 1054/20 jetzt eine Absage.

Gemäß § 650 e Satz 1 BGB wäre einzige Voraussetzung für den Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek, dass der Planer sie für seine Forderung aus dem Vertrag begehrt. Der Sicherungsanspruch als Annexanspruch zum Honoraranspruch knüpfe lediglich an die geleistete Arbeit und damit an den für die zu sichernde Forderung erbrachten Gegenwert an. Dagegen wäre eine bereits eingetretene Wertsteigerung am Baugrundstück nicht erforderlich.
Der Wortlaut des § 650 e S. 1 BGB enthielte kein solches Tatbestandserfordernis.
Dies habe der Gesetzgeber, so das Kammergericht, in Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung so formuliert. Hieraus leitet das Kammergericht ab, dass der Gesetzgeber ein solches Erfordernis für nicht zwingend hält.

Auch der BGH hatte in einer früheren Entscheidung, allerdings zur Besicherung einer Bauhandwerkerleistung klargestellt, dass es hierbei um den Gegenwert für die ordnungsgemäß erbrachte Leistung und nicht um den messbaren Mehrwert bezüglich des Baugrundstückes ginge (s. a. BGH- Urteil vom 30.03.2000, Az. VII ZR 299/96).

Die Gegenmeinung fordert weiterhin die Erfüllung der Planverwirklichung im Zuge der Bauerrichtung quasi als ungeschriebenes Tatbestandmerkmal.  Hierzu lässt es die Gegenmeinung aber ausreichen, dass mit dem Bau begonnen wurde. Dies erscheint inkonsequent. Würde man dieser Auffassung folgen, entstünde der Besicherungsanspruch für die umgesetzte Planung nur sukzessive, also immer nur soweit, wie die Planung durch Bauleistungen auf dem Grundstück verwirklicht wurde.

Leider wird die gegenteilige Meinung auch zu einem Planervertrag nach neuem Bauvertragsrecht, noch von einem Teil der Rechtsprechung vertreten wie bspw. vom OLG Celle mit Urteil vom 06.02.2020, Az. 14 O 160/19. Auch die Gegenmeinung beruft sich auf den Gesetzgeber, der in Kenntnis dieser früheren Rechtsprechung gerade keine abweichende Klarstellung in das Gesetz eingefügt habe.

Insoweit wäre eine baldige klärende höchstrichterliche Entscheidung durch den BGH im Sinne der Rechtssicherheit wünschenswert.

Fazit:
Die Auffassung des Kammergerichts ist vorzugswürdig.
Nicht bezahlte Bauwerks-Planer sollten daher nicht die Bauerrichtung abwarten, sondern so früh wie möglich ihren Besicherungsanspruch durch eine Vormerkung im Wege einer einstweiligen Verfügung im Grundbuch zu Lasten des Baugrundstücks rangsichernd eintragen lassen, bevor es später auftretende, ebenfalls nicht bezahlte ausführende Gewerke tun.

Rechtsanwalt Björn Schugardt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte

Kammerreport März 2021: Unwissenheit schützt selten - Umfang der Prüfungs- und Anzeigepflicht von Bauunternehmern

Erfüllt ein Bauunternehmer die ihm obliegende Primärleistungspflicht in Gestalt der Pflicht zur mangelfreien Herstellung des geschuldeten (Bau-)Werks nicht, so obliegt ihm gem. § 635 BGB nach seiner Wahl die Nachbesserung oder Neuherstellung des Werkes. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, so kann der Besteller wiederum nach seiner Wahl die Vergütung mindern, vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz geltend machen.
Allerdings haftet ein Bauunternehmer nach Maßgabe der §§ 634 ff. BGB grundsätzlich nur dann für Baumängel, wenn ihm die Mangelhaftigkeit des Werkes auch zuzurechnen ist, diese also aus seiner Sphäre stammt. Dieser Grundsatz wird indes durch die nach ständiger Rechtsprechung bestehenden Prüf- und Anzeigepflichten von Bauunternehmern modifiziert:

Da ohne ein „Mitdenken“ des Bauunternehmers in vielen Fällen der Vertragszweck, also die mangelfreie Herstellung des Bauwerkes, gefährdet wäre, folgt aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Pflicht, insb. Leistungsbeschreibung, sonstige Anweisungen des Bauherrn, Baumaterialien und Vorleistungen anderer Baubeteiligter auf ihre Eignung für eine mangelfreie Herstellung des Werkes zu prüfen und auf etwaige Bedenken hinzuweisen, gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B sogar schriftlich. Verletzt der Bauunternehmer diese Pflicht, kann er sich gegenüber dem Besteller schadensersatzpflichtig machen und haftet für daraus resultierende Mängel. Die Beweislast für die Tatsache, dass er seinen Prüf- und Anzeigepflichten nachgekommen ist, trägt er selbst.

Der Umfang dieser Prüf- und Anzeigepflicht hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Zur Konkretisierung des Umfangs hat nunmehr das OLG Rostock mit Urteil vom 15.09.2020 (Az. 4 U 16/20) zum einen klargestellt, dass sich Bauunternehmer notfalls die erforderliche Sachkunde verschaffen müssen, um das geschuldete Werk mangelfrei herstellen zu können. Maßstab der Sorgfaltsanforderungen sind somit nicht allein die auf Seiten des Unternehmers vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten. Es ist vielmehr ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen, also der Wissensstand eines Fachmanns des jeweiligen Berufsstandes. Maßgeblich sind dabei indes nur die Umstände, die für den Unternehmer bei sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennbar waren. Nicht maßgeblich ist hingegen für den Umfang der Sorgfaltspflicht, inwieweit der Besteller über eigene Sachkunde verfügt, da eigene Sachkunde die Gefahr von Fehleinschätzungen seitens des Bestellers nicht ausschließt. Auch die Sachkunde von beauftragten Ingenieuren spielt für das „ob“ der Hinweispflicht keine Rolle.

Um seiner Hinweispflicht zu genügen, muss der Werkunternehmer dem Besteller unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, die nachteiligen Folgen, z.B. der Befolgung seiner Anweisungen oder der Verwendung der gewünschten Baumaterialien, konkret darlegen und ihn in die Lage versetzen, die Tragweite der Konsequenzen erkennen zu können. Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 10.01.2020 (Az. 6 O 380/11) sogar bekräftigt, dass sich der Werkunternehmer notfalls weigern muss, für ihn erkennbar fehlerhafte Anweisungen des Bauherrn umzusetzen.

Die Hinweispflicht kann nur dann ausnahmsweise entfallen, wenn sicher feststeht, dass dem Besteller die mitzuteilenden Bedenken ohnehin bekannt sind oder dass der Besteller auch bei einem Hinweis auf seinen Anweisungen beharren würde.

Zum anderen hat das OLG Rostock im genannten Urteil auch klargestellt, dass ein Mitverschulden des Bestellers seinerseits an der Schadensentstehung wegen unzureichender Erkundigung über die Folgen eines unveränderten Weiterbaus bereits dann ausscheidet, wenn der Bauunternehmer trotz bestehender Hinweispflicht dieser nicht in gebotenem Umfang nachgekommen ist. Es sei nicht Aufgabe des Bestellers, sich aufgrund nur unzureichender Hinweise des von ihm beauftragten Bauunternehmers anderweitig zu informieren, um die Risiken der unveränderten Durchführung der Arbeiten abschätzen zu können. Die Hinweispflicht sei ausschließlich der Sphäre des Bauunternehmers zuzuordnen. Der Aufwand eines umfassenden und für den Besteller brauchbaren Hinweises sei dabei bereits durch den Werklohn abgedeckt.

Etwas anderes gilt nur, wenn z.B. die Anweisungen des Bestellers derart offensichtlich und für jedermann erkennbar fehlerhaft sind, sodass es nahezu ausgeschlossen ist, dass das Werk seine vertragliche Funktion erfüllen wird, sofern es nach den unveränderten vertraglichen Vorgaben errichtet wird. Verschließt der Besteller vor derartigen Defiziten seiner Anweisungen leichtfertig die Augen, so ist sein Vertrauen in die Sachkunde des Bauunternehmers nicht schutzwürdig. Ähnliches dürfte für den Fall gelten, dass der Besteller durch andere fachkundige Personen wie Ingenieure oder Architekten beraten und von diesen auf Fehler hingewiesen wird. Zwar führt dies nicht dazu, dass der Bauunternehmer von der Pflicht zur Erteilung entsprechender Hinweise befreit wird (s.o.), allerdings kann den Besteller dann ein Mitverschuldensvorwurf nach § 254 BGB treffen, sodass er vom Bauunternehmer nicht den vollen Schadensersatz beanspruchen kann. Die Hinweispflicht des Planers steht also neben der Pflicht des Bauunternehmers und deren Verletzung durch beide kann zu einer gemeinschaftlichen Haftung gegenüber dem Bauherren führen.

Jörg Borufka                                      Sven Küchler
Rechtsanwalt                                     Rechtsreferendar
Rechtsanwaltssozietät Ibendorf, Borufka, Heiling & Much, Schwerin

Kammerreport Januar / Februar 2021: Löschung trotz rückwirkender Versicherung!

Dass Kammermitglieder sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen der Berufsausübung zu versichern haben, stellt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 ArchIngG M-V nicht nur eine gesetzlich geregelte Berufspflicht dar, sondern ist im Falle des Wegfalls einer ausreichenden Haftpflichtversicherung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 30 ArchIngG M-V auch ein zwingender Löschungsgrund.

Mit Beschluss vom 20.10.2020 hat das OVG Thüringen die Zulassung der Berufung eines Architekten, der aufgrund einer vergleichbaren rechtlichen Regelung im Thüringischen ArchIngKG aus der Architektenliste wegen fehlenden Nachweises einer gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung gelöscht wurde, abgelehnt. Bereits in der I. Instanz war der klagende Architekt mit seiner Klage gegen den Löschungsbescheid gescheitert. Hierbei von Interesse ist, dass der Architekt im Rahmen des Klagverfahrens eine rückwirkende Versicherung abgeschlossen und den entsprechenden Nachweis vorgelegt hatte. Dies war nach Auffassung der Vorinstanz und des OVG Thüringen aber unbeachtlich. Maßgeblich für die Entscheidung über die Löschung war die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also hier der Zeitpunkt der Entscheidung des für die Löschung zuständigen Eintragungsausschusses. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bestand eine Berufshaftpflichtversicherung nicht.

Dies entspricht den höchstrichterlichen Rechtsprechungen des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend Beschluss vom 30.09.2005, Az. 6 B 51.05), wonach es im Falle eines Widerrufs einer Berufs- oder Betriebserlaubnis immer auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Es handelt sich in solchen Fällen um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt. Eine Verletzung des klagenden Architekten in seinem grundrechtlich geschütztes Recht auf freie Berufsausführung gemäß Artikel 12 Absatz 1 GG steht dem nicht entgegen, da dem gelöschten Architekten die Möglichkeit einer Wiedereintragung in die Architektenliste bei Erfüllung der aktuellen Eintragungsvoraussetzung grundsätzlich eröffnet ist.

Fazit:
Die Einhaltung der Versicherungspflicht für eingetragene Berufsträger wird vom Gesetzgeber und von den Gerichten streng gehandhabt.

Rechtsanwalt
Björn Schugardt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Recht aktuell - 2020

Kammerreport Dezember 2020: Anforderungen an die Rüge der fehlenden Prüfbarkeit der Schlussrechnung

Die Abrechnung einer Leistung auf der Grundlage eines Bauvertrages ist vom Auftragnehmer in prüffähiger Form vorzunehmen. Dies galt bereits seit Langem im Rahmen der VOB-Verträge, da gemäß § 14 Abs. 1 VOB/B eine prüfbare Abrechnung vorzunehmen ist und gemäß § 14 Abs. 4 VOB/B der Auftraggeber nach angemessener Fristsetzung und Nichtabhilfe die Schlussrechnung sogar selbst auf Kosten des Auftragnehmers aufstellen kann. Die Erteilung einer prüfbaren Schlussrechnung ist jedoch nunmehr auch für alle ab dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge gemäß § 650g Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlussvergütung. Dabei ist streng zwischen Prüfbarkeit und Richtigkeit der Rechnung zu unterscheiden. Die Prüfbarkeit ist Voraussetzung, die Richtigkeit der Rechnung überhaupt erkennen zu können. So kann eine prüfbare Rechnung falsch sein wie auch eine nicht prüfbare Rechnung richtig sein kann.

Die Schlussrechnung ist prüffähig, wenn sie eine übersichtliche Aufstellung der erbrachten Leistungen enthält und für den Besteller nachvollziehbar ist. Hierzu gehört beim Einheitspreisvertrag grundsätzlich, dass die Abrechnung in der Systematik des Leistungsverzeichnisses zu erfolgen hat. Die zum Nachweis von Art und Umfang der Leistung erforderlichen Mengenberechnungen, Zeichnungen und andere Belege sind beizufügen. Hierzu können Aufmaße, Wiegescheine, Lieferscheine, Stundenzettel oder dergleichen gehören. Die objektiven Anforderungen an die Prüfbarkeit der Schlussrechnung sind jedoch kein Selbstzweck und am Informationsbedürfnis des Auftraggebers zu messen (BGH, IBR 2002, 68; OLG Düsseldorf, IBR 2019, 481).

Soweit der Auftraggeber meint, die ihm übermittelte Schlussrechnung sei nicht prüfbar, hat er dies möglichst schnell, spätestens jedoch innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung gegenüber dem Auftragnehmer mitzuteilen. Wird die Rüge nicht fristgemäß erhoben, gilt die Schlussrechnung als prüffähig, was keineswegs bedeutet, dass der Auftraggeber mit Einwendungen gegen die Richtigkeit einzelner Rechnungsansätze ausgeschlossen ist.

Allerdings reicht eine pauschale Rüge fehlender Prüfbarkeit nicht aus. Der Auftraggeber muss vielmehr substantiiert vortragen, inwieweit ihm Informationen aus der Rechnung fehlen, etwa weil Aufmaße, Wiegescheine oder dergleichen nicht vorgelegt wurden. Gemäß § 650g Abs. 4 Satz 3 BGB sind „begründete Einwendungen gegen die Prüffähigkeit“ zu erheben. Der Auftraggeber muss also im Einzelnen darlegen, in welcher Position und aus welchem Grund er die Rechnung für nicht prüffähig hält. Dies kann dazu führen, dass die Rechnung nur in Teilen nicht prüffähig ist und bezüglich des prüffähigen Vergütungsteils die Fälligkeit eintritt (vgl. BGH NJW-RR 2004, 445, OLG Brandenburg, NJW-RR 2015,1360)

Vorsicht ist geboten, wenn der Auftraggeber die fehlende Prüfbarkeit zwar erkennt und auch rügt, jedoch gleichwohl in die Prüfung der Schlussrechnung einsteigt und diese erfolgreich prüft. Wenn der Auftraggeber dies – ggf. auch durch eigene Ermittlungen – tut und so die ggf. fehlende Prüfbarkeit herstellt, ist er mit dem Einwand der fehlenden Prüffähigkeit möglicher Weise ausgeschlossen. Erkennt der Auftraggeber also, dass die Rechnung nicht prüfbar ist, so hat er sie fristgemäß mit begründeten Einwendungen zurückzuweisen. Geschieht dies nicht oder nur ohne hinreichende Begründung, tritt die Fälligkeit des Werklohnanspruches ein und der Auftraggeber ist mit dem Einwand der fehlenden Prüfbarkeit ausgeschlossen. Gleichwohl kann er Einwendungen gegen die Richtigkeit der Rechnung nach wie vor erheben (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 14.08.2018 – 10 U 154/17, bestätigt durch BGH, Beschluss v. 12.02.2020 – VII ZR 185/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)).

Sollte die vom Auftragnehmer vorgelegte Schlussrechnung also in Teilen oder gänzlich nicht prüfbar sein, ist sie – möglichst ohne inhaltliche Prüfung – zurückzuweisen. Ist sich der Auftraggeber bezüglich der fehlenden Prüffähigkeit nicht sicher, kann gleichwohl die Prüffähigkeitsrüge unter Benennung der Gründe erhoben werden und – lediglich hilfsweise – in die Prüfung der Rechnung eingetreten werden, soweit dies möglich ist. Dies kann z.B. in der Weise erfolgen, dass hilfsweise die Mengenansätze des Auftragnehmers – vorbehaltlich der Nachweisführung – zunächst als richtig unterstellt werden und ausgehend hiervon andere Einwendungen (z.B. Höhe des Einheitspreises) erhoben werden. Eine komplette Durchprüfung der Schlussrechnung ohne diesbezüglichen Vorbehalt schließt jedoch die Rüge der Prüffähigkeit aus und führt die Fälligkeit eines begründeten Werklohnanspruches herbei.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport November 2020: Bundesregierung legt HOAI-Neuentwurf vor

Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 04.07.2019 die Europarechtswidrigkeit der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI festgestellt hat, ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ihre nationalen Regelungen anzupassen.

Mittlerweile liegt ein erster Referentenentwurf der Bunderegierung zur Neufassung der HOAI vor.

Das Honorar soll hiernach zukünftig frei vereinbar und nicht mehr an verbindliche Mindest- und Höchsthonorarsätze gebunden sein. Der HOAI soll nur noch Empfehlungscharakter zukommen. Die Parameter zur Honorarermittlung (anrechenbare Kosten, Honorarzonen etc.) sollen auch zukünftig erhalten bleiben. Die Regelungen der HOAI können, müssen aber nicht zum Zwecke der Honorarberechnung in einer Honorarvereinbarung zugrunde gelegt werden. Die Honorartafeln weisen zukünftig nur Orientierungswerte aus, um deren Empfehlungscharakter zu unterstreichen.

Die Kernregelungen betreffen die Neufassung des § 7 HOAI zur Honorarvereinbarung. Honorarvereinbarungen sollen zukünftig nicht mehr zwingend schriftlich getroffen werden. Die Einhaltung der Textform im Sinne von § 126 b BGB, also beispielweise per E-Mail würde dann genügen. Die Honorarvereinbarung soll auch nicht, wie bisher, zum Zeitpunkt der Auftragserteilung geschlossen werden, um wirksam zu sein, kann also auch erst im späteren Verlauf der Vertragsbeziehung abgeschlossen oder bei Bedarf angepasst werden.

Ist keine Honorarvereinbarung oder eine Honorarvereinbarung ohne Einhaltung der Textform getroffen worden, soll als Auffangregelung der Basishonorarsatz als vereinbart gelten. Der Basishonorarsatz soll zukünftig als der untere Honorarsatz in den Honorartafeln gesetzlich definiert werden, entspräche also dem früheren Mindestsatz.

Ist der Auftraggeber ein Verbraucher, so soll zukünftig eine Hinweispflicht des Auftragnehmers bestehen, den Auftraggeber in Textform darauf hinzuweisen, dass auch ein höheres oder niedrigeres Honorar, als die in den Honorartafeln enthaltenen Werte der HOAI, vereinbart werden kann. Spätester Zeitpunkt der Erfüllung der Hinweispflicht soll nach Vorstellung des Verordnungsgebers die Abgabe des Honorarangebots sein.

Eine Verletzung der Hinweispflicht soll jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Vertragsverhältnisses führen, könnte aber als Nebenpflichtverletzung Schadensersatzforderungen des Auftraggebers zur Folge haben.

Aufgrund der mit der Werksvertragsreform im BGB seit dem 01.01.2018 neu eingeführten Regelungen zum Architekten- und Ingenieurvertrag sollen die Fälligkeitsregelungen zur HOAI im vormaligen § 15 ersatzlos aufgehoben werden.

Kritisiert wird an der Neuregelung, dass weder im Verordnungstext selbst, noch in deren Begründung eine ausreichende Klarstellung erfolgt, wonach die Honorare gemäß HOAI als angemessene Honorare gelten. Nur eine solche Klarstellung würde zur Folge haben, dass öffentliche Vergabestellen ohne weiteres verpflichtet wären, bei der Wertung von Honorarangeboten unter- bzw. oberhalb der HOAI-Honorare wegen des Verdachts unangemessener Preise diese näher aufzuklären, was im Einzelnen auch zum Ausschluss solcher Angebote führen könnte.

Das Fehlen eines klaren Bekenntnisses des Verordnungsgebers zur Angemessenheit der HOAI- Honorare verwundert, da die ansonsten zum Vorbild genommene Steuerberatervergütungsverordnung einen solchen Angemessenheitshinweis enthält.

Wir werden weiter berichten.

Rechtsanwalt
Björn Schugardt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwalte, Schwerin

Kammerreport Oktober 2020: Umlageklauseln in Bauverträgen wirksam?

In vielen Bauverträgen finden sich sogenannte Umlageklauseln, mit denen Kosten der Baustelle, die der Auftraggeber zu tragen hat, pauschaliert auf die einzelnen Gewerke umgelegt werden. Dies betrifft Baustrom und Bauwasser, Mitbenutzung von Wasch- und Toilettenanlagen, die Bauwesenversicherung und die Bauschuttentsorgung. Diese Umlageklauseln stellen regelmäßig allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die meist vom Auftraggeber in das Vertragswerk eingebracht werden. Sie unterliegen daher der AGB-rechtlichen Kontrolle der Gerichte. Diese Klauseln sind häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, weil die Unwirksamkeit der Klauseln gemäß § 307 BGB seitens des Auftragnehmers eingewandt wird, der sich nämlich darauf beruft, dass die Klausel den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt.

Die Rechtsprechung hierzu ist uneinheitlich und differenziert nach der Art der umzulegenden Kosten. Nach einer Entscheidung des BGH vom 10.06.1999 – VII ZR 365/98 – sind jedenfalls Umlageklauseln für Bauwasser, die eine pauschale Abwälzung auf die Auftragnehmer vorsehen, wirksam, weil die Klausel der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht unterliegen soll. Es handelt sich hier vielmehr um einen Teil der Entgeltvereinbarung. Derartige Preisregelungen unterliegen jedoch nicht der Inhaltskontrolle. Diese Rechtsprechung des BGH wurde seither jedoch durch verschiedene Entscheidungen von Oberlandesgerichten in Frage gestellt. So entschied das OLG Hamburg mit Urteil vom 04.12.2013 – 13 U 1/09, dass eine pauschale Umlageklausel für Baustrom und Bauwasser sowie die Mitbenutzung der Wasch- und Toilettenanlage unwirksam sei, denn sie benachteilige wegen der fehlenden Anknüpfung des Abzuges an die tatsächliche Abnahme von Strom und Wasser den Auftragnehmer unangemessen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 29.06.2016 – VII ZR 3/14), so dass davon auszugehen ist, dass der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr unverändert festhält. In einer aktuellen Entscheidung des OLG Brandenburg (OLG Brandenburg, Urteil vom 20.08.2020, 12 U 34/20) war ein pauschaler Abzug für die Beseitigung des Bauschutts Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Auch eine derartige pauschalierte Umlageklausel für Bauschutt wird vom OLG Brandenburg als unzulässig betrachtet. Es liege eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vor. Nach dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sei der Auftraggeber nämlich erst dann berechtigt, einen Mangel selbst zu beseitigen und Ersatz der Kosten zu verlangen, wenn der Auftragnehmer mit der Beseitigung des Mangels in Verzug geraten ist. Die Beseitigung des bei der eigenen Leistung angefallenen Abfalls stellt jedoch eine Leistungspflicht des Auftragnehmers dar. Die Nichterbringung dieser Leistung stellt einen Mangel dar. Mit einem pauschalen Abzug werden Auftragnehmer also unabhängig vom Vorliegen eines Mangels und unabhängig von einer Mängelanzeige mit einem Pauschalabzug „bestraft“. Diese unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers führt zur Unwirksamkeit der Umlageklausel.

Auch wenn der BGH seine grundlegenden Aussagen aus dem Jahr 1999 noch nicht ausdrücklich korrigiert hat, zeigt die Tendenz der Rechtsprechung, dass pauschalierte Umlageklauseln zunehmend kritisch hinterfragt werden und deren Wirksamkeit in Frage steht. Jedenfalls eine von den tatsächlichen Kosten und von dem tatsächlichen Verbrauch abgekoppelte Pauschalierung dürfte in Zukunft zunehmend auf Bedenken der Gerichte stoßen. Bei bereits abgeschlossenen Verträgen mit derartigen Umlageklauseln sollten die Vertragspartner auch nachträglich prüfen, ob die Angemessenheit noch gegeben ist oder eine Anpassung erforderlich ist. Auftragnehmer könnten sich auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen. In zukünftigen Vertragsgestaltungen sollten pauschalierte Umlageklauseln vermieden werden, die vollständig abgekoppelt von den tatsächlichen Kosten und den tatsächlichen Verbräuchen ausgestaltet sind.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Kammerreport September 2020: Neue HOAI kommt!

Mit Urteil vom 04.07.2019 hat der EuGH festgestellt, dass die verbindlichen Mindest- und Höchsthonorarsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vom 10.07.2013 gegen die EU- Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Infolgedessen ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ihre nationalen Vorschriften an die Vorgaben des Urteils anzupassen.

In der bisherigen Fassung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG) war vorgesehen, dass im Rahmen der durch Rechtsverordnung zu erlassenen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure eben jene Mindest- und Höchstsätze festzusetzen sind, die für die von der Honorarordnung erfassten Leistungen gelten sollten.

In einem ersten Schritt zu Umsetzung des EuGH-Urteils hat das Bundeswirtschaftsministerium daher einen Gesetzesentwurf zur Änderung des ArchLG vorgelegt. Diesem hat das Bundeskabinett am 15.07.2020 zugestimmt. Nun muss der Bundestag über diese Gesetzesänderung beschließen.

In einem zweiten Schritt wird dann eine Rechtsverordnung mit der konkreten Neufassung der HOAI durch die Bundesregierung auf der Grundlage des geänderten ArchLG erlassen werden. Die zukünftige HOAI wird sich nicht nur an dem neuen Inhalt, sondern auch an der Gesetzesbegründung zur Änderung des ArchLG orientieren. Insoweit sind die Ausführungen in der Gesetzesbegründung für die Ermächtigungsgrundlage im ArchLG auch für die zukünftige Fassung der HOAI richtungsweisend.

Hiernach bleibt die HOAI auch künftig für die Honorare für Planungsleistungen für Architekten und Ingenieure erhalten, ohne dass verbindliche Mindest- und Höchsthonorarsätze vorgegeben werden.

Die Parameter zur Ermittlung der Honorare für Planungsleistungen wie die anrechenbaren Kosten, Honorarzonen, Honorartafeln etc. dienen künftig als Orientierungshilfe für die Ermittlung einer angemessenen Honorierung. Diese Honorarparameter gelten allerdings nur für die in der neuen HOAI genauer zu definierenden Grundleistungen in Abgrenzung zu den besonderen Leistungen. Letztere sollen weiterhin nicht dem Preisrecht der HOAI unterworfen werden, müssen also durch die Vertragsparteien vereinbart werden.

Das Festhalten an der HOAI wird im Wesentlichen damit begründet, dass der öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren und bei Vertragsvereinbarungen mit Hilfe der HOAI die Transparenz der Honorarkalkulation und eine Vergleichbarkeit verschiedener Angebote sicherstellen will. Gleichwohl soll das Honorar frei verhandelbar sein. Insbesondere Zu- und Abschläge vom zunächst gemäß den HOAI- Parametern errechneten Honoraren soll möglich bleiben.

Darüber hinaus enthält der Entwurf der Ermächtigungsgrundlage auch die Befugnis, in der noch anzupassenden HOAI eine Auffangregelung vorzusehen, wonach bestimmte in den Honorartafeln angegebene Honorarsätze für Grundleistungen für den Fall als vereinbart gelten, dass keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen wurde.

Diese Auffangregelung soll langwierige Streitigkeiten über das Honorar vermeiden helfen.

Ebenso enthält die Ermächtigung Regelungen, wonach die Honorarvereinbarung zu deren Wirksamkeit ein Formerfordernis erfüllen muss und darüber hinaus die neue HOAI Hinweispflichten enthalten kann. Welche Formerfordernisse zwecks Wirksamkeit der Honorarvereinbarung, beispielsweise Schriftform oder Textform, eingehalten werden soll, lässt die Ermächtigungsgrundlage offen. Hinsichtlich der Hinweispflichten soll sich die HOAI an denen der Steuerberatervergütungsverordnung orientieren, insbesondere im Hinblick auf die freie Vereinbarkeit der Honorare.

Auch die neue HOAI wird sich nicht auf Personen beschränken, die im Gesetz bzw. in der Verordnung genannten Berufsbezeichnungen (Architekten und Ingenieure) führen dürfen. Vielmehr bleibt die HOAI auch in Zukunft leistungsbezogen, knüpft also an die konkrete Tätigkeit an.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Kammerreport Juli / August 2020: Verfeinerung der bekanntgemachten Zuschlagskriterien gemäß § 127 GWB durch Unterkriterien der Vergabestelle

Auch im Rahmen EU-weiter Ausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte gilt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird. Die Bewertung hat dabei anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien zu erfolgen. Gemäß § 127 Abs. 5 GWB sind die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufzuführen.

Einige Vergabestellen verfeinern die bekannt gemachten Zuschlagskriterien durch Unterkriterien, in dem eine Untermatrix aufgestellt wird. Hierbei werden die Hauptkriterien in Unterkriterien aufgesplittet, die dann ihrerseits mit einer Gewichtung und Punktwerten in die Bewertung einfließen.

In der Rechtsprechung wird zum Teil kontrovers diskutiert, ob und in welchem Umfang den Bietern die Unterkriterien und deren Wichtung im Rahmen der Wertung bekannt sein müssen. Nachdem Vergabekammern und Gerichte zunächst die Auffassung vertraten, dass eine Bewertungsmatrix allen Bewerbern rechtzeitig vor Ablauf der Bewerbungsfrist offen zu legen ist (vgl. Vergabekammer M-V, Beschluss vom 02.06.2014 – 2 VK 7/14), wurde diese strenge Sichtweise zu Gunsten der Vergabestellen nach einer Entscheidung des EuGH (EuGH, 14.07.2016, NZ Bau 2016, 772) jedoch aufgeweicht. Danach steht der Vergabestelle ein gewisser Spielraum bei der Bewertung zur Verfügung, die es ihm auch erlaubt, die Bewertungsmethode an die Umstände des Einzelfalls anzupassen.

Dies bedeutet gleichsam, dass die Bekanntgabe der Bewertungsmethode von der Vergabestelle nicht verlangt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.03.2017, NZ Bau 2017, 296, 299).

Die Vergabekammer Bund hat dies jedoch in einem wichtigen Punkt in einer aktuellen Entscheidung (vgl. VK Bund, Beschluss vom 10.06.2020, VK 2/-15/20, IBRRS 2020, 1587) eingeschränkt. Danach müssen die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung so gefasst sein, dass die Bieter erkennen können, was der Auftraggeber von Ihnen erwartet. Insbesondere können Einschränkungen des Wertungsprogramms vom Auftraggeber im Nachhinein nicht mehr eingeführt oder geltend gemacht werden, wie die Vergabekammer Bund in der benannten Entscheidung festgestellt hat.

Im dortigen Fall erfolgte die Auslegung eines Wertungskriteriums durch die Vergabestelle abweichend von den bekannt gemachten Erläuterungen und Definitionen. Dies führte dazu, dass Bieter nur dann volle Punktzahlen erhalten konnten, wenn sie Kriterien erfüllten, die ihnen auf Grund der Vergabeunterlagen nicht bekannt sein konnte. Die führt trotz der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit der Wertungsentscheidung der Vergabestelle zu einem Vergabefehler und im dortigen Fall zur Wiederholung der Angebotswertung.

Für Vergabestellen aber auch Bieter in derartigen Verfahren bedeutet dies, dass zwar nicht alle Einzelheiten der Unterkriterien und deren Gewichtung bereits mit der Vergabebekanntmachung oder den Vergabeunterlagen bekannt gegeben werden müssen und der Vergabestelle ein gewisser Spielraum bei der Wichtung der Kriterien verbleibt.  Die Wertung hat sich jedoch gleichwohl an § 127 GWB auszurichten. Danach müssen die Zuschlagskriterien so bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Im Falle einer nachträglichen Änderung und Einschränkung des Wertungsprogramms ist dies nicht mehr gewährleistet.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
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Kammerreport Juni 2020: Fiktion der Prüfbarkeit der Schlussrechnung

Auch die letzte HOAI-Neufassung von 2013 sieht in § 15 Abs. 1 HOAI die Übergabe einer prüffähigen Schlussrechnung als Fälligkeitsvoraussetzung für das Honorar vor. Bereits in der Vergangenheit hatte der BGH in Anlehnung an seine Rechtsprechung zur Prüfbarkeit der Bauunternehmerrechnungen nach VOB/B auch für die Honorarschlussrechnungen der Architekten und Ingenieure mit Urteil vom 27.11.2003, Az. VII ZR 288/02 entschieden, dass Einwendungen des Auftraggebers gegenüber deren Prüffähigkeit innerhalb von 2 Monaten nach Rechnungszugang zu erheben sind. Mit weiterer Entscheidung vom 22.04.2010, Az. VII ZR 48/07 hatte der BGH darüber hinaus das Erfordernis eines nicht nur rechtzeitigen, sondern zugleich inhaltlich qualifizierten Prüfbarkeitseinwand für den Auftraggeber aufgestellt. Der Auftraggeber muss also dezidiert monieren, warum er die Schlussrechnung nicht prüfen kann. Ein pauschales Zurückweisen der Schlussrechnung als nicht prüfbar war hiernach nicht mehr möglich.

Mit Inkrafttreten der VOB Fassung 2012 wurde die Prüffrist für die Schlussrechnung gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B von 60 auf 30 Tage nach Zugang halbiert. Ob diese Verkürzung der Prüffrist entsprechend auf Schlussrechnungen für Architekten- und Ingenieurleistungen anzuwenden ist, wurde höchstrichterlich bislang nicht entschieden.

Zwischenzeitlich ist zum 01.01.2018 die Neuregelung in § 650 g Abs. 4 BGB in Kraft getreten, der über § 650 q Abs. 1 BGB auch für Architekten- und Ingenieurverträge Anwendung findet.

Diese Neuregelung fordert nunmehr unabhängig von der Geltung der HOAI, dass die Schlussrechnung eine übersichtliche Aufstellung der erbrachten Leistungen enthalten und für den Auftraggeber nachvollziehbar sein muss. Mit § 650 g Abs. 4 S. 3 BGB wird gesetzlich fingiert, dass die Schlussrechnung als prüffähig gilt, wenn der Auftraggeber nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung begründete Einwendungen gegen ihre Prüffähigkeit erhoben hat. Für die ab dem 01.01.2018 geschlossenen Architekten- und Ingenieurverträge hat das OLG Celle mit Urteil vom 01.04.2020, Az. 14 U 185/19 entschieden, dass für diese die 30 Tagesfrist ab Zugang der Schlussrechnung gilt, innerhalb derer nicht nur die Prüfbarkeit als solche, sondern unter dezidierten Hinweisen gerügt werden muss. Ist diese Frist abgelaufen, wird die Prüfbarkeit der Schlussrechnung gesetzlich unwiderlegbar vermutet. Im konkreten Falle hatte das OLG Celle zudem klargestellt, dass es bei Abrechnung einer vereinbarten Pauschalvergütung keiner konkreten Angaben zu den anrechenbaren Kosten, der Honorarzone etc. bedarf.

Nicht ausgeschlossen, und daran ändert sich auch nach der neuen Gesetzgebung und Rechtsprechung nichts, ist der Auftraggeber nach Ablauf der 30Tagesfrist mit seinen Einwendungen zur Richtigkeit der Schlussrechnung, also bspw. zur Korrektheit der anrechenbaren Kosten, dem abgerechneten Leistungsumfang etc.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Kammerreport Mai 2020: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Bauablauf

Trotz vielfältiger Einschränkungen des öffentlichen Lebens läuft der Betrieb der Baustellen aktuell noch weiter. Dennoch sind bereits jetzt Auswirkungen der Epidemie auch in der Baubranche deutlich spürbar. Bei laufenden Projekten drohen Verzögerungen im Bauablauf durch Lieferengpässe, etwa wenn Baumaterialien aus dem Ausland bezogen werden. Ferner ist die ohnehin schon problematische Personalsituation durch die Pandemie noch schwieriger geworden, etwa weil viele ausländische Arbeitskräfte nicht mehr einreisen können oder sich zunächst in Quarantäne begeben müssen. Ferner kann die Verhängung einer Quarantäne, die Schließung einzelner Baustellen oder die Abriegelung ganzer Gebiete Projekte vollständig zum Erliegen bringen.

Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der „höheren Gewalt“ im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B zu erfüllen. Die Ausführungsfristen werden also verlängert, sobald ein derartiger Behinderungstatbestand vorliegt. Allerdings hat der Auftragnehmer alles Zumutbare zu tun, um die Weiterführung der Arbeiten zu ermöglichen, sobald die hindernden Umstände weggefallen sind. Allein der pauschale Verweis auf die Corona-Pandemie kann jedoch das Vorliegen von „höherer Gewalt“ nicht begründen. Vielmehr muss ganz konkret und im Einzelfall geprüft werden, ob aufgrund der Corona-Pandemie tatsächlich hindernde Umstände eingetreten sind. Der Bauunternehmer muss also darlegen, warum er seine Leistung infolge der Pandemie nicht erbringen kann. Dies wird ihm leicht gelingen, wenn z.B. ein Großteil der Beschäftigten behördlich unter Quarantäne gestellt ist und er keine Ersatzkräfte finden kann. Gleiches kann gelten, wenn die Baustelle aufgrund von Quarantäne-Maßnahmen geschlossen ist, ausländische Beschäftigte Einreisebeschränkungen unterliegen oder aber Baumaterial nicht beschafft werden kann.

Eine – auch pandemiebedingte – Kostensteigerung von Baumaterialien reicht grundsätzlich für die Unzumutbarkeit nicht aus.

Der Bauunternehmer muss die Behinderung, auch wenn sie für die Beteiligten offenkundig ist, mit den konkreten Auswirkungen auf sein Unternehmen gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B anzeigen und hierbei die behindernden Gründe glaubhaft machen. Öffentliche Auftraggeber sind durch den Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, vom 23.03.2020 (Az. 70406/2#1) gehalten, an die Glaubhaftmachung keine zu hohen Anforderungen zu stellen und die geforderten Darlegungen „im Einzelfall mit Augenmaß, Pragmatismus und mit Blick auf die Gesamtsituation zu handhaben“.

Die Pandemie kann auch dazu führen, dass Auftraggeber ihrerseits ihren Mitwirkungsverpflichtungen gemäß § 642 BGB nicht nachkommen können, z.B. aufgrund der Quarantäne das Baugrundstück nicht zur Verfügung stellen können. Auch hier kann aufgrund höherer Gewalt eine Enthaftung des Auftraggebers eintreten, da der Entschädigungsanspruch des Unternehmers gemäß § 642 Abs. 2 BGB grundsätzlich verschuldensabhängig ausgestaltet ist und ein Annahmeverzug nicht eintreten kann, wenn der Auftraggeber aufgrund höherer Gewalt gehindert ist, seine Mitwirkungsverpflichtungen zu erfüllen.

Allerdings ist auch der Auftraggeber gehalten, die pandemiebedingten Einschränkungen so gering wie möglich zu halten. So ist auch dem Auftraggeber zuzumuten, dass die auftraggeberseitige Projektleitung ggf. weiterarbeitet, und sei es aus dem Home-Office.

Der Auftraggeber hat dabei die Belange des Auftragnehmers im Blick zu behalten und ihn insbesondere zu informieren.

Grundsätzlich ist also die Corona-Pandemie ein Umstand, der von keiner Partei zu vertreten ist und damit auch keine vertraglichen Pflichtverletzungen begründet, soweit pandemiebedingte Auswirkungen zur Verzögerung oder gar Einstellung der Leistungen führen müssen. Die Kausalität zwischen den pandemiebedingten Einschränkungen und der Leistungsstörung muss jedoch nachgewiesen werden. In klaren Fällen (behördliche Schließung der Baustelle) werden also keine wechselseitigen Ansprüche aus der Verzögerung geltend zu machen sein, mithin weder Ansprüche wegen Bauverzögerung, Verzugsschaden oder Vertragsstrafe seitens des Auftraggebers noch Entschädigungsansprüche oder Mehrkostenansprüche des Bauunternehmens. Soweit ein Bauvertragspartner infolge der Corona-Pandemie in eine finanzielle Notlage gerät, dürfte dies auch keine Kündigung rechtfertigen.

§ 6 Abs. 7 Satz 1 VO/B sieht ein Kündigungsrecht für den Fall vor, dass die Unterbrechung länger als 3 Monate andauert. Dieses Kündigungsrecht dürfte auch im Falle der höheren Gewalt gelten. Allerdings ist auch hier dann nur die Abrechnung der Vergütung für erbrachte Leistungen denkbar; Entschädigungs- oder Schadenersatzansprüche sind in diesem Fall nicht ersichtlich.

In besonderen Ausnahmefällen kann auch die Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht kommen. Ein solches Kündigungsrecht besteht grundsätzlich, wenn aufgrund der Umstände es einer Partei unzumutbar ist, weiter am Vertrag festzuhalten. Der hierfür erforderliche wichtige Grund ist in jedem Einzelfall besonders zu prüfen. Eine voreilige Kündigung des Bauvertrages sollte jedoch aufgrund der finanziellen Risiken infolge einer etwaig unwirksamen Kündigung vermieden werden. Die Messlatte für eine außerordentliche Kündigung hängt sehr hoch.

Auch öffentliche Auftraggeber sind aufgrund des oben genannten Erlasses im Übrigen gehalten, der unverzüglichen Prüfung und Begleichung von Rechnungen besonderes Augenmerk zu geben und ggf. auch gegen Bürgschaftsleistung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B Vorausleistungen zu erbringen. Zinsen sollen hierfür nicht gefordert werden.

Baueinstellungen oder -verzögerungen infolge der Corona-Pandemie bringen Auftraggeber wie Auftragnehmer regelmäßig in große Schwierigkeiten, so dass es gerade in diesen Fällen angezeigt erscheint, die werkvertragliche Kooperationspflicht ernst zu nehmen, alle Kräfte für die möglichst schnelle Umsetzung der Projekte einzusetzen und im Anschluss eine einvernehmliche Regelung bezüglich der Folgen der eingetretenen Verzögerung zu treffen. Die Berufung auf „höhere Gewalt“ wird dabei nicht alle Probleme lösen können.

Redaktionsschluss für den vorstehenden Beitrag war am 14.04.2020, so dass ggf. weitere Entwicklungen die Aktualität des Beitrages überholt haben können, wofür um Verständnis gebeten wird.

Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU

Kammerreport April 2020: Kündigungsentschädigung: 60:40-Klausel kann wirksam sein!

siehe Kammerreport April 2020

Kündigungsentschädigung: 60:40-Klausel kann wirksam sein!

Gemäß § 648 BGB neue Fassung kann der Auftraggeber den Planervertrag jederzeit und ohne Angabe von Gründen kündigen (gewillkürte bzw. ordentliche Kündigung). Der gekündigte Planer kann für die nicht mehr von ihm zu erbringenden Leistungen gleichwohl die vereinbarte Vergütung verlangen, muss sich jedoch die ersparten Aufwendungen und den anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Gemäß § 648 S. 3 BGB wird widerleglich vermutet, dass dem Auftragnehmer 5% der auf den noch nicht erbrachten Teil der Leistungen entfallenden vereinbarten Vergütung als Kündigungsentschädigung zustehen. In einem vor dem OLG Köln zum Az. 16 U 52/18 anhängigen Fall hatte der planende Architekt eine Vertragsklausel verwendet, nach der das Honorar für die nicht mehr infolge der Kündigung erbrachten Leistungen 60% der vereinbarten Vergütung entspricht und somit der Anteil der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen Erwerbs mit 40% pauschal bewertet.

Nach dem jüngst bekannt gewordenen Hinweisbeschluss des OLG Köln vom 12.07.2018 verstößt diese Klausel nicht gegen § 307 BGB, da sie dem Auftraggeber die Möglichkeit des Gegenbeweises eröffnet, nicht nur für die ersparten Aufwendungen, sondern auch für den anderweitigen Erwerb einen höheren Anteil als 40% geltend zu machen. Die in § 649 S. 3a. F., jetzt § 648 S. 3 BGB enthaltene gesetzliche Vermutung in Höhe von 5% der vereinbarten Vergütung stelle kein gesetzliches Leitbild für Pauschalierungsabreden dar, so dass eine Abweichung hiervon keine Unangemessenheit der Klausel initiiere. In den früheren vom BGH zu der 60/40-Klausel ergangenen Entscheidungen waren die fehlenden Möglichkeiten für den Auftraggeber, einen Gegenbeweis zu führen, der Grund dafür, diese Klauseln für unwirksam zu erklären. Gegen die grundsätzliche Aufteilung 60:40 hatte der BGH seinerzeit aber keine Bedenken.

Fazit:

Die ordentliche Kündigung eines Planervertrages führt auch bei der Abrechnung zu Verdruss. Der Auftragnehmer ist nicht nur den Auftrag los, sondern er muss zudem prüfbar und schlüssig die Vergütung getrennt nach erbrachtem und nicht erbrachtem Teil abrechnen. Will der gekündigte Planer nicht mit der gesetzlichen Vermutungsregelung mit 95% der Vergütung für den ersparten Aufwand bzw. den anderweitigen Erwerb Vorlieb nehmen, muss er den entsprechenden Nachweis führen. Die 60/40 -Klausel mit der pauschalierten Abgeltung erspart ihm diesen Aufwand und kommt der Lebenswirklichkeit bei Planerverträgen deutlich näher als die gesetzliche Vermutungsregelung. Räumt die Klausel nicht nur dem Auftraggeber die Möglichkeit des Gegenbeweises höherer sondern auch sich selbst als Auftragnehmer und Klauselverwender die Möglichkeit eines Gegenbeweises niedrigerer ersparter Aufwendungen oder eines niedrigeren anderweitigen Erwerbs ein, stellt dies eine optimierte vertragliche Lösung für den Kündigungsfall dar.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Kammerreport März 2020: Anerkannte Regeln der Technik und technische Regelwerke

siehe Kammerreport März

Anerkannte Regeln der Technik und technische Regelwerke

In Bauverträgen wie auch Planerverträgen wird häufig vereinbart, dass Planung und Bauausführung den anerkannten Regeln der Technik (a.R.d.T.) entsprechen müssen. Eine Abweichung von den a.R.d.T. führt daher in der Regel zu Sachmängelhaftungsansprüchen gegen Planer oder Bauunternehmen. Ein relativ neues Urteil des OLG Hamm (Urteil vom 14.08.2019 - 12 U 73/18) hat die Diskussion zu diesem Thema erneut befeuert.

Um zu ermitteln, was den a.R.d.T. entspricht, sind zunächst die einschlägigen Regelwerke heranzuziehen. Dies können DIN-Normen, Europäische Normen (DIN-EN ISO) oder Regelwerke von Branchenverbänden (z.B. DVGW-Regelwerke, VDE-Normen, VDI-Richtlinien) sein. Diese Regelwerke werden meist von qualifiziert besetzten Gremien erarbeitet, stellen jedoch keine Rechtsnormen dar, sondern sind technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Wenn sich diese jedoch in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erwiesen haben und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind, bilden sie die a.R.d.T. ab. Allerdings müssen die technischen Regelwerke nicht zwingend den a.R.d.T. entsprechen. Die Fortentwicklung dieser Regelwerke ist von vielen Einflüssen abhängig und vollzieht sich manchmal schleppend, so dass in der Vergangenheit bereits technische Regelwerke von der Rechtsprechung als solche erkannt wurden, die den anerkannten Regeln der Technik nicht mehr entsprechen, so dass eine Bauausführung entsprechend dieser noch gültigen Regelwerke gleichwohl eine mangelhafte Leistung darstellte. So entspricht die Außenwandabdichtung mit kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung und Anschluss an WU-Betonbodenplatten für den Lastfall Druckwasser - trotz Konformität mit den Regelungen der Abdichtungsnorm - nicht den a.R.d.T. (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14.08.2019 - 12 U 73/18 (nicht rechtskräftig)). Eine veraltete DIN-Norm, die über einen längeren Zeitraum nicht mehr fortgeschrieben worden ist, kann daher unter Umständen auch nicht mehr als anerkannte Regel der Technik gelten, wie dies z.B. beim Schallschutz entschieden wurde (BGH, ZfBR 2007, 671).

Allerdings besteht für DIN-Normen eine, wenn auch widerlegbare, Vermutung, dass sie den a.R.d.T. entsprechen. Existiert jedoch bereits ein sogenannter „Gelbdruck“ für eine DIN-Norm oder ist aus wissenschaftlichen Publikationen bekannt, dass Bedenken gegen die Richtigkeit der DIN-Normen bestehen, kann diese Vermutung möglicherweise entkräftet werden.

Allein ein wissenschaftlicher Meinungsstreit über die Frage, ob die DIN-Normen – noch – den a.R.d.T. entsprechen, genügt jedoch nicht. Es muss sich in der Praxis auch bereits eine abweichende und bessere Ausführung durchgesetzt und bewährt haben.

Fraglich ist dabei, welcher Zeitpunkt maßgeblich ist. In Betracht kommt der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der Zeitpunkt der Planung oder der Abnahme der Bauleistung. Nach herrschender Meinung – und dies ergibt sich auch aus § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 VOB/B – hat die Bauleistung zum Zeitpunkt der Abnahme den a.R.d.T. zu entsprechen. Wenn sich zwischen Vertragsschluss und Abnahme jedoch Regeländerungen ergeben haben, ist es unter Umständen notwendig, in anderer Form zu bauen als bei Vertragsschluss noch vorgesehen und kalkuliert wurde. Gleichwohl ist der Bauunternehmer wie auch der Planer verpflichtet, ein zum Zeitpunkt der Abnahme den a.R.d.T. entsprechendes Werk zu erstellen.

Bei einer Regeländerung zwischen Vertragsschluss und Abnahme gibt es dabei zwei Möglichkeiten:

-    Der Bauherr wird auf die Regeländerung und die sich hieraus ergebenden Änderungen hingewiesen, dies auch unter Hinweis auf den sich hieraus ergebenden Mehrvergütungsanspruch, oder

-    der Bauherr entscheidet sich in Kenntnis der Situation dazu, die Änderung der Bauausführung nicht vorzunehmen und entsprechend der bei Vertragsschluss geltenden Regeln zu bauen, um z.B. Mehrkosten zu vermeiden. Wenn eine solche Vereinbarung getroffen wird, entspricht die von den a.R.d.T. abweichende Beschaffenheit des Werkes der Vereinbarung der Parteien und ist dann kein Mangel. Dies geht selbstredend nur bei solchen Regeländerungen, die keinen zwingenden gesetzlichen Charakter tragen.

Planer und Bauunternehmer sind also gut beraten, technische Regelwerke nicht kritiklos hinzunehmen sondern sich über neue technische Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, um festzustellen, ob sich zwischen Vertragsschluss und Abnahme eine Regeländerung ergeben hat oder die geltenden Regeln den a.R.d.T. ggf. nicht mehr entsprechen. Selbst ein nach dem Regelwerk errichtetes Bauvorhaben ist jedenfalls mangelhaft, wenn es bei Abnahme den a.R.d.T. nicht entspricht, es sei denn, dies ist mit den Bauherren ausdrücklich so vereinbart.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU

Kammerreport Januar / Februar 2020: Kein AGB-Schutz gegen Baukostenklauseln in RBBau-Vertragsmustern

siehe Kammerreport Januar / Februar

Kein AGB-Schutz gegen Baukostenklauseln in RBBau-Vertragsmustern

Mit seiner Entscheidung vom 11.07.2019, Az. VII ZR 266/17 hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die in den Standardverträgen des Bundes mit den Planern durchgängig verwendeten Klauseln, welche lauten: „Die Baukosten für die Baumaßnahme dürfen den Betrag von … EUR brutto/ … EUR netto nicht überschreiten. Die genannten Kosten umfassen die Kostengruppen 200 bis 600 nach DIN 276-1:2008-12, soweit diese Kostengruppen in der ES-Bau/ KVM- Bau/ HU-Bau/ AA-Bau erfasst sind. Der Auftragnehmer hat seine Leistungen bezogen auf die von ihm zu bearbeitenden Kostengruppen so zu erbringen, dass diese Kostenobergrenze eingehalten wird,“ AGB- rechtlich nicht angegriffen werden können.

Zunächst stellt der BGH klar, dass die Planungs- und Überwachungsziele im Rahmen eines Architekten- und Ingenieurvertrages gem. § 650 p Abs. 1 BGB nicht im Einzelnen gesetzlich definiert sind, sondern allein im Wege der Parteivereinbarung bestimmt werden. Dabei bleibt es den Vertragsparteien überlassen, ob sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Planungs- und Überwachungsziele bereits detailliert oder nur kursorisch beschreiben. Im Zuge dessen ist die Vereinbarung einer Baukostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung bei den zu erreichenden Planungs- und Überwachungszielen zu beachten. Diese hat der Planer als Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Hierbei stellt der BGH klar, dass seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Planer verpflichtet ist, die Planungsvorgaben des Bestellers zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten und vereinbarte Baukostenobergrenzen einzuhalten, auch für die nach dem 31.12.2017, also nach Eintritt der BGH-Reform zum Bauwerksvertragsrecht abgeschlossenen Verträge gilt.

Die in der jüngsten Vergangenheit durch das Kammergericht Berlin abweichende Rechtsprechung, wonach Baukosten keiner Beschaffenheitsvereinbarung in Planerverträgen zugänglich sein sollen, wurde durch den BGH eine Absage erteilt.

Da die Beschaffenheitsvereinbarung über die Baukosten somit zu den Regelungen über den unmittelbaren Vertragsgegenstand und damit zu den Hauptleistungspflichten des Planers gehört, ist sie einer Inhaltskontrolle nach den AGB-rechtlichen Vorschriften in §§ 307 ff. BGB entzogen. Darüber hinaus verneint der BGH, dass hier überhaupt vorformulierte, für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehene Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, da es ohne Eintragung eines Betrages als Baukostenobergrenze schon an der Vereinbarung einer solchen Regelung mangelt. Die Baukostenobergrenzen werden individuell bezüglich jedes Bauvorhabens festgelegt. Insoweit liegt keine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Klausel vor. Dies ist mit Blick auf die bisherige BGH-Rechtsprechung zur bloßen Lückenausfüllung von AGB-Klauseln beachtlich. In diesem Falle konnte der BGH die Lückenfüllung der Klausel durch Eintragung des Brutto- bzw. Nettowertes für die Baukostenobergrenze ohne Mehrfachverwendungsabsicht individualvertraglichen Charakter. Auch aus diesem Grunde ist die Klausel einer AGB-rechtlichen Prüfung entzogen.

Gegenüber der gesetzlichen Haftung des Planers, seine Leistungen frei von Sach- und Rechtsmängeln zu erbringen, ergäbe sich auch keine Einschränkung abweichender Ausgestaltung oder Modifizierung der gesetzlichen Leistungspflicht, so dass sich hieraus ebenfalls keine AGB-rechtliche Inhaltskontrolle ableiten ließe. Auch verstoße die verwendete Klausel nicht gegen das Transparenzgebot. Die eingegangene Verpflichtung ist für einen durchschnittlichen, verständigen Planer ohne weiteres nachvollziehbar. Schlussendlich bedurfte es auch keiner gesonderten Hinweise an den Planer auf die Schadensersatzfolgen im Falle der schuldhaften Nichtbeachtung der Beschaffenheitsvereinbarung.

Fazit:
Sofern sich Auftraggeber von Planungsleistungen inhaltlich und strukturell an die hier geprüften Klauseln zur Baukostenobergrenze halten, droht ihnen keine AGB-rechtliche Prüfung, insbesondere nicht auf eine Unangemessenheit der Klausel.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Recht aktuell - 2019

Kammerreport Dezember 2019: Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B BGH kippt „vorkalkulatorische Preisfortschreibung“ (Urteil vom 08.08.2019, VII ZR 34/18)

siehe Kammerreport Dezember 2019

Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B
BGH kippt „vorkalkulatorische Preisfortschreibung“
(Urteil vom 08.08.2019, VII ZR 34/18)

Gemäß § 2 Abs. 3 Ziffer 2 VOB/B ist bei einer über 10% hinausgehenden Überschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen ein neuer Einheitspreis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren.

Nach bislang herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung sollte dieser neue Einheitspreis auf der Grundlage der ursprünglichen Kalkulation des Auftragnehmers unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten ermittelt, die ursprüngliche Kalkulation also fortgeschrieben werden, was mit dem Begriff der „vorkalkulatorischen Preisfortschreibung“ umschrieben wird. Hierdurch sollte das ursprüngliche Vertragspreisniveau bei der Bildung des neuen Einheitspreises im Wesentlichen beibehalten werden („Guter Preis bleibt guter Preis – schlechter Preis bleibt schlechter Preis“). Fehler in der Urkalkulation aber auch spekulative Preisgestaltungen konnten sich damit im neuen Einheitspreis auswirken, was häufig zu Streit führte. Soweit diese Ermittlung zu einem schlicht untragbaren Ergebnis führt, behalf sich die Rechtsprechung damit, bei einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis von einer sittenwidrigen und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtigen Vereinbarung auszugehen (vgl. BGH, BauR 2009, 491). Die Ermittlungsmethode der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung stieß im Schrifttum bereits auf Kritik. Dort wurde zum Teil vorgeschlagen, dass neue Einheitspreise anhand ortsüblicher, angemessener Marktpreise für die ausgeführte Menge zu ermitteln sind.

Mit seiner aktuellen Entscheidung vom 08.08.2019, VII ZR 34/18, legt der BGH diesen Meinungsstreit bei und klärt die Rechtsfrage in einer für die Fachwelt überraschenden Weise. Der bisher herrschenden Berechnungsmethode aufgrund der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung wird eine klare Absage erteilt, ebenso dem Rückgriff auf eine marktkonforme Vergütung.

Die Berechnung des Einheitspreises bei Mehrmengen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B hat vielmehr anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge zu erfolgen.

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall traten in der Position „Entsorgung von Bauschutt“ statt der ausgeschriebenen 1 t tatsächlich 83,92 t ein. Der angebotene Einheitspreis betrug 462,00 €/t. Das Bauunternehmen hatte für die Leistung einen Subunternehmer gebunden, der 92,00 €/t verlangte. Zuzüglich eines GU-Zuschlages von 20% und eigenen Verladekosten von 40,00 €/t ermittelte der BGH auf diese Weise einen neuen Einheitspreis von 150,40 €/t, der für die über 110% hinausgehenden Mengen gerechtfertigt sei.

Der BGH begründet dies damit, dass die Art und Weise der Einheitspreisbildung in der VOB nicht geregelt sei. Die Bestimmung gäbe nur vor, dass ein neuer Einheitspreis zu bilden sei, wobei die Mehr- und Minderkosten zu berücksichtigen sind. Vorrangig sollen die Vertragsparteien im Rahmen ihrer bauvertraglichen Kooperationspflicht etwaigen Störungen des Äquivalenzverhältnisses entgegenwirken, indem sie unter Berücksichtigung der geänderten Umstände einen neuen Preis aushandeln. In welcher Weise dies geschieht, kann durch Festlegung einzelner Kriterien oder Faktoren bereits im Vertrag vereinbart werden. Allein die Einbeziehung der VOB/B führe jedoch nicht dazu, dass auch eine bestimmte Art und Weise der Einheitspreisermittlung, etwa die der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung, mitvereinbart sei.

Können sich die Parteien jedoch nicht verständigen und sind vertragliche Anhaltspunkte für Ermittlung des neuen Einheitspreises nicht ersichtlich, enthält der Vertrag eine Regelungslücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Dabei entspricht es nach Auffassung des BGH der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene quantitative Veränderung der auszuführenden Leistung keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll. Insoweit müsse hypothetisch ermittelt werden, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen redlicher Weise vereinbart hätten, wenn sie die Mengenmehrung von vornherein bedacht hätten. Dies führe, so der BGH, dazu, dass für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen die tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge maßgeblich sind. In dem vom BGH entschiedenen Fall war dies recht einfach zu ermitteln, da die Preisgestaltung des Subunternehmers und der kalkulierte GU-Zuschlag bekannt waren. Auf dieser Grundlage konnte daher der neue Einheitspreis berechnet werden, der freilich erheblich unter der Forderung des Bauunternehmens lag, der nach den bisher geltenden Grundsätzen der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung erheblich höhere Einheitspreise forderte.

Die Entscheidung beendet nunmehr eine langjährige Diskussion über die Art und Weise der Einheitspreisermittlung bei Mengenmehrung gemäß § 2 Abs. 3 Ziffer 2 VOB/B. Ob die jetzige Berechnungsformel tatsächlich einfacher handhabbar sein wird als die vorkalkulatorische Preisfortschreibung, wird sich erweisen müssen. Die vom BGH aufgestellten Grundsätze sind im Übrigen durchaus auf andere Arten der Vergütungsanpassung, z.B. gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B (Änderungen des Bauentwurfs, Anordnungen des Auftraggebers) übertragbar, so dass man gespannt sein darf, ob sich dieser für § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B aufgestellte Grundsatz verallgemeinern lässt. Für den Fall der neuen Einheitspreisermittlung bei Mengenmehrung > 110% wird sich die Rechtsprechung jedoch an den vorangestellten Grundsätzen orientieren.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU

Kammerreport November 2019: Böse Überraschung – Post vom Bundesverwaltungsamt

siehe Kammerreport November 2019

Böse Überraschung – Post vom Bundesverwaltungsamt

Wie jüngst aus Mitgliederkreisen zu vernehmen war, geht das Bundesverwaltungsamt wegen der Verletzung von Mitteilungspflichten nach dem GwG, dem sogenannten Geldwäschegesetz mit Bußgeldbescheiden vor. Dies bietet Veranlassung, auf die geltende Rechtslage hinzuweisen.

Seit dem 01.10.2017 besteht für juristische Personen des Privatrechts, also bspw. für eine GmbH oder eine AG, sowie für eingetragene Personengesellschaften, wie bspw. die OHG und KG oder auch Partnerschaftsgesellschaften gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 GwG – Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten, kurz Geldwäschegesetz – die Verpflichtung, die in § 19 Abs. 1 GwG aufgeführten Angaben zu ihren wirtschaftlich Berechtigten dem Transparenzregister elektronisch über die Homepage www.transparenzregister.de mitzuteilen. Als „wirtschaftlich Berechtigte“ im Sinne des GwG gelten natürliche Personen, unter deren Kontrolle die eingetragenen Personengesellschaft bzw. die juristische Person des Privatrechts steht, welche also mehr als 25 % Kapitalanteile halten oder mehr als 25 % der Stimmrechte kontrollieren oder in vergleichbarer Weise die Kontrolle ausüben. Zu den notwendigen Angaben der wirtschaftlich berechtigten Personen gehört der Vor- und Familienname, das Geburtsdatum, der Wohnort sowie Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses, sprich in der Regel die Höhe der Gesellschaftsanteile.

Derzeit prüft das Bundesverwaltungsamt, ob die verpflichteten Unternehmen ihrer Mitteilungspflicht gegenüber dem Transparenzregister nachgekommen sind. Bereits die leichtfertige Verletzung der Mitteilungsfrist stellt eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Zwar ist der Mitteilungspflicht Genüge getan, wenn die Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten aus dem Handelsregister oder anderen öffentlichen Registern elektronisch abrufbar sind.

Problematisch sind allerdings Altfälle, in denen die wirtschaftlich Berechtigten nicht elektronisch in dem öffentlichen Register wie z.B. dem Handelsregister abrufbar sind. Eine bloß in Papierform eingereichte Gesellschafterliste ist für die Erfüllung der Transparenzpflicht also nicht ausreichend. Die Registergerichte sind auch nicht verpflichtet, Gesellschafterlisten, die vor dem 01.01.2007 noch in Papierform eingereicht worden sind, selbstständig in elektronische Dokumente zu übertragen. Derzeit prüft das Bundesverwaltungsamt bspw. anhand der Handelsregister, ob solche Altfälle vorliegen, in denen die Gesellschafterlisten nicht elektronisch abrufbar sind. Betroffene Mitglieder, deren Anmeldung zu den öffentlichen Registern noch in Papierform erfolgt ist, ist daher dringendst anzuraten, die notwendigen Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten umgehend zum Transparenzregister elektronisch anzumelden, um hier nicht mit einem Bußgeld belangt zu werden. Die Mitteilungspflicht gilt nicht nur für die Anmeldung, sondern fortlaufend für die Aktualisierung der Angaben.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Kammerreport Oktober 2019: „Heimliche“ Verwendung einer Akquise-Leistung des Planers durch den Bauherrn

siehe Kammerreport Oktober 2019

„Heimliche“ Verwendung einer Akquise-Leistung des Planers durch den Bauherrn

Kein seltener Fall: Der Planer erbringt in Hoffnung und Erwartung eines größeren Planungsauftrages bereits Planungsleistungen, um dem Bauherrn einen Eindruck von den planerischen Vorstellungen zu vermitteln. Es ist anerkannt, dass derartige Akquise-Leistungen im Vorfeld vertraglicher Beziehungen, die nicht selten das Stadium der Entwurfsplanung erreicht haben, vergütungsfrei bleiben können, wenn ein Vertragsverhältnis dann doch nicht zustande kommt. Dies ist nachvollziehbar, wenn der Bauherr von seinem Bauwunsch komplett Abstand nimmt oder aber einen anderen Planer auf der Grundlage anderer Planungsvorstellungen beauftragt. Stellt der Planer dann jedoch fest, dass der Bauherr die Planungsleistung des Architekten oder Ingenieurs dennoch tatsächlich umsetzt, sieht er also seine Planung fast unverändert umgesetzt, entsteht zu Recht Unmut. Es kann dann zu Recht vermutet werden, dass einem neuen Planer die Vorleistung mit der Aufgabe übergeben wurde, diese Planung dann ab der Leistungsphase 4 weiterzuführen, um die Kosten der Leistungsphasen 1-3 zu sparen.

In einem solchen Fall hat das OLG Celle dem Bauherrn diese Einsparung von Planungskosten nicht durchgehen lassen (OLG Celle, Urteil v. 20.03.2019 - 14 U 55/18, NJW-RR 2019, 796).

Dort hat ein Architekt zu akquisitorischen Zwecken eine Entwurfsplanung für ein Bauvorhaben erstellt und es dem potenziellen Auftraggeber auch ausgehändigt. Der Bauherr hatte im Prozess behauptet, dass es ihm ausschließlich darum gegangen sei, eine Einschätzung zu bekommen, ob eine Beauftragung des Planers auch im Vergleich zur Beauftragung eines Generalunternehmers wirtschaftlich attraktiv sein könne. Dies sei nicht der Fall gewesen, so dass er von der Beauftragung des Planers Abstand genommen habe. Das Landgericht hatte die Klage des Planers abgewiesen. Das OLG Celle gab der Klage jedoch dann vollständig statt. Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens ließ sich nachweisen, dass der Bauherr die Entwurfsplanung des Architekten sehr weitgehend umgesetzt und damit für sich nutzbar gemacht habe. Nach Ansicht des OLG Celle stehe dem Architekten daher ein Bereicherungsanspruch in Höhe der ersparten Aufwendungen des Bauherrn zu, die sich nach den HOAI-Mindestsätzen errechnen lassen.

In derartigen Fällen ist der Planer also nicht schutzlos gestellt. Selbst wenn ihm nicht gelingt, einen ausdrücklichen oder konkludenten Vertragsabschluss nachzuweisen, stehen die Gerichte an der Seite desjenigen Planers, dessen Planung ohne Einverständnis umgesetzt wurde. Dass sich dabei die ersparten Aufwendungen des Bauherrn, also die ersparten Planungskosten, nach der üblichen Vergütung richten, entspricht bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Jedenfalls gegenwärtig ist die übliche Vergütung auch und trotz der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (wir berichteten an dieser Stelle) nach den HOAI-Mindestsätzen zu berechnen.

Ist die Leistung des Planers urheberrechtlich geschützt, kommen darüber hinaus auch Schadenersatzansprüche nach urheberrechtlichen Anspruchsgrundlagen in Betracht. Zudem kann in der rechtswidrigen Verwendung der Planungsleistung auch ein wettbewerbswidriges Verhalten zu sehen sein, das Ansprüche nach UWG und dem neuen Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen begründen kann.

Die tatsächliche Schwierigkeit wird darin bestehen, den Nachweis zu erbringen, dass die Ursprungsplanung, wenn auch nicht identisch, dann jedenfalls sehr „weitgehend“ verwendet wurde. Das OLG Celle hat hier einige Besonderheiten der Planung benannt, die dem Ursprungsentwurf entstammten, so eine besondere Gestaltung der Fenster und der Treppenanlage sowie der Anordnung der Büros. Auch übernommene „Fehler“ der Ursprungsplanung in der umgesetzten Planung können ein solches Indiz sein. Der vom Bauherrn mit seinen Entwürfen zurückgewiesene Planer ist also gut beraten, sich bei Umsetzung des Bauvorhabens durch den Bauherrn zu vergewissern, ob seine Planung nicht doch „heimliche Verwendung“ gefunden hat. In einem solchen Fall ist die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen durchaus Erfolg versprechend.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU

Kammerreport September 2019: BGH klärt: Baukostenobergrenzen in A & I-Verträgen sind auch nach neuem BGB eine Beschaffenheitsvereinbarung

siehe Kammerreport: September 2019

BGH klärt: Baukostenobergrenzen in A & I-Verträgen sind auch nach neuem BGB eine Beschaffenheitsvereinbarung

In seiner Entscheidung vom 11.07.2019, Az. VII ZR 266/17 hat der Bundesgerichtshof über die vom Bund in seinen Standardverträgen für die Objektplanung Gebäude- und Innenräume, für die Fachplanung Technischer Ausrüstung, für die Tragwerksplanung sowie für die Freianlagen jeweils verwendete Baukostenvereinbarung unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Hierzu hat der BGH klargestellt, dass eine bei Vertragsschluss oder im Laufe des Planungsprozesses zwischen den Parteien des Planervertrages vereinbarte Baukostenobergrenze eine Beschaffenheitsvereinbarung der zu erreichenden Planungs- und Überwachungsziele, welche der Planer als Hauptleistungspflicht zu erfüllen hat, darstellt. Vertragsklauseln, welche eine solche vertragliche Hauptleistung unmittelbar bestimmen, sind von der AGB- rechtlichen Inhaltskontrolle ausgenommen.

Im Ergebnis ist der Planer verpflichtet, die Planungsvorgaben des Bundes als Auftraggeber zu den Herstellungskosten des Bauwerks zu beachten und vereinbarte Baukostenobergrenzen einzuhalten. Die Geltung des § 650 p Abs. 1 BGB für die nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architekten- und Ingenieurverträge gibt dem BGH keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.

Darüber hinaus hat der BGH in dieser Entscheidung erstmals für die ab den 01.01.2018 geltende Bestimmung des § 650 p BGB ausgeführt, dass die hierin geregelte Architekten- und Ingenieurverträge typischerweise eine Reihe von verschiedenen Pflichten umfassen und zwischen dem Planungserfolg und den Planungs- und Leistungsschritten zu unterscheiden ist. Die vom Planer als Hauptleistung zu erfüllenden Pflichten definiert das Gesetz in § 650 p Abs. 1 S. 1 BGB, anders als bspw. im Kauf- oder Mietrecht, nicht selbst, sondern verweist insoweit auf die von den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele. Die Parteien haben es somit im Rahmen ihrer Vertragsautonomie in der Hand, gemeinsam festzulegen, welche Hauptleistungspflichten der Planer zu erfüllen hat. Hierfür stehen den Vertragsparteien grundsätzlich zwei Wege offen. Die Vertragsparteien können zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses umfassende Planungs- und Überwachungsziele bestimmen und die einzelnen Planungs- und Leistungsschritte detailliert beschreiben. Sie können aber auch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Planungs- und Überwachungsziele nur generell und im Ansatz durch bloße Bezeichnung des Baugrundstücks und die Bestimmung des Zweckes des zu errichtenden Gebäudes vereinbaren und die weitergehende notwendige Konkretisierung der zukünftigen Planung überlassen.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Kammerreport Juli / August 2019: EuGH: HOAI verstößt gegen EU-Recht
siehe Kammerreport: Juli / August 2019

EuGH: HOAI verstößt gegen EU-Recht

Der Europäische Gerichtshof hat nunmehr mit Urteil vom 04.07.2019 (Rs. C-377/17) im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die BRD entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen EU-Recht verstoßen hat, indem sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat. Fachkreise hatten eine Entscheidung mit diesem Inhalt bereits befürchtet, nachdem der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof in seinen Schlussanträgen bereits die Auffassung vertrat, die Mindest- und Höchstsatzregelungen der HOAI würden gegen Artikel 15 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG verstoßen. Wir berichteten bereits an dieser Stelle (vgl. Schugardt, Kammerreport, April 2019, S. 3).

Der EuGH stimmte den Argumenten der Bundesrepublik Deutschland zwar in mehreren Punkten zu. So würden die Mindest- und Höchstsätze für Architekten und Ingenieure keine direkte oder indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder aufgrund des Firmensitzes bewirken. Auch seien verbindliche Mindesthonorare grundsätzlich durchaus geeignet, um einen ruinösen Konkurrenzkampf und damit qualitativ minderwertige Billigangebote auf dem Markt zu vermeiden. Allerdings empfanden die EuGH-Richter die deutsche Regelung als ungeeignet, da das erklärte Ziel nicht in „kohärenter und systematischer Weise“ umgesetzt worden sei. Zwar seien in Deutschland die Berufsbezeichnungen „Architekt“ und „Ingenieur“ geschützt. Die Erbringung von Planungsleistungen ist jedoch nicht ausschließlich diesen Berufsgruppen vorbehalten. Grundsätzlich darf jedermann Planungsleistungen erbringen, so dass allein die Festlegung von Honorarmindestsätzen nicht geeignet sei, das Ziel der Qualitätssicherung zu erreichen, wenn für die Vornahme der Leistungen selbst keine Mindestgarantien, -standards oder -anforderungen gelten, die die Qualität dieser Leistungen gewährleisten können. Der EuGH sieht also das mit den Mindestsätzen verfolgte Anliegen zwar als gerechtfertigt an, meint jedoch, die Mindestpreisvorschriften der HOAI allein seien hierzu letztlich ungeeignet und damit auch nicht von der europarechtlichen Ausnahmeregelung gedeckt.

Das Urteil ist nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbar und damit bindend, so dass sich die Frage stellt, welche Auswirkungen das Urteil auf die Gültigkeit der HOAI, bestehende oder künftig abgeschlossene Verträge und laufende Verfahren haben kann.

Durch das Urteil des EuGH wird nicht die HOAI insgesamt aufgehoben. Allerdings hat der EuGH bereits in früheren Verfahren festgestellt, dass Artikel 15 der Dienstleistungsrichtlinie derart konkretisiert ist, dass das Verbot von verbindlichem Preisrecht auch ohne innerstaatlichen Gesetzgebungsakt unmittelbar in den Mitgliedsstaaten gilt. Folgt man dieser Auffassung, würde die HOAI also in den Punkten, in denen verbindliche Mindesthonorare festgeschrieben sind, unwirksam sein und könnten damit von deutschen Gerichten auch nicht mehr angewendet werden.

Soweit Vertragspartner in abgeschlossenen Verträgen jedoch die HOAI-Mindestsätze vereinbart haben oder mangels formwirksam getroffener vertraglicher Honorarvereinbarung die HOAI-Mindestsätze für anwendbar erklärt sind, gilt dies als vertraglich vereinbartes Honorar weiterhin. Problematisch werden jedoch die Ansprüche von Architekten und Ingenieuren, mit denen Architekten und Ingenieure trotz bestehender Vergütungsvereinbarungen unterhalb der Mindestsätze die Mindestsätze geltend machen, das vereinbarte Honorar also auf die Mindestsätze „aufstocken“ wollen. Diese in der Vergangenheit nicht selten Erfolg versprechenden Klageverfahren werden nunmehr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aufgrund der Unwirksamkeit des verbindlichen Preisrahmens in § 7 Abs. 1 HOAI keinen Erfolg mehr haben. Auf die Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage darf man gespannt sein.

In laufenden und zukünftigen Vergabeverfahren wird es ferner problematisch sein, ein Angebot allein deshalb auszuschließen, weil es die Mindestsätze der HOAI unterschreitet. Zulässig dürfte es jedoch bleiben, die HOAI als Berechnungsparameter für das Honorarangebot vorzugeben, wobei ggf. ein prozentualer Abschlag von den Mindestsätzen (oder Zuschlag zu den Höchstsätzen) angeboten werden kann. Auch andere an der HOAI orientierte Modelle sind denkbar.

Der Gesetzgeber wird gehalten sein, die Entscheidung des EuGH nunmehr umzusetzen. Der Vorschlag der Europäischen Kommission geht dahin, Kunden Preisorientierungen für die verschiedenen in der HOAI geregelten Leistungen zur Verfügung zu stellen, ohne diese jedoch verbindlich festzuschreiben. Es muss vom Gesetzgeber erwartet werden, sowohl Verbrauchern als auch Planern Sicherheit und eine verlässliche und handhabbare Abrechnungsgrundlage an die Hand zu geben, um ruinösen Wettbewerb zu vermeiden und eine faire und qualitätssichernde Honorierung von Planungsleistungen zu gewährleisten, denn wer beim Planen spart, zahlt beim Bauen drauf – so die alte Regel!

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Datum: 01. August 2019

Kammerreport Juni 2019: EU-Kommission contra deutschen Mittelstand?

siehe Kammerreport: Juni 2019

EU-Kommission contra deutschen Mittelstand?

Die von der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland geführten Vertragsverletzungsverfahrens wegen der Mindest- und Höchstsätze der HOAI als auch wegen der jüngst als europarechtswidrig monierten deutschen Regelung in § 3 Abs. 7 S. 2 VgV zur Zusammenrechnung der Auftragswerte nur bei der Vergabe von Losen über gleichartige Planungsleistungen, werden von deutscher Seite als „ ein erneuter Versuch der EU-Kommission, den deutschen Mittelstand entscheidend zu schwächen“, scharf kritisiert (siehe Pressemitteilung BDB v. 06.02.2019). Hintergrund dieser Kritik ist, dass der Wegfall dieser Ausnahmeregelung zur Zusammenrechnung der Auftragswerte der Planer-Lose und damit in vielen Fällen zur einer Überschreitung der Schwellenwerte für Dienstleistungen von derzeit 221.000,-- EUR netto und für die öffentlichen Auftraggeber zur einer verpflichtend EU-weiten Ausschreibung führen würde. Hierbei wird jedoch übersehen, dass eine der zentralen Aufgaben der EU-Kommission die Durchsetzung und Wahrung des europäischen Rechts gegenüber den Mitgliedsstaaten ist. Die EU-Kommission ist „Hüterin der Verträge“ und wacht gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof über die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedsstaaten. Dies gilt auch für die ordnungsgemäße Umsetzung der EU-Richtlinien, welche von den Mitgliedsstaaten zu deren unmittelbaren Geltung und Anwendung erst in nationales Recht umgewandelt werden müssen. Die Motivlage dürfte also eine deutlich andere sein als die vorstehend zitierte, zumal die EU-Kommission parallel zur Monierung der deutschen Ausnahmeregelung weiteren 14 EU-Mitgliedsstaaten ebenso Aufforderungsschreiben wegen der Verletzung von EU-Richtlinien zukommen ließ.

Kritisch zu betrachten ist hier vielmehr die Rolle der deutschen Bundesregierung. Wie in dem jüngst veröffentlichten Schlussantrag des Generalanwalts im Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH zu den monierten Mindest- und Höchstsätzen der HOAI nachzulesen war, mussten sich die Vertreter der Bundesregierung unsubstantiierten Sachvortrag vorhalten lassen, was nichts anderes bedeutet, als dass man von deutscher Seite seinen Standpunkt weder hinreichend schlüssig dargestellt hat noch ausreichend belegen konnte. Im Zusammenhang mit dem jüngst eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren zur Ermittlung des Gesamtwertes aller Lose von Planungsleistungen hat die Bundesregierung die ihr von der EU-Kommission gesetzte zweimonatige Frist zur Stellungnahme nicht eingehalten und sich stattdessen eine Fristverlängerung bis zum 28.05.2019 gewähren lassen. Dies verwundert, da die EU-Kommission in dem von ihr bereits Ende 2015 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren in Sachen „Stadt Elze“ ihre kritische Haltung gegenüber der nicht erfolgten Addition verschiedenartiger Planungsleistungen bei der Auftragswertermittlung hatte deutlich werden lassen. Umso mehr überrascht es, dass im hierfür zuständigen Bundeswirtschaftsministerium keine zeitnah ausgearbeitete Stellungnahme nach Eingang des Aufforderungsschreibens der EU–Kommission im Januar 2019 erfolgen konnte. Für die aussichtsreiche Positionierung der deutschen Interessen im weiteren Verfahren lässt dies nicht gerade hoffen.

Man mag unterschiedlicher Auffassung hinsichtlich der ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien in deutsches Recht bzw. der Vereinbarkeit von deutschem Recht mit bestehenden EU-Richtlinien sein. Überraschend ist diese Vorgehensweise der EU-Kommission gleichwohl nicht. Die besagten Vertragsverletzungsverfahren konzentrieren sich dabei im Wesentlichen auf die Frage der Vereinbarkeit des deutschen Rechts mit den EU-Richtlinien. Wenn man letztere als mittelstandsfeindlich interpretieren möchte, so müsste von den Kritikern und Fürsprechern einer mittelstandsfreundlichen Politik auf einer ganz anderen Ebene und auch zu einem deutlich früheren Zeitpunkt agiert werden. Die Richtlinien werden seitens der EU-Kommission lediglich vorgeschlagen. Verhandelt und beschlossen werden sie auch unter maßgeblich deutscher Beteiligung durch den Rat der Europäischen Union und vom Europäischen Parlament. Statt, wie mit Blick auf den Schlussantrag des Generalanwalts vor dem EuGH zu den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI zu befürchten, vermutlich aussichtslose Rückzugsgefechte im Zuge von Vertragsverletzungsverfahren zu führen, sollte von deutscher Seite zukünftig ein deutlicher Schwerpunkt auf die Einbringung von Ausnahmeregelungen und Öffnungsklauseln zur besseren Berücksichtigung der deutschen Mittelstandsinteressen schon im Zuge der Initiierung und Verabschiedung von EU-Richtlinien gelegt werden.
Vergaberecht: Benachteiligungsverbot gegenüber kleinen Büros.

Die aktuelle Fassung der Vergabeverordnung (VgV) enthält im Abschnitt 6 über die Besonderen Vorschriften für die EU-weite Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen in § 75 Abs. 4 S. 2 eine Regelung, wonach Eignungskriterien bei geeigneter Aufgabenstellung von der Vergabestelle so zu wählen sind, dass kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen können.

Dass es sich bei diesem Verbot der Benachteiligung kleiner Büros nicht wie bei den Vorgängerregelungen um einen bloßen Programmsatz, sondern um ein klagbares subjektives Recht des betroffenen Bewerbers/Bieters handelt, wurde in der jüngst veröffentlichten Entscheidung der Vergabekammer Westfalen vom 07.03.2019, Az. VK 1-4/19 deutlich.

Dort hatte die Vergabestelle im Wege des Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb die Objektplanung einschließlich BIM für den Neubau einer Bibliothek wegen der Überschreitung der Schwellenwerte EU-weit bekanntgemacht. Als Mindestanforderung im Zuge der Eignungsprüfung war der Nachweis von drei Referenzen für die Objektplanung Gebäude, davon mindestens eine Referenz mit der BIM-Methode geplant und dem Schwierigkeitsgrad mindestens Honorarzone IV, mindestens eine Referenz mit Baukosten KG 300 über 10 Mio. € brutto und mindestens eine Referenz mit dem Neubau einer Kultureinrichtung (Theater- und Konzerthäuser, Kunst- und Medieneinrichtungen, Museen und Bibliotheken) durch die Bewerber bzw. Bieter vorgesehen.

Die Antragstellerin monierte bereits die Auftragsbekanntmachung und beantragte die Nachprüfung durch die Vergabekammer. Unter anderem rügte sie die Verletzung von § 75 Abs. 4 S. 2 VgV, wonach kleinere Büroorganisationen bei der Auswahl der Referenzanforderungen berücksichtigt werden sollten. Die Vergabestelle habe bereits mit der Referenz nach BIM und Honorarzone IV gegen diese Vorschrift verstoßen, weil, soweit ersichtlich, es generell bis auf ein Pilotprojekt auf Bundesebene keine BIM-Referenzen im Bereich der Objektplanung gäbe. Zudem führe die Kumulation der Forderung von drei Referenzen über 10 Mio. € brutto in Verbindung mit dem Kriterium BIM und dem sehr engen Zeitraum von 3 Jahren dazu, dass letztendlich nur Großbüros eine Chance auf hohe Punktzahl hätten. Dem folgte die Vergabekammer und stellte einen Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung kleinerer Büroorganisationen fest. Die Eignungskriterien führten, kumulativ betrachtet, dazu, dass für kleinere und mittlere Büroeinheiten eine erfolgreiche Bewerbung nicht ohne weiteres möglich wäre. Beweggründe, wonach hier keine geeignete Aufgabenstellung für eine kleinere Bürogemeinschaft vorläge, die solche Eignungsanforderungen rechtfertigen, hatte die Vergabestelle als Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

Insofern wurde die unterlegene Vergabestelle durch die Vergabekammer aufgefordert, eine entsprechende Entscheidung nachvollziehbar zu begründen und zu dokumentieren. Wenn dies nachgeholt werde, stünde allerdings eine gesonderte Prüfung an, ob die geforderten Referenzen im Einzelfall sachfremd sind.

Fazit:

Die Forderung nach Referenzen über BIM-bezogene Planungsleistungen ist aufgrund bislang fehlender Erfahrungswerte als Eignungskriterium zumal gegenüber kleineren Büros kritisch zu betrachten. Insbesondere Inhabern kleinerer Ingenieurbüros ist bei einer beabsichtigten Beteiligung als Bewerber bzw. Bieter bei der Vergabe von Planungsleistungen zu empfehlen, solche unzulässigen Eignungskriterien spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber der Vergabestelle zu rügen, um mit dieser Rüge nicht ausgeschlossen zu werden. Die Abgabe eines Teilnahmeantrags bzw. einer Bewerbung ist in diesem Fall zum Zeitpunkt der Vergaberüge und eines ggf. anschließenden Nachprüfungsantrags nicht zwingend erforderlich.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte

Datum: 01. Juni 2019

Kammerreport Mai 2019: Witterungsbedingte Verzögerungen des Bauablaufs

siehe Kammerreport: Mai 2019

Witterungsbedingte Verzögerungen des Bauablaufs

Wetterereignisse können das Baugeschehen empfindlich stören, so dass hierauf beruhende Baubehinderungen zu erheblichen Verzögerungen des Bauablaufs führen können. Immer wieder stellt sich dann die Frage, ob und ggf. welche wechselseitigen Ansprüche zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bestehen.

Vertraglich vereinbarte Ausführungsfristen verlängern sich grundsätzlich, wenn der Auftragnehmer objektiv in der Ausführung seiner Leistung durch Umstände außerhalb seines Risikobereiches gehindert ist. Diese Risikozuweisung ist bei Wettereignissen naturgemäß nicht ganz einfach, denn weder Auftragnehmer noch Auftraggeber können das Wetter beeinflussen. § 6 Abs. 2 Nr. VOB/B, der von seinem Regelungsgehalt auch im BGB-Vertrag gilt, bestimmt, dass Witterungseinflüsse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebots normalerweise gerechnet werden musste, nicht als Behinderung gilt. Witterungseinflüsse sind dabei alle Umstände, die – in weiterem Sinne – auf die Witterung zurückzuführen sind, so z.B. Regen, Hagel, Schneefall, Wind, Sturm, Nebel, Frost, Eis, Überschwemmung, Hochwasser, aber auch witterungsbedingt ansteigendes Grundwasser. Eine klare Definition dessen, womit „normalerweise gerechnet werden muss“, enthält die VOB/B freilich nicht. Einheitliche Kriterien sind den jeweiligen Einzelfallentscheidungen von Gerichten ebenfalls nicht zu entnehmen. In der Zusammenschau der vorliegenden Entscheidungen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Auftragnehmer mit Witterungseinflüssen, die in der Vergangenheit mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von weniger als 20 Jahren vorgekommen sind, normalerweise rechnen musste, so dass derartige Witterungserscheinungen keine Behinderung nach § 6 Abs. 2 VOB/B darstellen. Maßgeblich sind jedoch die jeweiligen örtlichen und jahreszeitlichen Verhältnisse. Maßgeblich sind auch nicht statistische Mittelwerte, sondern die in dem benannten Zeitraum aufgetretenen Extremwerte. So ist in Küstenbereichen mit Orkanböen der Windstärke 12 zu rechnen (OLG Bremen, BauR 1997, 854). Ebenso sind starke Regenfälle mit einer Wiederkehrzeit von 10 Jahren einzukalkulieren (OLG Karlsruhe, BauR 2001, 120). Ganz ungewöhnliche und seltene Starkregen bei einer Wiederkehrzeit von mehr als 100 Jahren (BGH, IBR 2004, 398) oder wolkenbruchartiger Regen mit einer Wiederkehrzeit von 20 Jahren stellen hingegen eine Behinderung dar, auf die sich der Auftragnehmer berufen kann.

Im Einzelfall kann jedoch auch eine geringere Wiederkehrwahrscheinlichkeit zu einer echten Behinderung führen, so wenn besonders wetterkritische Arbeiten in sehr kurzen Ausführungszeiträumen erledigt werden sollen und die Durchführung nunmehr witterungsbedingt in diesem Zeitraum objektiv unmöglich ist.

Soweit die wetterbedingte Behinderung nicht offenkundig ist, muss der Auftragnehmer jedenfalls bei der Vereinbarung der VOB/B eine Behinderungsanzeige ausbringen. Nur wenn also Witterungserscheinungen auftreten, die das übliche Maß erheblich überschreiten, kann sich der Auftragnehmer berechtigterweise auf eine Baubehinderung berufen, die dann auch zur Verlängerung vertraglicher Ausführungsfristen führen kann. Die Neuberechnung der Ausführungsfrist bestimmt sich nach § 6 Abs. 4 VOB/B, und zwar nach der Dauer der Behinderung, mit einem Zuschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten sowie einem Zuschlag für etwaige Verschiebungen in eine ungünstigere Jahreszeit. Vertraglich vereinbarte Fertigstellungstermine werden dann obsolet und es bedarf zur Geltendmachung von Vertragsstrafe und Verzugsschadensersatz einer besonderen Inverzugsetzung, freilich erst nach Eintritt der Fälligkeit. Diese ergibt sich aus der benannten Neuberechnung der Vertragsfristen.

Allerdings wird es dem Auftragnehmer nur selten gelingen, sich auf wetterbedingte Behinderungen zu berufen. Soweit man eine Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 20 Jahren als Maßstab unterstellt, werden derartige Erscheinungen äußerst selten anzutreffen sein.

Neben der Verlängerung der vertraglich vereinbarten Ausführungszeit führen derartige außergewöhnliche behindernde Witterungseinflüsse jedoch zu keinen weiteren Ansprüchen zwischen den Parteien. Insbesondere muss der Bauherr nicht für gutes Wetter oder auch nur Witterungsschutz sorgen, so dass auch keine Ansprüche des Auftragnehmers wegen Verletzung von Mitwirkungshandlungen des Bestellers gemäß § 642 BGB gegeben sind. Den hierzu geführten juristischen Meinungsstreit hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung nunmehr geklärt (vgl. BGH, Urteil v. 20.04.2017, VII ZR 194/13).

Bei der Vereinbarung der Bauzeit sollten beide Vertragsparteien Realismus walten lassen und nicht nur optimale Witterungsverhältnisse unterstellen. Die Extremwettersituationen der vergangenen Jahre zeigen, dass sich die am Bau Beteiligten in zunehmendem Maße auf ungewöhnliche Witterungsverhältnisse einstellen müssen.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Datum: 01. Mai 2019

Kammerreport April 2019: Aus für die HOAI? / Neue VOB/A gilt

siehe Kammerreport: April 2019

Aus für die HOAI? / Neue VOB/A gilt

Am 28.02.2019 hat der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland, Az. C-377/17 seine Schlussanträge gestellt, wonach die zwingenden Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in Deutschland als europarechtswidrig zu erklären sind.

Nach Auffassung des Generalanwalts verstoßen die Mindest- und Höchstsatzregelungen der HOAI gegen Artikel 15 Abs. 1, Abs. 2 g und Abs. 3 der sogenannten Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG. Diese zwingenden Preisregelungen stellen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit für Diensteerbringer dar. Die durch die Bundesrepublik Deutschland vorgetragene Rechtfertigungsgrundlage, wonach die Mindestsätze einer verbraucherfreundlichen hohen Qualität der in Deutschland erbrachten Architekten- und Ingenieurleistungen dienen würde, wurde als unsubstantiiert verworfen. Der Vortrag der Bundesrepublik Deutschland hierzu beschränke sich auf allgemeine Erwägungen und Vermutungen.

Aller Voraussicht nach wird der EuGH im Sommer dieses Jahres sein Urteil verkünden. In der überwiegenden Zahl der Entscheidungen folgt der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts.

Ein dem Schlussantrag folgendes Urteil würde sich auf die Feststellung der Europarechtswidrigkeit der Mindest- und Höchstsätze in der HOAI beschränken. Die Bundesrepublik Deutschland wäre im Falle eines solchen feststellenden Urteils verpflichtet, die monierten HOAI-Vorschriften aufzuheben bzw. europarechtskonform anzupassen. Die zivilrechtliche Wirksamkeit aller bis dahin auf der Grundlage der HOAI geschlossenen Verträge wäre von einem solchen EuGH-Urteil nicht berührt.

Aufgrund der bloßen Zukunftsgerichtetheit der EuGH-Entscheidung hatte das OLG Naumburg in seinem Urteil vom 13.04.2017, Az. 1 U 48/11 auch eine Aussetzung des dortigen Verfahrens über eine Honorarklage abgelehnt.

Dagegen mit Spannung erwartet werden darf der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH, Az. C-137/18, in dem das Landgericht Dresden sich gehindert sah, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI wegen eines Verstoßes gegen die Anforderungen des Artikel 15 Abs. 3 Dienstleistungsrichtlinie anzuwenden.
Neue VOB/A gilt:
Mit Erlass vom 20.02.2019 hat der Bundesinnenminister die Anwendung des überarbeiteten Abschnitts 1 für den Teil A der VOB, veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 19.02.2019 mit Wirkung ab dem 01.03.2019 angeordnet.

Die kurzfristige Einführung des Abschnitts 1 für die Landesbehörden durch Ministererlass gemäß § 2 Abs. 4 Vergabegesetz M-V ist in Kürze zu erwarten.

Die ebenfalls überarbeiteten Abschnitte 2 und 3 der VOB/A für die EU-weiten Vergaben von Bauaufträgen sowie im Bereich von Verteidigung und Sicherheit werden durch entsprechende statische Verweise in der § 2 VgV und § 2 VSVgV ebenfalls in Kürze erwartet. Der überarbeitete bereits ab dem 01.03.2019 durch die Bundesbehörden anzuwendende Abschnitt 1 der VOB Teil A betrifft die unterschwellige nationale Vergabe von Bauleistungen.

Die Neuerungen in Kürze:

  • Der Vorrang der Öffentlichen Ausschreibung wird zugunsten einer Wahlfreiheit zwischen Öffentlicher Ausschreibung und Beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb eingeführt. Zudem wird das Verfahren der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb detaillierter geregelt.
  • Die Wertgrenzen für die freihändige Vergabe wird auf 100.000,00 € netto und für die beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb auf 1.000.000,00 € netto angehoben. Diese Anhebung ist befristet auf den 31.12.2021 und gilt nur für Bauleistungen zu Wohnzwecken, also zur Schaffung neuen Wohnraums sowie zur Erweiterung, Aufwertung, Sanierung oder Instandsetzung bestehenden Wohnraums.
  • Für den Direktauftrag wird eine Wertgrenze bis zu 3.000,00 € netto eingeführt. Unterhalb dieser Wertgrenze kann eine Bauleistung ohne Vergabeverfahren vergeben werden, wobei die Aufträge zu streuen sind, also zwischen Auftragnehmern zu wechseln ist.
  • Bei Vergaben bis zu einer Wertgrenze von 10.000,00 € netto kann auf einzelne Angaben zur Eignung verzichtet werden, wenn dies durch Art und Umfang des Auftrags gerechtfertigt ist. Von diesem Verzicht nicht betroffen sind die Angaben zur Zuverlässigkeit des Bieters.
  • Weiter kann die Vergabestelle auf die Vorlage von Nachweisen verzichten, wenn sich diese bereits im Besitz der Vergabestelle befinden.
  • Im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs reicht es zukünftig aus, dass die Bewerber ihre Nachweise zunächst in Form von Eigenerklärungen erbringen können. Die Bestätigung der Nachweise soll erst von dem Teilnehmerkreis verlangt werden, die konkret für die Aufforderung zur Angebotsabgabe in Frage kommen. Auch hier gilt die Vereinfachung für die Bieter, darauf hinzuweisen, dass der Vergabestelle die Nachweise für ein anderes Bauvorhaben bereits vorliegen und dass diese noch gültig sind.
  • Zukünftig ist die Abgabe mehrerer Hauptangebote sowohl in sachlich-technischer als auch in preislicher Unterscheidung möglich. Wenn die Vergabestelle nur die Abgabe eines Angebots je Bieter zulassen möchte, muss dies in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen festgelegt werden.
  • Jedes Hauptangebot muss für sich heraus zuschlagsfähig sein, also vollständig sein. Jedes Hauptangebot muss die geforderten leistungsbezogenen Unterlagen enthalten, die unternehmensbezogenen Angaben und Nachweise müssen jedoch nur einmal abgegeben werden.
  • In der Vergabebekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen sind zukünftig die Zuschlagskriterien zu nennen und ggf. deren Gewichtung, sofern deren Gewichtung festgelegt wird.
  • Zukünftig unterliegen auch fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen, wie etwa Produktunterlagen, der Nachforderung.
  • Bezüglich der Nachforderung von Unterlagen kann die Vergabestelle in der Bekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen mitteilen, dass sie keine Unterlagen nachfordern wird.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Datum: 01. April 2019

Kammerreport März 2019: Änderungen im Vergaberecht des Landes Mecklenburg-Vorpommern 2019

siehe Kammerreport: März 2019

Änderungen im Vergaberecht des Landes Mecklenburg-Vorpommern

Das Vergaberecht unterhalb der EU-Schwellenwerte hat sich im Land Mecklenburg-Vorpommern durch die Inkraftsetzung des Vergabegesetzes M-V (VgG M-V), der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und des Vergabeerlasses M-V (VgE M-V) sehr weitgehend geändert. Das VgG M-V wurde mit Wirkung ab 31.07.2018 neu gefasst. Das Gesetz gilt für die Vergaben von Bauleistungen ab einem Auftragswert von mehr als 50.000,00 € und für Vergaben von Liefer- und Dienstleistungen ab einem Auftragswert von mehr als 10.000,00 €. Für Vergaben unterhalb dieser Wertgrenzen gilt das Gesetz nur eingeschränkt im Hinblick auf allgemeine Vergabegrundsätze und Mindestarbeitsbedingungen. Das Vergabegesetz M-V ist auf Vergaben des Landes, der Landkreise, der Ämter und Gemeinden sowie sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes oder der Landkreise unterstehen, mit Ausnahme der Sparkassen, anzuwenden.

Durch die Änderung des Vergabegesetzes wurde – nun endlich – die Einführung der UVgO ab dem 01.01.2019 im Land Mecklenburg-Vorpommern möglich, die für Planungsleistungen in § 50 eine spezielle Regelung enthält. § 50 Satz 1 UVgO verlangt allerdings auch für freiberufliche Leistungen grundsätzlich die Vergabe im Wettbewerb, ohne diesen näher zu definieren. Der öffentliche Auftraggeber kann daher einen etwaigen Wettbewerb im Sinne der allgemeinen Grundsätze des Haushaltsrechts, aber ohne weitere formelle Vorgaben nach der UVgO durchführen.

Gemäß § 3 Abs. 2 VgG M-V wird für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung oder eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb gefordert. Gemäß § 3 Abs. 4 VgG M-V können im Vergabeverfahren auch vergabefremde Aspekte (soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte) berücksichtigt werden. Ferner können gemäß § 5 Abs. 2 VgG M-V auch zusätzliche Anforderungen an den Auftragnehmer gestellt werden, wozu insbesondere auch die Berücksichtigung der Erstausbildung, die Beachtung der Chancengleichheit von Männern und Frauen bei Aus- und Fortbildung oder im beruflichen Aufstieg sowie die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen gehören kann. Eine Ergänzung erhält gemäß § 7 Abs. 4 VgG M-V die Definition der „Lebenszykluskosten“ zu denen nun ausdrücklich auch Unterhaltungs-, Wartungs- und Betriebskosten gehören. Derartige langfristige Folgekosten sind in die Wertung einzubeziehen und können ein wichtiges Entscheidungskriterium sein. Schließlich ist auf die Neubestimmung des vergaberechtlichen Mindestlohns (Mindest-Stundenentgelt) hinzuweisen, der gegenwärtig 9,54 € brutto pro Stunde beträgt und in Zukunft jährlich angepasst werden soll – eine Anpassung ist bereits geplant. Leiharbeitnehmer/-innen sowie Werkvertragsarbeitnehmer/-innen werden ausdrücklich in den Kreis der Begünstigten aufgenommen.

Mit dem ab 01.01.2019 geltenden VgE M-V, abrufbar z.B. unter: www.abst-mv.de, erfolgte eine weitere Konkretisierung der vergaberechtlichen Vorschriften und die Zusammenfassung bisher vereinzelt existierender Vergabevorschriften (z.B. Wertgrenzenerlass, VV zu freiberuflichen Leistungen).

Die Wertgrenzen wurden in Ziff. 1.1 VgE M-V neu bestimmt. So ist die freihändige Vergabe von Bauleistungen bis zu einem Auftragswert von 200.000 € und die Verhandlungsvergabe bei sonstigen Leistungen bis zu einem Auftragswert von 100.000 € zulässig.

Für freiberufliche Leistungen bestimmt Ziffer 2.2.2, dass diese grundsätzlich im Wege der Verhandlungsvergabe vergeben werden können, wobei auch bei Verhandlungsvergaben mehrere – grundsätzlich mindestens 3 – Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen. Dies gilt jedoch nicht, wenn für die Bemessung des Preises eine staatliche Vergütungsordnung (z.B. HOAI) maßgeblich ist. In der Regel wird also für die Vergabe von Planungsleistungen eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb zulässig sein. Allerdings kann die Vergabestelle auch eine öffentliche oder eine beschränkte Ausschreibung durchführen. Eine Vergabestelle, die sich hierzu jedoch verpflichtet fühlt, sollte auf die Möglichkeiten der Verhandlungsvergabe gemäß Ziffer 2.2.3 des Vergabeerlasses hingewiesen werden, der gerade im Bereich der preisgebundenen Planungsleistung die Abfrage nur bei einem Anbieter ausdrücklich zulässt. Planungsleistungen können also faktisch freihändig vergeben werden. Die Einholung von mindestens 3 Angeboten ist in diesen Fällen nicht zwingend erforderlich.

Die Weiterverwendung der Vergabe- und Vertragshandbücher, beispielsweise durch die Straßenbauämter und die BBL, ist im VgE M-V ausdrücklich zugelassen, soweit die dortigen Bestimmungen nicht im Widerspruch zum VgG M-V und dem VgE M-V stehen.

Die zum 01.01.2019 in Kraft getretenen Änderungen des Vergaberechts spielen insbesondere bei der Vergabe von Bauleistungen und von Planungsleistungen eine erhebliche Rolle, so dass eine Befassung mit den neuen Vorschriften für alle am Bau Beteiligten unerlässlich ist.

Rechtsanwalt Jörg Borufka
Rechtsanwaltssozietät WIGU

Datum: 01. März 2019

Kammerreport Januar / Februar 2019: Dachüberstand und Abstandsfläche

siehe Kammerreport: Januar / Februar 2019

Dachüberstand und Abstandsfläche

Dachüberstände sind in Mecklenburg-Vorpommern als sogenannte untergeordnete Bauteile privilegiert und bleiben bei der Berechnung der zur Nachbargrenze einzuhaltenden Abstandsflächen unberücksichtigt. Da der Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben zur zulässigen Breite solcher privilegierten Dachüberstände geregelt hat, bietet dies häufig Anlass zu streitigen Auseinandersetzungen zwischen Bauherrn, Behörden und Nachbarn.

Das Verwaltungsgericht Schwerin hat nun mit Urteil vom 18.10.2018, Az. 2 A 2421/16 entschieden, dass ein Dachüberstand von 1,50 m zzgl. 20 cm Dachrinne zu breit und auf 50 cm inkl. Regenrinne zurückzubauen ist.

Das Verwaltungsgericht legt den § 6 Abs. 6 Nr. 1 Landesbauordnung M-V in der Fassung vom 18. April 2006 einschränkend aus, wonach es nicht Sinn und Zweck dieser Vorschrift wäre, übergroße Dachüberstände im Abstandsflächenrecht zuzulassen.

Zwar sähe der Wortlaut des § 6 Abs. 6 Nr. 1 Landesbauordnung M-V vor, dass die vor die Außenwand vortretenden Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, also abstandsflächenneutral sind. Auch in der Gesetzesbegründung werde zu dieser Vorschrift ausgeführt, dass generell Dachüberstände und Abstandsflächen mit dieser Vorschrift zugelassen werden sollten. In der Gesetzesbegründung wäre jedoch von „untergeordneten Bauteilen“ die Rede. Dies wäre, so das Verwaltungsgericht, bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen, auch wenn der Gesetzgeber die Begrifflichkeit „untergeordnete Bauteile“ nicht in den Gesetzestext übernommen habe.

Bei der Ermittlung der zulässigen Dimensionierung des Dachüberstands als „untergeordnetes Bauteil“ stellt das Verwaltungsgericht darauf ab, dass der Dachüberstand zum einen der Gestaltung des Baukörpers und zum anderen dem Nässeschutz des Sockelbereiches der Fassade diene. Um diese Funktionen zu gewährleisten, reiche nach Auffassung des Verwaltungsgerichts unter Berufung auf die Rechtsprechung des OVG Greifswald ein maximal 50 cm breiter Dachvorsprung aus.

Weitergehende Funktionen des Dachüberstandes, wie bspw. die Schaffung einer überdachten Sitzgelegenheit oder einer Lagerungsmöglichkeit im Sinne eines Raumgewinns habe der Gesetzgeber nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht im Sinn gehabt.

Zu begrüßen ist, dass mit diesem Urteil der Versuch unternommen wurde, Rechtssicherheit zu schaffen. Die bislang offene Frage, bis zu welcher Breite es sich bei einem Dachüberstand noch um ein im Abstandsflächenrecht privilegiertes, untergeordnetes Bauteil handelt, ist nun beantwortet.

Bedenklich stimmt dagegen, dass sich das Verwaltungsgericht nicht nur über den Wortlaut des Gesetzes sondern auch über den Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt und an seiner Stelle eine allgemeingültige zulässige Höchstbreite für den Dachüberstand festgelegt hat. Solches hatte der Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigt. Im Unterschied zu den Vorbauten hat der Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben, insbesondere keine Höchstbreiten für Dachüberstände vorgegeben. Dachüberstände betrachtet der Gesetzgeber vielmehr generell als untergeordnete Bauteile, die keiner näheren Regelung bedürfen. Für diese Lesart sprich auch der Umstand, dass auch in der Neufassung vom 15. Oktober 2015 keine zulässige Höchstbreite für Dachüberstände in § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V aufgenommen wurde.

Dass der Gesetzgeber nur die Funktion des Dachüberstands als Nässeschutz für den Sockel und als Element der Baugestaltung im Sinn gehabt habe, wird in den Urteilsgründen lediglich behauptet, ohne aber einen Beleg dafür zu liefern.

Auch der Rückgriff auf die Rechtsprechung des OVG Greifswald erscheint zweifelhaft, da diese zu Berücksichtigung von Dachüberständen bei der Berechnung der überbaubaren Grundfläche nach BauNVO ergangen ist.

Auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass 50 cm inkl. Dachrinne für die Zwecke der Baugestaltung und für den Nässeschutz am Sockel ausreichen würden, entbehren jeglichen Nachweises in den Urteilsgründen. Beispielsweise für Fachwerkhäuser werden zum Schutz vor Schlagregen durchaus Dachüberstände von mehr als nur 50 cm empfohlen. Ob nur 50 cm Dachüberstand unabhängig von der gewählten Dachform und der gebietstypischen Bauweise eine „augenfällige, markante Gestaltung“ gewährleisten, wie das Verwaltungsgericht ausführt, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Zuzugeben ist dem Verwaltungsgericht, dass die gesetzlich geregelten Ausnahmen zu den nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts, einer eher restriktiven Auslegung bedürfen und der Gesetzgeber hier sicher keine überdimensionierten Dachüberstände im Sinn hatte. Allerdings scheint mir die Begrenzung auf generell 50 cm inkl. Dachrinne doch etwas zu kurz gegriffen. Hier wollte der Gesetzgeber sicher eine flexible, den Umständen des Einzelfalls eher gerecht werdende Regelung schaffen und keine starren Grenzen schaffen, wie jetzt durch das Verwaltungsgericht geschehen.

Auch die Gesetzessystematik wäre näher zu beleuchten gewesen. Der Gesetzgeber hat bei den Ausnahmen in § 6 Abs. 6 LBauO M-V nach den untergeordneten Bauteilen und den Vorbauten unterschieden und nur für letztere Größen-, Längen- und Abstandsbeschränkungen in das Gesetz aufgenommen, offensichtlich weil er davon ausging, dass Vorbauten auch größer ausfallen können und damit nicht mehr als untergeordnete Bauteile anzusehen sind. Insofern dürften die gesetzgeberischen Vorgaben für die Zulässigkeit von Vorbauten in den Abstandsflächen auch Orientierung für die Beurteilung der Zulässigkeit von Dachüberständen bieten. Auch hiernach erscheinen die vom Verwaltungsgericht festgelegten 50 cm nicht gesetzeskonform.

Im Ergebnis ist weder durch den Wortlaut noch durch die Gesetzesbegründung noch durch den Sinn und Zweck der Regelung eine Auslegung überzeugend herzuleiten, die zwingend eine Begrenzung auf 0,50 Meter Dachüberstand ergibt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Insofern bleibt eine Entscheidung des OVG Greifswald abzuwarten. Wir werden berichten.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
BRÜGMANN Rechtsanwälte, Schwerin

Datum: 01. Februar 2019

Recht aktuell - 2018

Kammerreport Dezember 2018: Dachüberstände im Abstandsflächenrecht

siehe Kammerreport: Dezember 2018

Dachüberstände im Abstandsflächenrecht

Im Rahmen unserer für die Mitglieder der Ingenieurkammer erbrachten kostenlosen Rechtsberatung mehren sich Anfragen zur Abstandsflächenrelevanz von Dachüberständen. Vermehrt vertreten Bauämter verschiedener Landkreise die Auffassung, dass Dachüberstände > 0,50 m Abstandsflächenrelevant sind und fordern die Übernahme entsprechender Abstandsbaulasten auf dem Nachbargrundstück. Diese Praxis ist unrichtig und sollte zurückgewiesen werden.

§ 6 Abs. 6 Ziffer 1. LBauO M-V bestimmt eindeutig, dass bei der Bemessung der Abstandsflächen vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände außer Betracht bleiben. Die Bestimmung enthält keine Einschränkung und insbesondere kein Maß der maximalen Auskragung. Damit ist jeder reine Dachüberstand, auch wenn er 0,50 m übersteigt, abstandsflächenneutral.

Hätte der Gesetzgeber einen maximalen Dachüberstand festlegen wollen, hätte er dies im Zusammenhang mit der letzten größeren Änderung der LBauO M-V tun können. Hierauf wurde jedoch bewusst verzichtet. In den Handlungsempfehlungen zum Vollzug der Landesbauordnung M-V (HE LBauO M-V) ist dann auch beschrieben: „Vortretende Bauteile haben Gliederungs- und Gestaltungsfunktion. Ein Dachüberstand ist nicht abstandsflächenrelevant, wenn er ortsbildprägend ist. Unabhängig davon darf ein Dachüberstand keine eigenständige Funktion (z.B. Überdachung eines Stellplatzes) haben.

Soweit sich einzelne Bauämter auf gerichtliche Entscheidungen berufen, sind diese jedenfalls im Land M-V nicht ohne weiteres übertragbar. In einem Urteil des OVG Lüneburg vom 05.09.2007 (Az. 1 LB 43/07) wird der Leitsatz benannt, dass ein Dachvorsprung nur dann als untergeordnet anzusehen ist, wenn er (einschl. Regenrinne usw.) maximale 0,50 cm tief ist. Allerdings beinhaltete die damalige Fassung der niedersächsischen Landesbauordnung in der Tat die Beschränkung auf „untergeordnete Gebäudeteile“, die auch in der dortigen Landesbauordnung zwischenzeitlich weggefallen ist. Insofern gibt es keine starren Begrenzungen mehr.

Von einem abstandsflächenneutralen Dachüberstand kann jedoch keine Rede mehr sein, wenn der Dachüberstand eine eigenständige Funktion, etwa als Terrassenüberdachung, Stellplatzüberdachung oder ähnliches konzipiert und genutzt ist. In diesem Fall fällt die Abstandsflächenprivilegierung weg. Die vorstehende Problematik wurde auch zwischen der Ingenieurkammer M-V und dem zuständigen Ministerium thematisiert. Dieses hat noch in jüngster Vergangenheit bestätigt, dass eine pauschale Abstandsrelevanz bei Dachüberständen, die größer als 0,50 m sind, nicht angenommen werden kann.

Eine andere Frage betrifft diejenige, ob Dachüberstände bei der Bemessung der maximalen Grenzbebauung von 9 m gemäß § 6 Abs. 8 Ziffer 1. LBauO M-V zu berücksichtigen sind. Da das Gesetz hier von der „Gesamtlänge“ des Gebäudes spricht, sind auch die die Gesamtlänge beeinflussenden Dachüberstände im vorderen und hinteren Teil des Gebäudes mit zu berücksichtigen.

RA Jörg Borufka
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Datum: 01. Dezember 2018

Kammerreport November 2018: Baukostenhaftung und kein Ende?

siehe Kammerreport: November 2018

Baukostenhaftung und kein Ende?

In jüngerer Zeit haben sich gleich mehrere Obergerichte mit der Planerhaftung für überschrittene Baukosten beschäftigt.

I.

In dem vom OLG Oldenburg mit Urteil vom 07.08.2018, Az. 2 U 30/18 entschiedenen Fall hatte der Beklagte ein Großprojekt, bestehend aus zwei Bauabschnitten mit 47 Wohneinheiten, Arztpraxen, Tiefgarage und Supermarkt für einen Investor als Renditeobjekt geplant. Auf Anfrage des Investors erstellte der Planer Kostenzusammenstellungen, die wiederum Grundlage der Finanzierungsgespräche des Investors mit seinen Banken bildeten, welche Baukosten von rund 10,5 Mio. EUR auswiesen. Während des Baufortschritts teilte der Planer nur geringfügige Kostenänderungen mit. Nach nahezu Fertigstellung der Gesamtanlage stellte sich heraus, dass rund 1,2 Mio. EUR Mehrkosten entstanden waren. Der Bauherr musste infolgedessen eine Umfinanzierung vornehmen und nimmt den Planer für die Kosten der Umfinanzierung sowie für die Baumehrkosten auf Schadensersatz in Anspruch.

Nachdem die erste Instanz der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang stattgab, hob das OLG Oldenburg auf Berufung des unterlegenen Planers das Grundurteil wieder auf und verwies den Rechtstreit zur erneuten Verhandlung an die erste Instanz zurück und gab hierzu maßgebliche Hinweise:

1. Eine Haftung des Planers für die Einhaltung von Baukosten setzt eine vertragliche Einigung der Parteien über eine Kostenobergrenze im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung voraus. Allein aus der Kenntnis des Planers von dem Zweck und der Verwendung seiner Kostenaufstellung für die Finanzierungsgespräche kann noch nicht auf die Vereinbarung einer Obergrenze im Sinne eines Maximalbetrags, der nicht überschritten werden soll, geschlossen werden.

2. Gleichwohl kommt eine Haftung des Planers in Betracht, wenn die Kostenermittlung zu besonderen Zwecken, wie hier, für die Finanzierungsgespräche des Bauherrn erstellt wird. In diesem Falle trifft den Planer eine gesteigerte Aufklärungspflicht, falls die Kostenangaben zu niedrig bzw. falsch und sie daher für eine Investitionsentscheidung des Bauherrn ungeeignet sind. Im Zuge seiner gesteigerten Aufklärungspflicht ist der Planer verpflichtet, nach dem aktuellen Planungsstand zutreffende Kostenzusammenstellungen mitzuteilen und darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche Kostenermittlung, aus welchen Gründen auch immer, zu niedrig angesetzt war. Tut er es nicht, handelt er pflichtwidrig und macht sich schadensersatzpflichtig.

3. Zu klären ist nach Auffassung des OLG Oldenburg auch, inwieweit zu Gunsten des Planers Toleranzen bei seiner Kostenermittlung durchgreifen, welche im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung durch Vertragsauslegung zu ermitteln sind. Insbesondere stellt sich hier die Frage nach dem Genauigkeitsgrad der geschuldeten Kostenermittlung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Vertrages. Insoweit können die Toleranzrahmen, gerade wenn die Kostenermittlung noch zu Beginn der Planungsphasen erstellt wird, bis zu 30% variieren. Im Einzelfall wird man nach dieser Maßgabe zu prüfen haben, welchen Planungsstand zum Zeitpunkt der Kostenermittlung, erreicht war und zu welchem Genauigkeitsgrad sich der Planer möglicherweise von sich aus verpflichtet hat. Zu seinen Lasten dürften daher Bezeichnungen, wie „vertiefte Kostenschätzung“ oder Zusicherungen, wie „mit erheblichen Abweichungen ist nicht zu rechnen“ etc. führen, da dann der zu erreichende Genauigkeitsgrad steigt und der Toleranzrahmen sinkt. Ähnlich dürfte es den Toleranzrahmen einengen, wenn der Planer von sich aus auf vermeintlich sichere Quellen, wie bspw. auf seine Erfahrungen aus vergleichbaren Submissionen, verweist etc.

4. Bei der Höhe des Schadens wird, so das OLG Oldenburg, immer zu berücksichtigen sein, ob sich infolge der Pflichtverletzung auch Vorteile für den Bauherren ergeben. Die Möglichkeit, wegen der Wertsteigerung des Objektes auch höhere Verkaufspreise für die Wohn- und Gewerbeeinheiten zu erzielen, entfällt allerdings, wenn vor Kenntnisnahme der Kostensteigerungen sämtliche Einheiten bereits veräußert waren. Auch für Einheiten, die im Bestand des Bauherrn verbleiben, führt eine Verkehrswerterhöhung nicht regelmäßig zur Anrechnung eines Vorteils, insbesondere, wenn die Mietverträge nach Vorliegen der Kostenermittlung aber vor Kenntnisnahme der Kostensteigerung bereits langfristig zu festen Mietpreisen vergeben sind.

II.

In dem vom OLG Frankfurt mit Urteil vom 21.01.2016, Az. 11 U 71/14 entschiedenen Fall, das durch BGH – Beschluss über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde vom 25.04.2018, Az. VII ZR 39/16 nunmehr rechtskräftig ist, war der Sachverhalt zunächst klarer.

In dem zugrunde liegenden Planervertrag war ein klares Budget für die zu errichtende Mehrfamilienhausanlage definiert und auch formuliert, dass das Budget im Sinne einer Beschaffenheit gem. § 633 Abs. 2 BGB vereinbart war.

Die Einhaltung des Kostenbudgets war somit vertraglich vereinbartes Vertragsziel. Die Nichteinhaltung stellt mithin eine Pflichtverletzung und zugleich einen Mangel des Bauwerks dar.

Soweit der Planer vorträgt, das vorgegebene Kostenziel war von Anfang an unter Berücksichtigung des ebenfalls vorgegebenen Raumprogramms unmöglich einzuhalten, hätte es zu Vermeidung der Haftung in seiner Hand gelegen, entsprechende Hinweise vor oder bei Vertragsschluss zu geben. Im Falle der Unmöglichkeit, hier zwei Planungsziele gleichermaßen zu erreichen, wird der Planer als Schuldner zwar von der Leistungsverpflichtung frei. Im Gegenzug schuldet er jedoch bei vertreten müssen der Unkenntnis dem Auftraggeber als Gläubiger Schadensersatz gem. § 311 a Abs. 2 BGB.

Planern, die sich in eine solche vertragliche Situation bringen lassen, ist daher nur dringend anzuraten, ihre Bauherren über die nicht mit dem vertraglichen Kostenziel zu vereinbarenden Kostensteigerungen möglichst frühzeitig zu informieren und eine Entscheidung, ob au f dieser neuen Kostengrundlage weitergeplant und ggf. auch gebaut werden soll, abzuverlangen. Wenn der Bauherr dann eine Fortsetzung der Planung des Baus in Kenntnis der Budgetüberschreitung anordnet, könnten darin eine konkludente Genehmigung des neuen Kostenziels liegen.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Datum: 01. November 2018

Kammerreport Oktober 2018: Bemusterung des Auftraggebers weicht vom Leistungsverzeichnis ab – liegt ein Mangel vor?

siehe Kammerreport: Oktober 2018

Bemusterung des Auftraggebers weicht vom Leistungsverzeichnis ab – liegt ein Mangel vor?

Die Beschreibung der Leistung im Leistungsverzeichnis wird Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung und ist zur Ermittlung des geschuldeten Leistungssolls heranzuziehen. Nun kommt es immer mal wieder vor, dass der Auftragnehmer Produkte zur Bemusterung anbietet, die nicht dem Leistungsverzeichnis entsprechen. Es stellt sich dann die Frage, ob das vom Auftraggeber genehmigte und bemusterte Produkt, das vom Leistungsverzeichnis abweicht, vertraglich geschuldet ist und die Ausführung entsprechend der Bemusterung eine mangelfreie Leistung darstellt.

Klar scheint die Sache noch, wenn die Ausführung entsprechend der Bemusterung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Eine Bemusterung oder der Wunsch des Auftraggebers nach einer „sparsamen Renovierung“ kann nicht als Verzicht auf eine vorschriftsgemäße Bauausführung ausgelegt werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 19.01.2005, 1 U 82/00 = BauR 2005, 1937).

Auch wenn das bemusterte Produkt grundsätzlich geeignet, das konkrete Material jedoch mangelhaft ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Bemusterung auf mangelfreies Material bezieht und Mängel des konkreten Materials damit vom Auftraggeber nicht akzeptiert sind (vgl. OLG Nürnberg, Urteil v. 02.02.2005, 6 U 2794/04 = IBR 2006, 251).

Selbst dann, wenn das bemusterte Produkt grundsätzlich geeignet und das gelieferte Material auch mangelfrei ist, kann der Einbau des bemusterten Materials jedoch ein Mangel sein, wenn die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht eingehalten werden. In einem vom OLG Braunschweig entschiedenen Fall sollte eine punktförmige Siebbedruckung der Fenster innen angebrachte Sonnenschutz-Jalousien verdecken. Der Auftragnehmer übermittelte drei Muster der Bedruckung, zeigte diese dem Bauherrn vor Ort und faxte sie zusätzlich dem Architekten. Beide gaben das Muster frei. Nun zeigte sich, dass die bedruckten Punkte nicht geeignet waren, die Jalousien zu verdecken. Nach der Entscheidung des OLG Braunschweig stellte die Bemusterung und Freigabe keine Abänderung der vertraglichen Vereinbarung dar. Trotz der Bemusterung durch den Auftraggeber hatte der Auftragnehmer also mangelhaft geleistet, weil die Jalousien abweichend vom Leistungsverzeichnis nicht verdeckt wurden (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss v. 01.12.2006, 8 U 182/05 = IBR 2007, 1210).

Diese Rechtsprechung wurde durch den BGH bestätigt. In einem nicht selten vorkommenden Fall der Bemusterung von Fliesen wiesen die bemusterten Fliesen eine Abweichung vom Leistungsverzeichnis auf. Entgegen der Beschreibung im Leistungsverzeichnis wichen die bemusterten Podestfliesen von den bereits verlegten Stufenfliesen farblich ab und wiesen nicht die vorgegebene Rutschfestigkeitsklasse R9 auf. Außerdem war keine keramische Oberflächenvergütung vorhanden, die jedoch die Stufenfliesen hatten. In der Folge kam es zu farblichen Abweichungen und höherem Reinigungsaufwand der Podestfliesen. Das OLG Schleswig hat, bestätigt vom BGH, einen Mangel bejaht, obwohl der Auftraggeber und der Architekt die Podestfliesen bemustert und ausdrücklich freigegeben haben (OLG Schleswig, Urteil v. 18.08.2017 – 1 U 11/16; BGH, Beschluss v. 05.06.2018, VII ZR 200/17).

Die Bemusterung stellt also weder eine Ausführungsanordnung des Auftraggebers dar noch führt sie gar zu einer Veränderung des vertraglich geschuldeten Leistungsinhalts. Wenn der Auftraggeber also Material bemustert, das nicht dem Leistungsverzeichnis entspricht, ist der Auftragnehmer gehalten, ausdrücklich auf die Abweichung hinzuweisen, selbst wenn das Produkt grundsätzlich geeignet ist und der Einbau den anerkannten Regeln der Technik entspräche. Wenn dann trotz dieses Hinweises eine Vereinbarung über die Änderung der Materialbeschaffenheit herbeigeführt wird, ist der Auftragnehmer aus der Haftung – aber eben auch nur dann.

Ausnahmsweise kann die Bemusterung jedoch dem Leistungsverzeichnis dann vorgehen, wenn im Leistungsverzeichnis selbst die Konkretisierung der Leistung im Rahmen der Bemusterung vorgesehen ist. In diesem Fall ist von vornherein vertraglich vereinbart, dass die Bestimmung des Leistungssolls im Rahmen der Bemusterung stattfindet. Entspricht die Bauausführung dann der Bemusterung, ist sie mangelfrei, selbst wenn von der Leistungsbeschreibung des Leistungsverzeichnisses abgewichen wird (OLG Bremen, Urteil v. 16.03.2012 – 2 U 94/09).

Der beratende Planer sollte im Rahmen der Bemusterung Wert darauf legen, dass das bemusterte Produkt den vertraglichen Vorgaben entspricht, um Widersprüche zwischen Bemusterung und Leistungsverzeichnis erst gar nicht aufkommen zu lassen. Kommt es nämlich nach den beschriebenen Grundsätzen infolge der Bemusterung zu einer mangelhaften Bauausführung, so haftet letztlich auch der Planer, und zwar unabhängig davon, ob er in die Bemusterung einbezogen wurde oder nicht.

Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU - Schwerin

Datum: 01. Oktober 2018

Kammerreport September 2018: Nachträgliche „Ohne-Rechnung-Abrede“ führt zur Gesamtnichtigkeit!

siehe Kammerreport: September 2018

Nachträgliche „Ohne-Rechnung-Abrede“ führt zur Gesamtnichtigkeit!

In dem vom OLG Hamm, Az. 12 U 115/16 zu entscheidenden Fall hatten die Parteien zunächst völlig ordnungsgemäß einen Planervertrag für die Leistungsphasen 1 bis 7 der Objektplanung miteinander geschlossen.

Der Planer legte auch entsprechende Rechnungen, vergaß jedoch bei der Schlussrechnung, dass er während der Bauphase über einen vergleichsweisen geringeren Teilbetrag von 5.000,00 EUR keine gesonderte Rechnung gelegt hat bzw. diesen Betrag auch nicht im Rahmen der Schlussrechnungslegung als Abschlagszahlung aufführte.

Die ohne das Verlangen einer Barzahlung von Architektenhonorar ohne Rechnungsstellung und Entgegennahme dieses Geldes verstößt gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG mit der Folge, dass Gesamtnichtigkeit des Planervertrages gem. § 134 BGB eintritt. Es komme dabei nicht darauf an, dass die Parteien zunächst bei Abschluss des Planervertrages noch keine „Ohne-Rechnung-Abrede“ getroffen hatten, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Das Gericht stellt darauf ab, dass es in der Praxis gar nicht so selten ist, dass die Schwarzgeldabrede erst nach dem eigentlichen Vertragsschluss zwischen den Parteien getroffen wird. Dies führt zu der Notwendigkeit, die Nichtigkeitsfolge aus der Verletzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes auch in diesen Fällen eintreten zu lassen.

Bei dem Planervertrag handelt es sich auch um einheitliches Rechtsgeschäft. Insofern ist auch der Gesamtvertrag von der Nichtigkeitswirkung erfasst. In dem konkreten Fall hatte der Bauherr, der hier eigentlich Schadensersatz wegen fehlerhafter Planungsleistungen einklagen wollte, zur Rettung des Gesamtvertrages behauptet, dass die 5.000,00 EUR für die nachträgliche gesonderte Beauftragung der Leistungsphase 8 gedacht waren. Diesen Beweis konnte er allerdings nicht führen.

Somit ist auch die Zahlung nur eines Teilbetrages auf der Grundlage einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ für beide Vertragsparteien in den Folgen drastisch. Der Auftraggeber und Bauherr verliert damit sämtliche Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Architekten. Wenn der Architekt noch offenes Honorar aus dem Vertrag verlangen will, verliert er ebenfalls alle Zahlungsansprüche aufgrund der Nichtigkeitsfolge.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Datum: 01. September 2018

Kammerreport Juli / August 2018: No risk no fun – schadensträchtige Planungen und deren Folgen

siehe Kammerreport: Juli / August 2018

No risk no fun – schadensträchtige Planungen und deren Folgen

Die Anforderungen, die ein Bauvorhaben oder der Bauherr an die Planung stellen, erfordern oft kreative Lösungen. Diese sind nicht immer mit Standardlösungen zu finden. Es entspricht guter Ingenieurstradition, mit Kreativität auch besondere Lösungen in besonderen Situationen zu finden. Jede Abweichung vom Normalprogramm birgt jedoch auch Risiken, so dass der planende Ingenieur insbesondere beim Einsatz schadensträchtiger Konstruktionen eine erhöhte Sorgfaltspflicht zu erfüllen hat, und zwar auch dann, wenn die Konstruktion den anerkannten Regeln der Technik entspricht.

In einem vom Landgericht Würzburg zu entscheidenden Fall plante der Ingenieur, beauftragt mit den Leistungsphasen 5 bis 8, eine nicht belüftete Dachkonstruktion. Die Planung einer solchen Dachkonstruktion stellt grundsätzlich keinen Planungsfehler dar, denn eine solche Konstruktion entspricht – freilich bei mangelhafter Ausführung – den anerkannten Regeln der Technik.

Gleichwohl kam es schon nach kurzer Zeit zu einem massiven Schimmelbefall. Der im Prozess beauftragte Sachverständige stellte mehrere Ursachen für den Schimmelbefall fest. Zum einen betrug der Restfeuchtegrad des Holzes mehr als 12%. Beim Einbau der Trockenbauwände im Dachgeschoss wurden Dampfsperren beschädigt. Außerdem wurden die Anschlüsse an die Dampfsperre handwerklich schlecht ausgeführt. Zur Schadenssanierung wurde dann ein teilhinterlüftetes Dach – deutlich teurer als die schadhafte Konstruktion - errichtet. Die Bauherren verlangten vom Planer die Kosten der Sanierung. Dieser bestritt einen Planungs- und einen Bauüberwachungsfehler und berief sich darauf, die erhöhten Kosten des teilhinterlüfteten Daches seien „Sowieso-Kosten“. Das Landgericht Würzburg gab den Bauherren Recht (LG Würzburg, Urteil v. 04.05.2018 – 64 O 2504/14) und verurteilte den Planer zur Tragung der Sanierungskosten.

Das Gericht hat dabei mehrere Fehler des Planers benannt, die zur Haftung führten:

- Das Gericht stellte fest, dass die Planung einer nicht belüfteten Dachkonstruktion zwar nicht per se fehlerhaft, diese Konstruktion jedoch im Hinblick auf Feuchtigkeitsschäden risikobehafteter sei. Deshalb muss der Planer auf diese Risiken hinweisen. Insbesondere muss die Planung jedoch so detailliert und genau sein, dass eine mangelfreie Herstellung gewährleistet ist. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auch auf die Kenntnisse, die von einem ausführenden Unternehmen zu erwarten sind. Im vorliegenden Fall habe der Planer jedoch pflichtwidrig dadurch gehandelt, dass er keine besonderen Anforderungen an die Holzfeuchte gestellt hat, mithin in der Ausschreibung nicht eine Restfeuchte von max. 12% gefordert hat. Dieser Planungsfehler war nach Auffassung des Gerichts für den Schimmelpilzbefall jedenfalls mit ursächlich.

 

- Als weitere Ursache benannte das Gericht Mängel der Bauüberwachung. Bei einer risikobehafteten Dachkonstruktion ergeben sich auch erhöhte Anforderungen an die Bauüberwachung. Die Überwachungstätigkeit muss bei kritischen Baumaßnahmen im Bereich der Ausführung dann besonders intensiv sein, wenn erfahrungsgemäß ein hohes Risiko mangelhafter Ausführung besteht. Bei ordnungsgemäßer Wahrnahme der Bauüberwachungspflichten hätte der Planer sowohl den Einbau zu feuchter Hölzer wie auch die Beschädigungen der Dampfsperre erkennen können. Der Eintritt des Schadens und das Vorliegen von Ausführungsfehlern ergeben einen Anscheinsbeweis auch für Pflichtverletzungen im Bereich der Bauüberwachung.

Im Ergebnis musste der planende Architekt die erhöhten Sanierungskosten übernehmen, weil ihm Pflichtverletzungen sowohl bei der Planung als auch der Bauüberwachung angelastet wurden. Besonders bitter für den Planer: Da eine nicht hinterlüftete Dachkonstruktion zwar schadensanfälliger, jedoch eine mangelfreie Herstellung dieser Konstruktion grundsätzlich möglich ist, schuldet der Planer eine mangelfreie nicht hinterlüftete Dachkonstruktion und kann die Kosten einer teilhinterlüfteten Dachkonstruktion nicht als „Sowieso-Kosten“ den Bauherrn auferlegen, da diesen hieraus keine Vorteile erwachsen.

Gut gemeint ist also nicht gut gemacht: Der Planer, der im Interesse der Bauherrn eine günstige Dachkonstruktion wählte, hat sich gerade hierdurch selbst erhebliche Probleme geschaffen, da die zwar billigere, jedoch risikoträchtigere Ausführung ihn zu erheblichen Mehranstrengungen im Bereich der Planung und Bauüberwachung verpflichtete. Hätte der Planer geahnt, wie die Sache läuft, hätte er von vornherein eine teurere teilhinterlüftete oder vollhinterlüftete Dachkonstruktion gewählt und den Bauherren vorgeschlagen.

Drum prüfe, wer im Interesse des Bauherrn eine günstigere aber schadensträchtigere Konstruktion vorschlägt, ob er dies haftungsrechtlich für sich verantworten kann.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Datum: 01. August 2018

Kammerreport Juni 2018: Mauern nützt nichts - AG muss das auf Basis geschätzter anrechenbarer Kosten ermittelte Honorar zahlen

siehe Kammerreport: Juni 2018

Mauern nützt nichts - AG muss das auf Basis geschätzter anrechenbarer Kosten ermittelte Honorar zahlen

Ingenieure, die bspw. erst ab der Leistungsphase 5 mit der Ausführungsplanung bei der Gebäudeplanung beauftragt werden oder Fachplaner, wie der Tragwerksplaner, sind darauf angewiesen, dass ihnen für die Erstellung einer prüfbaren Honorarschlussrechnung die zugrundezulegenden anrechenbaren Kosten für die Kostengruppen 300 und 400 gemäß DIN 276 durch den Bauherrn mitgeteilt werden. Bei finanziell „klammen“ oder schlicht zahlungsunwilligen Bauherren kommt es durchaus vor, dass diese die nötigen Auskünfte verweigern, um damit vermeintlich Zahlungsverpflichtungen gegenüber den hierbei angefallenen Ingenieurhonoraren hinauszuschieben.

Das zunächst auf der Hand liegende probate Mittel für den betroffenen Ingenieur wäre, eine Auskunfts- bzw. Stufenklage gegen den Bauherrn zu erheben und im Falle der Klagstattgabe und Titulierung durch ein Urteil ggf. mit Hilfe von Zwangsmitteln die benötigten Informationen von dem Bauherrn zu erlangen.

Das OLG Hamm, Az. 17 U 100/15 hat mit seiner jüngsten öffentlichen Entscheidung vom 06.03.2017 im Anschluss an OLG Düsseldorf IBR 1999, 426 und BGH BauR 1995, 126, 128 dem dort betroffenen Tragwerksplaner das Recht zugebilligt, seine Honorarrechnung auf der Grundlage geschätzter Kosten erstellen zu dürfen, also gleich auf Zahlung zu klagen.

Voraussetzung ist aber, dass die geschätzten Kosten schlüssig und plausibel sind, bspw. auf der Basis des Produkts des Rauminhaltes des geplanten Baukörpers und der durchschnittlichen Baukosten pro cbm errechnet werden. Es reicht in diesem Falle nicht aus, wenn der verklagte Bauherr die geschätzten anrechenbaren Kosten einfach bestreitet. Der Bauherr ist dann prozessual vielmehr gezwungen, durch Vorlage von Unterlagen konkret Stellung zu nehmen. Ggf. wird dann der Bauherr bei zu hoch geschätzten anrechenbaren Kosten gezwungen, am Ende doch die benötigten Informationen über die anrechenbaren Kosten herauszugeben.

Insoweit empfiehlt es sich, innerhalb der zulässigen sorgfältig ermittelten Bandbreite möglichst hohe anrechenbare Kosten zugrunde zu legen. Anderenfalls wird der in Anspruch genommene Bauherr ggf. die Honorarabrechnung auf Grundlage zu niedrig geschätzter Kosten akzeptieren und schlicht bezahlen bzw. im Prozess nicht weiter bestreiten.

Wer das Prozesskostenrisiko zu hoch geschätzter anrechenbarer Kosten für die Honorarermittlung vermeiden will, bleibt dagegen auf den langen Weg der Auskunfts- kombiniert als Stufenklage verwiesen.

Schlüssige Abnahme von Planungs-/ Fachplanerleistungen

Die Abnahme ist sowohl für die Fälligkeit der Honorarschlussrechnung gem. § 15 Abs. 1 HOAI als auch für den Beginn der 5jährigen Gewährleistungsfrist für Planungsfehler gem. § 634 a Abs. 2 BGB von zentraler Bedeutung. Unter Abnahme versteht man die körperliche Entgegennahme eines Werkes durch den Auftraggeber verbunden mit dessen Billigung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgerecht erbrachte Leistung. Die Abnahme kann sowohl ausdrücklich in Form einer förmlichen Abnahme als auch durch schlüssiges oder auch konkludent genanntes Verhalten des Auftraggebers erfolgen. Mit seiner Entscheidung vom 02.01.2018, Az. 7 U 90/17 hat das OLG Schleswig die wichtigsten Fallkonstellationen für eine schlüssige Abnahme zusammengefasst dargestellt. Eine konkludente Abnahme kann grundsätzlich vorliegen, wenn der Auftragnehmer aus dem Verhalten des Auftraggebers nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte schließen konnte und durfte, dass der Auftraggeber seine Leistungen als frei von wesentlichen Mängeln billige.

Wichtigste Fallgruppen sind:

  • die vorbehaltslose Zahlung der Schlussrechnung oder
  • die Inbenutzungsnahme des fertiggestellten Bauwerks nach Ablauf eines angemessenen Prüfungszeitraums, ohne dass Mängel gerügt werden.

Beide Fallgruppen setzen voraus, dass die Planerleistungen im Wesentlichen fertiggestellt sind. Im Zusammenhang mit dem angemessenen Prüfungszeitraum stellt der BGH auf die Umstände des Einzelfalls ab. Dieser kann je nach Konstellation zwischen 3 bis 6 Monaten betragen (s.a. BGH Urteil vom 26.09.2013, Az. VII ZR 220/12 sowie BGH Urteil vom 25.02.2010, VII ZR 64/09).

Um verbleibende Unwägbarkeiten bei der Feststellung der Voraussetzungen für eine konkludente Abnahme zu entgehen, empfiehlt es sich aber nach wie vor, für Planungs- und Fachplanerleistungen eine förmliche Abnahme von dem Auftraggeber zu verlangen. Die förmliche Abnahme kann selbst dann Gültigkeit für sich beanspruchen, wenn die Abnahme trotz noch nicht fertiggestellter Leistungen, also verfrüht erfolgt.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Datum: 01. Juni 2018

Kammerreport Mai 2018: Übergang von Leistungsphase 8 zu Leistungsphase 9: Teilabnahme und gesamtschuldnerische Haftung mit bauausführenden Unternehmen

siehe Kammerreport: Mai 2018

Übergang von Leistungsphase 8 zu Leistungsphase 9: Teilabnahme und gesamtschuldnerische Haftung mit bauausführenden Unternehmen

Die Beauftragung aller Leistungsphasen, einschließlich der Leistungsphase 9, führte in der Vergangenheit zu erheblichen Nachteilen des Ingenieurs. Der relativ geringen Vergütung der Leistungsphase 9 stand nicht nur ein zum Teil erheblicher Aufwand gegenüber. Als besonders nachteilig erwies sich, dass die Gewährleistungsfrist für alle Planungsleistungen erst mit Abschluss der Leistungsphase 9 und damit regelmäßig erst nach Ende der Sachmängelhaftungsfrist der bauausführenden Unternehmen begann. Der Ingenieur haftete also 10 Jahre nach Fertigstellung des Bauvorhabens sowohl für eigene Planungsmängel als auch für etwaige Bauüberwachungsmängel. Auf diese Weise konnten Baumängel aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung möglicherweise gegenüber dem Ingenieur noch geltend gemacht werden, obwohl der Bauunternehmer längst aus der Sachmängelhaftungsfrist raus war. Vorausschauende Ingenieure vereinbarten daher bereits in der Vergangenheit eine Teilabnahme nach der Leistungsphase 8.

Mit der gesetzlichen Neuregelung des Bauvertragsrechts zum 01.01.2018 hat der Gesetzgeber den Anspruch auf Teilabnahme nunmehr in § 650s BGB gesetzlich geregelt. Danach kann der Ingenieur nach Abnahme der letzten Bauleistung eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Planungsleistungen einschließlich der Bauüberwachungsleistungen verlangen. Das Recht auf Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 muss also nicht mehr vertraglich vereinbart sein. Allerdings muss der Ingenieur die Teilabnahme aktiv geltend machen und vom Auftraggeber verlangen. Wird die Teilabnahme nicht verlangt, beginnt die Gewährleistungsfrist erst nach Erbringung aller vertraglichen Leistungen. Sollte der Auftraggeber die Teilabnahme verweigern, steht dem Architekten das Zustandsfeststellungsverfahren gemäß § 650g BGB zur Seite.

Die gesamtschuldnerische Haftung des bauüberwachenden Ingenieurs hat mit Einführung des § 650t BGB eine weitere Einschränkung erfahren. Der Ingenieur hat nämlich wegen eines Überwachungsfehlers ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn auch das ausführende Unternehmen für den aufgetretenen Mangel haftet und der Auftraggeber diesem noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Eine Klageerhebung des Auftraggebers ist jedoch nicht notwendig. Verweigert der Bauunternehmer also die Nachbesserung oder äußert er sich überhaupt nicht, erlischt das Leistungsverweigerungsrecht des Ingenieurs.

Sowohl die gesetzlich geregelte Teilabnahme als auch die Einschränkung der gesamtschuldnerischen Haftung des bauüberwachenden Ingenieurs neben dem Bauunternehmer sind ein Schritt in die richtige Richtung, wird jedoch die Inanspruchnahme des Ingenieurs für Bauüberwachungsfehler nicht vollständig verhindern. Als entscheidender Tipp für Ingenieure, insbesondere wenn sie bis zur Leistungsphase 9 beauftragt sind, ist jedoch, in jedem Fall die Teilabnahme gemäß § 650s BGB vom Auftraggeber zu verlangen, wenn die letzte Leistung des bauausführenden Unternehmens abgeschlossen ist. Unmittelbar nach der Bau-Endabnahme sollte also das Verlangen nach der Teilabnahme der Planungsleistungen gegenüber dem Auftraggeber erfolgen.

Die gesetzliche Neuregelung hat die Nachteile der gesetzlichen Nachhaftung also etwas abgemildert und mag dazu beitragen, die Leistungsphase 9 wieder als interessantes Leistungsfeld des Ingenieurs in den Blick zu nehmen. Dazu beitragen kann ggf. eine Vereinbarung eines leistungsgerechten Honorars oberhalb der Mindestsätze für diese zum Teil aufwändige Tätigkeit.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Datum: 01. Mai 2018

Kammerreport April 2018: Änderung der BGH-Rechtsprechung: Kein fiktiver Schadensersatz bei fehlender Mangelbeseitigung!

siehe Kammerreport: April 2018

Änderung der BGH-Rechtsprechung: Kein fiktiver Schadensersatz bei fehlender Mangelbeseitigung!

Bislang konnte der Auftraggeber wählen, den Schaden für nicht beseitigte Baumängel entweder im Wege der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der hergestellten Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sachen mit Mangel als Minderwert zu ermitteln oder aber bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit einen Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend zu machen, und zwar auch, wenn dieser den Minderwert im Vermögen des Auftraggebers überstieg.

Die zweite Variante hat der BGH mit Urteil vom 22. Februar 2018, Az.: VII ZR 46/17 für das Werkvertragsrecht aufgegeben.

Der Auftraggeber, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigt, hat keinen Vermögensschaden in Höhe der nur fiktiven Aufwendungen. Ein Vermögensschaden entsteht erst dann, wenn der Mangel beseitigt ist und die Kosten hierfür beglichen sind. Die Abrechnung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten hält der BGH unter dem Gesichtspunkt der Gefahr einer Überkompensation des Schadens nicht mehr für gerechtfertigt. Der Schaden kann deshalb in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Gewerkes für einen nicht beseitigten Mangel geschätzt wird. Die volle Vergütung bildet insofern den Maximalwert für eine solche Minderung. Die Höhe der Minderung berechnet sich beispielsweise anhand der Vergütungsanteile, die auf die mangelhafte Leistung entfallen. Lässt der Auftraggeber den Mangel beseitigen, so steht ihm ein Schadenersatzanspruch in Höhe der aufgewendeten Mängelbeseitigungskosten zu. In diesem Falle muss sich der Auftraggeber mit Ausnahme der Fälle der Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen nicht auf den geringeren Minderwert verweisen lassen. Ggf. kann der Auftraggeber auch auf Befreiung von den für die Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten klagen. Mit dieser Änderung der Rechtsprechung ist der Auftraggeber nicht schlechter gestellt. Dem Auftraggeber verbleibt die Möglichkeit, auf Kostenvorschuss zur notwendigen Mängelbeseitigung zu klagen, wenn er nicht in die Vorfinanzierung gehen will.

Diese Rechtsprechung gilt auch für die Haftung für Planungs- und Überwachungsfehler. Im Falle des mangelursächlichen Planungs- und/oder Bauüberwachungsfehlers geht es ohnehin um einen Mangelfolgeschaden, da eine Nacherfüllung nicht mehr möglich ist. Die sich bereits am Bauwerk verwirklichten Baumängel können durch Nacherfüllung der Planungs- bzw. Bauüberwachungsleistungen nicht mehr beseitigt werden. Auch im Verhältnis zum Planer- bzw. Bauüberwacher gelten die vorstehenden Grundsätze, wonach die Schadensbemessung sich nach den Dispositionen des Auftraggebers zur Schadensbeseitigung richtet. Insbesondere ist dabei der Gesichtspunkt der Vermeidung einer Überkompensation des Schadens maßgeblich.

Hiernach gilt bei der Haftung für mangelursächliche Planungs- und/oder Bauüberwachungsfehler folgendes:

1. Bei Nichtbeseitigung des Mangels durch den Auftraggeber

a) kann der Schaden wahlweise nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu einem hypothetischen Wert des Bauwerkes bei mangelfreier Planungs-/ Bauüberwachungsleistung bemessen werden, im Falle einer Veräußerung des Objektes nach dem konkreten Mindererlös.

b) oder der Schaden kann ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung der mangelbedingte Minderwert des Bauwerks ermittelt werden. Diesen hat auch der Bauüberwacher bzw. Bauplaner als Schaden zu ersetzen.

2. Bei Beseitigung des Mangels am Bauwerk des Auftraggebers

a) kann er die von ihm aufgewendeten Kosten als Schaden ersetzt verlangen. Bis zur Begleichung der Kosten kann der Auftraggeber von dem Planer/Bauüberwacher Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten zur Mängelbeseitigung verlangen.

b) Ergänzend hierzu billigt der BGH dem Auftraggeber auch gegenüber dem Bauplaner/Bauüberwacher einen Anspruch auf Gewährung eines Vorschussanspruches zur Mängelbeseitigung zu, wenn beabsichtigt ist, die Baumängel zu beseitigen. Insofern schuldet der in Anspruch genommene Planer/Bauüberwacher vorherige Zahlung in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten als zweckgebundenen und abzurechnenden Betrag an den Auftraggeber.

Fazit:

Informieren Sie in allen laufenden Schadensersatzangelegenheiten, bei denen noch keine Mängelbeseitigung durch den Auftraggeber erfolgt ist, umgehend Ihre Anwälte und Versicherungen von dieser Entscheidung. Der nach der neuen BGH- Rechtsprechung vom Auftraggeber nur noch zu beanspruchende Minderwert wird in den meisten Fällen deutlich unter den fiktiven Mängelbeseitigungskosten liegen. Zwar kann der klagende Auftraggeber auch ohne Ihre Zustimmung als Prozessgegner die Klage von Schadensersatz auf Kostenvorschuss umstellen. Im Falle Ihrer Verurteilung zur Zahlung eines Kostenvorschusses muss der Zahlbetrag aber zweckgebunden in der Regel binnen Jahresfrist für die Mängelbeseitigung vom Auftraggeber verwendet und abgerechnet werden. Anderenfalls kann er nur den Minderwert behalten und muss den überschießenden, nicht verbrauchten Kostenvorschuss wieder zurückzahlen. Viele Auftraggeber werden diese Rechtsfolge möglicherweise scheuen und werden nur noch den Minderwert als Schaden weiterverfolgen.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Datum: 01. April 2018

Kammerreport März 2018: Die neue Zielfindungsphase – Was ist das und was ist zu tun?

siehe Kammerreport: März 2018

Die neue Zielfindungsphase – Was ist das und was ist zu tun?

Ab dem 01.01.2018 besteht die Kardinalpflicht des Ingenieurs gemäß § 650p Abs. 2 BGB, eine Planungsgrundlage zur Ermittlung der Planungs- und Überwachungsziele nebst Kosteneinschätzung zu erstellen, um den Bauherrn in die Lage zu versetzen, seine Vorstellungen und deren finanzielle Umsetzbarkeit zu definieren. Liegen die vereinbarten Planungsziele bereits vor, entfällt die Zielfindungsphase. Fehlt eine Kosteneinschätzung, ist diese vom Ingenieur jedoch noch zu liefern. In neu abzuschließenden Ingenieurverträgen sollte eine besondere Vergütung für die Zielfindungsphase vereinbart werden. Alternativ kann auch ein Vertrag nur über die Bearbeitung der Zielfindungsphase abgeschlossen werden.

Zunächst wird der Ingenieur den Bedarf und die Wünsche des Bauherrn zu ermitteln haben. Hierauf aufbauend ist die Planungsgrundlage zu erstellen. Der Gesetzgeber spricht von „Skizzen und einer Beschreibung des planerischen Vorhabens“, deren Tiefe von den Bedürfnissen des Bauherrn abhängt. Je genauer und detaillierter die Planungsvorstellungen des Bauherrn sind, desto geringer sind die Anforderungen an die Leistung des Planers. Insofern können auch handgefertigte Skizzen und stichpunkthafte Beschreibungen ausreichend sein. Eine „Kosteneinschätzung“ muss keine Kostenschätzung nach DIN 276 sein, jedoch müssen die voraussichtlichen Kosten des zu verwirklichenden Objekts mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt und in der gebotenen Genauigkeit benannt werden. Eine Kostenschätzung nach DIN 276 wird diesen Anforderungen regelmäßig genügen.

Die Arbeitsergebnisse der Zielfindungsphase sind dem Bauherrn schriftlich oder elektronisch zu übermitteln. Ist der Bauherr ein Verbraucher, ist er über das Sonderkündigungsrecht gemäß § 650r BGB zu belehren, etwa nach folgender Formulierung:

„Wir übersenden Ihnen hiermit die gemäß § 650p Abs. 2 BGB erarbeitete Planungsgrundlage nebst Kosteneinschätzung mit der Bitte um Erteilung Ihrer Zustimmung. Die Erteilung Ihrer Zustimmung erbitte ich in einer Frist von 3 Wochen ab Zugang der Planungsgrundlage. Ich bitte Sie, die Zustimmung schriftlich oder in Textform zu übermitteln. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie das Recht haben, den zwischen uns bestehenden Ingenieurvertrag binnen 2 Wochen nach Zugang dieser Nachricht zu kündigen. Im Falle der Kündigung sind wir nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt.“

Die Belehrung ist bei Verbrauchern zwingend notwendig, um die Frist in Gang zu setzen. Anderenfalls kann der Bauherr das Kündigungsrecht auch noch später ausüben, so dass dann die Vergütung für weitere erbrachte Planungsleistungen in Gefahr ist.

Mit Zustimmung erlischt das Kündigungsrecht, so dass diese nachweisbar (schriftlich oder Textform) gestaltet sein sollte. Außerdem gilt die Planungsgrundlage nunmehr als vereinbart. Alternativ kann der Bauherr von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen – dies bedarf keiner Begründung. Das Kündigungsrecht erlischt zwei Wochen nach Zugang der Planungsgrundlage, bei Verbrauchern jedoch nur bei ordnungsgemäßer Belehrung über die Frist. Der Vertrag kann auch vom Ingenieur gekündigt werden, wenn der Bauherr die Zustimmung verweigert oder innerhalb der gesetzten Frist keine Erklärung zu den Unterlagen abgibt.

Soweit eine der Parteien kündigt, kann der Ingenieur die Vergütung für erbrachte Leistungen verlangen. Vorzugswürdig ist es, wenn eine besondere Vergütung für den Fall der Beendigung des Vertrages nach der Zielfindungsphase im Vertrag vorgesehen ist. Anderenfalls wird man eine Vergütung in Anlehnung an die Leistungsphasen der HOAI unter Zugrundelegung des Bearbeitungsaufwandes zu ermitteln haben.

Ist die Zielfindungsphase ohne Kündigung durchlaufen, tritt der Architekten- und Ingenieurvertrag in die Ausführungsphase ein. Erteilt der Bauherr seine Zustimmung nicht vorbehaltlos, ist die Planungsgrundlage ggf. an die neuen Wünsche des Bauherrn anzupassen und nochmals zur Zustimmung zu unterbreiten. Erfreulicher Effekt der Zielfindungsphase wird sein, dass einer uferlosen Ausdehnung der vergütungsfreien Akquisitionsleistung ein Riegel vorgeschoben wird.

Die Nichtbeachtung der Pflichten in der Zielfindungsphase kann zu erheblichen Risiken für Ingenieure führen, insbesondere dazu, dass in einer wesentlich späteren Planungsphase noch Kündigungsrechte geltend gemacht oder Schadenersatzansprüche behauptet werden, weil die Zielfindungsphase nicht ordnungsgemäß bearbeitet wurde. Es ist daher anzuraten, die Zielfindungsphase als besondere Tätigkeitsphase ernst zu nehmen, mit der Übersendung der Planungsgrundlage eine Zäsur zu setzen und die Zustimmung des Bauherrn vor der Weiterplanung abzuwarten.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Datum: 01. März 2018

Kammerreport Januar / Februar 2018: Fallstrick Schriftformgebot in der HOAI

siehe Kammerreport: Januar / Februar 2018

Fallstrick Schriftformgebot in der HOAI

Mit Beschlüssen vom 31.08.2016 und 19.12.2016 zum Az. 17 U 81/16 hatte das OLG Hamm über die Frage der Nichteinhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses gemäß § 7 Abs. 1 HOAI i.V.m. § 126 BGB für eine Pauschalhonorarvereinbarung jenseits der Mindestsätze der HOAI zu befinden. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH in einer am 19.07.2017 ergangenen Entscheidung, Az.: VII ZR 13/17 abgelehnt, Die Entscheidungsbegründung des OLG Hamm ist lesenswert. Das OLG Hamm führt darin in nahezu lehrbuchmäßiger Form auf, welche Verstöße zur Verletzung der Schriftform und damit zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung führen können. Die strengen Anforderungen des gesetzlichen Schriftformerfordernisses in § 126 BGB hat das OLG Hamm unter Berücksichtigung der hierzu bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung gegliedert, wie folgt:

  • Der Architektenvertrag muss durch beide Parteien auf derselben Urkunde unterzeichnet sein. Nur bei mehrfachen Vertragsausfertigungen reicht es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. Das getrennte Hin- und Herschicken von Vertragsangebot und dessen Annahme auf einer gesonderten Urkunde reicht also nicht.
  • Vertretungsverhältnisse müssen durch entsprechende schriftliche Zusätze wie z.B. „i.V.“

oder durch Hinzusetzung des Firmenstempels in der Vertragsurkunde zum Ausdruck kommen.

  • Die Unterschriften müssen den räumlichen Abschluss des Urkundentextes bilden.

Nicht ausreichend sind dagegen sogenannte „Oberschriften“ oder eine sog. „Nebenschrift“ am Rand des Vertragstextes.

  • Die Unterzeichnung mit den Anfangsbuchstaben eines Namens (sog. „Paraphe“) oder mit einem anderen Kürzel reicht nicht. Ob es sich um eine Unterschrift oder lediglich um eine Abkürzung per Handzeichen/ Paraphe darstellt, ist nach dem äußeren Erscheinungsbild des Schriftzuges zu beurteilen.

Im konkreten Fall war die Nichteinhaltung der Schriftform für den Auftragnehmer günstig, da die infolgedessen formunwirksame Pauschalvereinbarung im Wege einer Vergleichsrechnung zu einer Mindestsatzunterschreitung geführt hatte. Das OLG Hamm musste wegen der Formunwirksamkeit der Vereinbarung nicht mehr über die Frage eines treuwidrigen Verhaltens des Auftragnehmers, der entgegen der Vereinbarung mit seiner Schlussrechnung das Mindestsatzhonorar verlangt, entscheiden.

Aber auch der umgekehrte Fall zu Lasten des Auftragsnehmers ist denkbar, wonach die fehlende schriftliche Vereinbarung über ein höheres Honorar als den Mindestsatz gemäß § 7 Abs. 5 HOAI zu der gesetzlichen unwiderleglichen Vermutung führt, dass dann nur die Mindestsätze für die Honorierung vereinbart sind.

Das gesetzliche Schriftformerfordernis findet sich in zahlreichen weiteren Regelungen der HOAI. Nur beispielhaft seien die Einhaltung der Schriftform bei Auftragserteilung für die pauschale Abrechnung von Nebenkosten in § 14 Abs. 3 S. 2 HOAI oder die notwendige schriftliche Vereinbarung für die Abrechnung eines Umbauzuschlages in § 36 HOAI genannt.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
-Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht -

Datum: 01. Februar 2018

Recht aktuell - 2017

Kammerreport Dezember 2017: Der Verbraucher-Bauvertrag – neue verbraucherschützende Vorschriften ab 01.01.2018 im Bauvertragsrecht

siehe Kammerreport: Dezember 2017

Der Verbraucher-Bauvertrag – neue verbraucherschützende Vorschriften ab 01.01.2018 im Bauvertragsrecht

Mit der am 01.01.2018 in Kraft tretenden Gesetzesnovelle zum Bauvertragsrecht treten umfassende Neuregelungen des Bauvertragsrechts in Kraft. Zu einzelnen Teilaspekten wurde im Kammerreport bereits berichtet (Ausgabe Juni, Juli und Oktober 2017). Im Zuge der Neuregelung traten auch umfassende verbraucherschützende Vorschriften in Kraft, die auch für Ingenieure insbesondere dann von großer Bedeutung sein werden, wenn Bauherren Bauverträge und auch Ingenieurverträge auftraggeberseits als Verbraucher abschließen.

1. Besonderheiten des Verbraucher-Bauvertrages

In Umsetzung europarechtlicher Vorgaben und der politischen Zielsetzung der Stärkung des Verbraucherschutzes wurden im Zuge der Neuregelung eine Reihe von Schutzvorschriften zugunsten von Verbrauchern zusammengefasst.

Diese Schutzvorschriften gelten insbesondere beim Verbraucher-Bauvertrag gemäß § 650 i) BGB. Hierbei handelt es sich um Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über den Bau eines neuen Gebäudes oder über erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude abgeschlossen werden.

Ein Verbraucher gemäß § 13 BGB kann nur eine natürliche, nicht eine juristische Person sein. Verbraucher ist ferner nur, wer außerhalb seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Ob eine sonst als Unternehmer tätige Person also im konkreten Fall als Verbraucher oder Unternehmer handelt, ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu bewerten. Selbst ein erfahrener Bauunternehmer genießt jedoch den Verbraucherschutz, wenn er beispielsweise ein selbstgenutztes Einfamilienhaus errichtet.

Ein Verbraucher-Bauvertrag liegt begrifflich jedoch nur dann vor, wenn sich der Vertrag auf den „Bau eines neuen Gebäudes“ oder auf „erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden“ bezieht. Bei der Neuerrichtung kommen also nur Verträge in Betracht, bei denen sämtliche Leistungen aus einer Hand kommen, also Generalunternehmer- und Generalübernehmerverträge. Beauftragt der Verbraucher bei Errichtung eines neuen Gebäudes jedoch jedes Gewerk einzeln, unterliegen diese Verträge nicht dem Verbraucher-Bauvertragsrecht gemäß § 650 i) BGB. Auch in diesen Vertragsverhältnissen gelten jedoch verbraucherschützende Vorschriften, etwa die Informationspflichten aus § 312 a) BGB, nicht hingegen die weitergehenden Schutzvorschriften des Verbraucher-Bauvertrages.

Wann „erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude“ anzunehmen sind, bedarf noch näherer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung. Nach der Gesetzesbegründung sollen dies solche Umbaumaßnahmen sein, die „dem Bau eine neuen Gebäudes vergleichbar sind, beispielsweise Baumaßnahmen, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bleibt“, so dass das Ausmaß des Eingriffs in die Gebäudesubstanz sowie der Umfang und die Komplexität des Eingriffs maßgeblich sind. Einfache Instandsetzungen oder Renovierungen von Gebäuden fallen hingegen nicht unter den Begriff des Verbraucher-Bauvertrages – für diese Verträge gelten die allgemeinen Vorschriften des Werkvertrages und des Bauvertrages gleichwohl. Ob jedoch die Neueindeckung eines Daches, der Neueinbau von Fenstern, die energetische Sanierung eines Bestandsgebäudes oder dergleichen derartige erhebliche Umbaumaßnahmen darstellen, werden Gerichte zukünftig klären – bis dahin ist Bauunternehmern anzuraten, die verbraucherschützenden Vorschriften gleichwohl zu beachten. Auch bei der Herauslösung erheblicher Eigenleistungen aus dem „Komplettpaket“ stellt sich die Frage, ob der Bauvertrag noch den „Bau eines neuen Gebäudes“ umfasst.

Folgende maßgebliche Anforderungen hat der Unternehmer bei Abschluss eines Verbraucher-Bauvertrages zu beachten:

Der Verbraucher-Bauvertrag bedarf der Textform gemäß § 126 b) BGB. Bei Nichtbeachtung dieser Formvorschrift ist der Vertrag nichtig. Die Textform erfordert zumindest eine lesbare Erklärung, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird, also speicherbar und unverändert wiedergebbar ist. Die „E-Mail-Form“ reicht zur Wahrung der Textform aus. Mündliche Verträge sind in Zukunft jedoch unwirksam.

Der Bauunternehmer muss dem Verbraucher eine ausführliche Baubeschreibung zur Verfügung stellen. Der notwendige Inhalt der Baubeschreibung ist in Artikel 249 § 2 EGBGB ausführlich beschrieben.

Auch Angaben aus Baubeschreibungen, die vor Vertragsabschluss zur Verfügung gestellt werden, werden automatisch Vertragsbestandteil. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftig auch Werbeanpreisungen auf der Homepage des Unternehmers oder in Prospekten Vertragsinhalt werden, wie dies im Kaufrecht gemäß § 434 Abs. 1.3 BGB bereits gilt. Dies werden Gerichte zu entscheiden haben.

Der Bauunternehmer muss dem Verbraucher einen verbindlichen Fertigstellungszeitpunkt nennen; steht der Beginn der Baumaßnahme noch nicht fest, ist zumindest die Dauer anzugeben. Diese Informationspflichten gelten jedoch nicht, wenn der Verbraucher oder ein von ihm beauftragter Planer die wesentlichen Planungsvorgaben macht. In diesen Fällen erhält der Verbraucher die notwendigen Informationen auf andere Weise, so dass der Bauunternehmer hiervon entlastet werden kann. Die Frage nach der Bauzeit ist gleichwohl zu beantworten.

Besonderes Gewicht erhalten nunmehr auch andere schriftliche Unterlagen, die vor oder nach Abschluss des Bauvertrages dem Verbraucher übermittelt werden, da diese zur Auslegung des Leistungsinhaltes gemäß § 650 k) BGB heranzuziehen sind. Hiermit soll der Verbraucher davor geschützt werden, dass die vertragliche Baubeschreibung „im Kleingedruckten“ von den vorvertraglichen Anpreisungen negativ abweicht. Zweifel bei der Auslegung von Baubeschreibungen gehen grundsätzlich zu Lasten des Unternehmers.

Der Verbraucher hat unter bestimmten Voraussetzungen ein Widerrufsrecht, über das er vom Bauunternehmer wirksam belehrt werden muss. Dies gilt nicht, wenn der Vertrag notariell beurkundet wurde. Eine wirksame Widerrufsbelehrung setzt eine Widerrufsfrist von 14 Tagen in Gang. Wird eine Widerrufsbelehrung nicht oder nicht ordnungsgemäß abgegeben, erlischt das Widerrufsrecht erst 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, also zumeist nach Errichtung des Bauwerkes. Dies hat zur Folge, dass der Bauunternehmer keinen vertraglichen Vergütungsanspruch hat und der Verbraucher allenfalls Wertersatz gemäß § 357 d) BGB zu leisten hat. Der Wertersatzanspruch kann im Einzelfall geringer sein als der werkvertragliche Vergütungsanspruch. Die Widerrufsbelehrung sollte auf das gesetzlich vorgesehene Muster gestützt werden, dass, wenn zutreffend ausgefüllt und dem Verbraucher in Textform übermittelt, eine gesetzliche „Absegnung“ erhält. Änderungen im Text der Muster-Widerrufsbelehrung sind hingegen gefährlich und führen nicht selten zur Unwirksamkeit dieser Belehrung.

Schließlich muss der Bauunternehmer dem Verbraucher eine umfangreiche Dokumentation über das Bauvorhaben zur Verfügung stellen.

Die Wirkungen der fiktiven Abnahme gemäß § 640 Abs. 2 BGB treten bei Verbrauchern nur dann ein, wenn der Unternehmer den Verbraucher zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auf die Folgen einer nicht erklärten oder unter Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat, wobei dieser Hinweis in Textform zu erfolgen hat. Ohne diesen Hinweis scheidet die fiktive Abnahme bei Verbrauchern also aus. Um den Verbraucherschutz wirksam zu gestalten, bestimmt das Gesetz, dass von diesen verbraucherschützenden Vorschriften nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf – etwaige abweichende Regelungen in einem Verbraucher-Bauvertrag sind damit schlicht unwirksam; dies gilt auch für etwaige Umgehungsversuche. Auch hier wird man jedoch annehmen können, dass die Rechtsprechung zunehmend zugunsten des Verbraucherschutzes entscheiden wird.

Eine Wichtige Änderung betrifft auch die Höhe der Abschlagszahlungen. Gemäß § 650 m) BGB dürfen die vom Unternehmer verlangten Abschlagszahlungen 90% der vereinbarten Vergütung (einschließlich Nachtragsleistungen) nicht übersteigen. Der Restbetrag in Höhe von mindestens 10% wird erst mit der Abnahme fällig. Damit steht dem Verbraucher künftig eine reale und effektive Möglichkeit zur Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts im Falle von Mängeln zur Seite – diese Regelung gilt jedoch nicht für den Bauträgervertrag. Die Regelung zur Abschlagshöhe unterfällt zwar nicht dem zwingenden Vertragsinhalt, Abweichungen hiervon in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind jedoch grundsätzlich gemäß § 309 Ziff. 15 BGB unwirksam. Individualvertraglich könnte eine Abweichung jedoch vereinbart werden.

Das Verbraucherprivileg bei der Bauhandwerkersicherung gemäß § 650 f) BGB (ehemals § 648 a) BGB) wurde ebenfalls erweitert. Bisher galt, dass eine Bauhandwerkersicherung nicht gestellt werden musste, wenn die Verträge über die Herstellung und Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung abgeschlossen wurden. Nach der Neuregelung ist der Verbraucher von der Pflicht zur Sicherheitsleistung generell befreit, wenn er einen Verbraucher-Bauvertrag oder einen Bauträgervertrag schließt, und zwar unabhängig davon, um was für ein Gebäude es sich handelt. Andererseits unterfallen Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten nicht mehr dem Verbraucherprivileg, so dass hierfür eine Bauhandwerkersicherung verlangt werden kann.

2. Verbraucherschutz bei Architekten- und Ingenieurverträgen

Der neu im BGB eingeführte Vertragstyp des „Architekten- und Ingenieurvertrags“ enthält ebenfalls verbraucherschützende Vorschriften, die bei Abschluss eines solchen Vertrages beachtet werden müssen. So verweist das Architekten- und Ingenieurvertragsrecht auf allgemeine Vorschriften des Bauvertragsrechts und so auch auf die für diese geltenden verbraucherschützenden Vorschriften.

Besondere Bedeutung hat das Sonderkündigungsrecht des Bestellers im Zusammenhang mit der Einführung der Zielfindungsphase. Soweit nämlich wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Planer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen und dem Besteller zusammen mit einer Kosteneinschätzung zur Zustimmung vorzulegen. Wenn nach Abschluss der Zielfindungsphase diese Unterlagen vorgelegt werden, kann der Besteller mit einer Frist von zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen kündigen. Die Frist wird bei einem Verbraucher jedoch nur dann in Gang gesetzt, wenn der Planer den Verbraucher bei Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat. Ohne diese Belehrung kann der Verbraucher die Kündigung des Vertrages auch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt erklären, wobei die Vergütungsansprüche des Planers auf die erbrachten und erforderlichen Leistungen beschränkt sind. Eine Kündigungsvergütung für nicht erbrachte Teilleistungen besteht in diesen Fällen nicht.

Das spezielle Widerrufsrecht des Verbraucher-Bauvertrages gilt für den Architekten- und Ingenieurvertrag nicht. Auch kann der Ingenieur weiterhin Sicherung beanspruchen. So hat er weiterhin Anspruch auf eine Sicherungshypothek nach Maßgabe der unverändert gültigen Regelung zur Bauhandwerkersicherungshypothek. Auch eine Bauhandwerkersicherung nach § 650 f) BGB (früher § 648 a) BGB) kann er unter Berücksichtigung der Änderung des Verbraucherprivilegs beanspruchen. Die Privilegierung erfasst nach der Neuregelung nur den Verbraucherbauvertrag und den Bauträgervertrag. Ob der Ingenieur oder Architekt, der mit der Planung eines gesamten Bauwerks oder eines erheblichen Umbaus von einem Verbraucher beauftragt ist, eine Sicherheit fordern kann, ist bereits jetzt in der juristischen Literatur umstritten und muss erst durch Gerichte geklärt werden.

Die neuen verbraucherschützenden Vorschriften werfen also eine Reihe von Fragen auf. Bauunternehmer wie auch Planer, die Verträge mit Verbrauchern abschließen, müssen sich diesen Anforderungen jedoch stellen und sollten in Zweifelsfällen die verbraucherschützenden Normen anwenden. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers wird in der Rechtsprechung zunehmend Bedeutung gewinnen; die Nichtbeachtung des Verbraucherschutzes kann hingegen zu erheblichen Nachteilen bei Bauunternehmern wie auch Planern führen.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin

Datum: 01. Dezember 2017

Kammerreport November 2017: Vergütungsfreie Akquise – kein Ende in Sicht?

siehe Kammerreport: November 2017

Vergütungsfreie Akquise – kein Ende in Sicht?

Der nicht formbedürftige Planervertrag kann durch die Parteien auch durch sog. schlüssiges Verhalten geschlossen werden, also durch bloßes Zutun ohne Worte. Dies bedeutet aber auch, dass viele Planungsverträge mit einer Grauzone beginnen. Der Beginn des Vertragsverhältnisses ist nicht immer eindeutig zuzuordnen bzw. datierbar.

Die dem Vertragsschluss vorangehende Akquisitionsphase ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass sie keinen Vergütungsanspruch auslöst, weil die Parteien noch keine gegenseitigen verpflichtenden Bindungen wollten, ihnen also der Rechtsbindungswille fehlte. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung vom

16. März 2017, Az.: VII ZR 35/14 erneut betont und hierzu auf seine ältere Entscheidung vom 05. Juni 1997, Az.: VII ZR 124/96 verwiesen, wonach es allein Sache des auf Honorar klagenden Planers ist, die Umstände darzulegen und ggf. zu beweisen, dass Planungsleistungen nur gegen Vergütung zu erwarten waren.

Ob und wie lange die vergütungsfreie Akquisitionsphase andauert, ist also nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, was die Sache im Ergebnis nicht vereinfacht.

In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung des OLG Koblenz vom 06.09.2017, Az. 5 U 400/17 hatte der potentielle Bauherr die Erwerbsentscheidung zum Baugrundstück noch nicht getroffen. Diese sollte vielmehr davon abhängig gemacht werden, wenn die Entwürfe der Planung und zukünftigen Gestaltung der Halle vorliegen. Auf Wunsch des potentiellen Bauherrn änderte der Planer die Pläne mehrfach. Aufgrund der erstellten Pläne ließ der potentielle Bauherr auch die voraussichtlichen Kosten des Projekts kalkulieren und hat auf dieser Grundlage eine Kaufentscheidung getroffen. Nach Abschluss des Kaufvertrages realisierte er das Bauvorhaben jedoch mit einem anderen Planer.

Die hierauf erhobene Honorarklage des Planers scheiterte.

Im Ergebnis verneinte das OLG Koblenz den Rechtsbindungswillen. Wenn dem Planer bekannt ist, dass insbesondere die Finanzierung und damit die Realisierung des Objektes noch nicht feststehen, kann ein Rechtsbindungswille des potentiellen Bauherrn nicht unterstellt werden. Selbst die Änderung der Planung nach Vorgabe des potentiellen Bauherrn während dieser Phase führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Vielmehr hatte der Planer, so das OLG Koblenz, durch Eingehen auf die Wünsche des potentiellen Bauherrn im eigenen Interesse gearbeitet, einen Grundstückskaufvertrag als Voraussetzung für den Abschluss eines diesbezüglichen Planervertrages möglichst herbeizuführen. Dies spreche eher für eine akquisitorische Tätigkeit. Im konkret entschiedenen Fall hatte also weder der Umstand, dass der potentielle Bauherr die nach seinem Wunsch mehrfach geänderte Planung entgegengenommen hatte, noch der Umstand der Verwendung der Planung für die Kalkulation der Baukosten zur Annahme eines Rechtsbindungswillens und damit zum Abschluss eines vergütungspflichtigen Planungsvertrages geführt.

Je nach Größe des Objekts und des in Aussicht genommenen Honorarvolumens wird seitens der Rechtsprechung zudem unterstellt, dass die Bereitschaft des Planers, mit erheblichen vergütungsfreien Akquisetätigkeiten in Vorleistung zu gehen, entsprechend größer ausgeprägt ist. Dies kann bis hin zur Erstellung der Genehmigungsplanung gehen, wenn, wie in dem durch das OLG Celle am 26.Oktober 2011, Az. 14 U 54/11 entschiedenen Fall, dem Planer bekannt war, dass die Gesamtfinanzierung noch ausstand und neben dem Erwerb des Baugrundstücks auch den Abschluss entsprechender Mietverträge erforderte. Hier wurde der Planer „auf eigenes Risiko“ tätig.

Fazit:

Im Ergebnis ist insbesondere in den Fällen, bei denen die Realisierung des Bauvorhabens für den Planer erkennbar „noch in den Sternen steht“, nach wie vor dringend zu empfehlen, erhebliche Planungsleistungen nur mit entsprechend schriftlichem Planervertrag zu erbringen, um etwaigen Vergütungsansprüchen nicht verlustig zu gehen. Ggf. bietet sich hier auch im Sinne des potentiellen Bauherrn die Möglichkeit an, zunächst nur einen Teilauftrag über die Leistungsphasen 1 bis 3 und bis 4 zu vereinbaren.

Abzuraten ist dagegen von der weit verbreitenden Variante, bei noch in Aussicht stehenden Projekten, deren Finanzierung und planerische Klärung noch nicht feststeht, sich den Planervertrag unter einer entsprechenden aufschiebenden Bedingung erteilen zu lassen.

Ein solcher Planungsauftrag wird nur wirksam, wenn die vereinbarten Bedingungen, wie bspw. der Erwerb des Baugrundstücks oder die Finanzierung tatsächlich eintreten. Hierzu hat das OLG Hamburg mit Urteil vom 24. März 2015, Az.: 4 U 122/14 klargestellt, dass in einem solchen Falle für den Planer auch keine Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Bereicherungsrecht resultieren. Er geht also bei Nichteintritt der Bedingung völlig leer aus.

Auch mit Einführung der sog. Leistungsphase 0 bzw. der Zielfindungsphase in § 650 p BGB mit Inkrafttreten des Bauvertragsreformgesetzes zum 01. Januar 2018 wird sich an dieser Rechtslage nicht ändern, da auch diese neue Vorschrift den Abschluss eines Planungsvertrags voraussetzt.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht -

Datum: 01. November 2017

Kammerreport Oktober 2017: Haftung des Baustofflieferanten / Herstellers für fehlerhafte Baustoffe – gesetzliche Neuregelung ab 01.01.2018

siehe Kammerreport: Oktober 2017

Haftung des Baustofflieferanten / Herstellers für fehlerhafte Baustoffe – gesetzliche Neuregelung ab 01.01.2018

I. Problemlage

Der Bauunternehmer ist verpflichtet, im Rahmen seiner vertraglichen Leistungspflicht ein mangelfreies Werk abzuliefern. Bezieht er hierzu Baustoffe von Baustofflieferanten oder direkt von der Industrie und baut sie in das Bauvorhaben ein, erstreckt sich seine werkvertragliche Erfüllungshaftung auch auf diese. Der Bauunternehmer erwirbt die Baustoffe jedoch auf der Grundlage eines Kaufvertrages, so dass im Vertragsverhältnis zum Lieferanten die kaufrechtlichen Sachmängelhaftungsansprüche gelten. Er selbst haftet jedoch nach werkvertraglichen Vorschriften gegenüber dem Besteller. Dies hat zum Teil zu unbefriedigenden Ergebnissen insbesondere dann geführt, wenn ein Mangel der Baustoffe vorlag, der dann zu einem Mangel der Werkleistung des Bauunternehmers führte. Mit dem „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“, das zum 01.01.2018 in Kraft tritt, soll der Werkunternehmer bei Mängeln eines eingebauten Stoffes oder Gegenstandes nun verbesserte Rückgriffsmöglichkeiten bei seinem Lieferanten erhalten.

II. Derzeitige Rechtslage

Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist ein Bauunternehmen gegenüber dem Besteller verpflichtet, eine bereits eingebaute mangelhafte Sache wieder auszubauen und eine Ersatzsache einzubauen, wenn sich diese Sache als mangelhaft erweist. Dabei hat er sowohl die Kosten der Ersatzlieferung wie auch des Aus- und Einbaus zu tragen. Der Werkunternehmer bezieht seine Baustoffe jedoch von einem Lieferanten auf der Grundlage eines Kaufvertrages im kaufmännischen Verkehr, wo dies nicht gilt.

Bezieht der Bauunternehmer beispielsweise Putz von der Industrie und bringt ihn in das Bauvorhaben ein und wurde darauf bereits tapeziert, so muss der Bauunternehmer – erweist sich der Putz aufgrund eines Herstellungsfehlers (z.B. fehlerhafte Zusammensetzung) als mangelhaft – den Putz einschließlich Tapete entfernen, den Putz neu aufbringen und ggf. die Kosten für die Neutapezierung tragen. Alle in diesem Zusammenhang entstehenden Nebenkosten und etwaige Nutzungsausfallentschädigungen kommen hinzu. Der Bauunternehmer kann jedoch nach derzeitiger Rechtslage nur zum Teil diese Kosten an seinen Lieferanten weitergeben, da dieser grundsätzlich nur eine neue Lieferung des Putzes oder eine Erstattung des Kaufpreises schuldet. Dies ist ungerecht, denn die Ursache des Mangels hat nicht der Bauunternehmer sondern der Hersteller (z.B. wegen einer falschen Zusammensetzung des Putzes) geliefert. Gleichwohl bleibt der Bauunternehmer nach der derzeitigen Rechtslage auf einem erheblichen Teil der Aufwendungen „sitzen“.

III. Gesetzliche Neuregelung

Die Weitergabe dieser Kosten ist nunmehr im BGB vorgesehen. § 439 Abs. 3 BGB (n.F.) sieht vor, dass der Käufer einer mangelhaften Sache, die in einem Bauvorhaben eingebaut wurde, den Anspruch gegen den Verkäufer hat, auch die erforderlichen Aufwendungen des Ausbaus und des Einbaus ersetzt zu verlangen. Diese erweiterte Haftung des Lieferanten galt in Verträgen zwischen Kaufleuten bislang nur dann, wenn dem Verkäufer ein Verschulden nachgewiesen werden konnte, was selten der Fall war, da der Mangel meist durch den Hersteller verursacht wurde und dieser nicht als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers anzusehen war (vgl. BGH, Urteil v. 02.04.2014, VIII ZR 46/13). Die gesetzliche Neuregelung bietet nunmehr einen verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruch für die Demontage- und Montagekosten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kaufgegenstand „in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht worden ist“, und zwar vom Käufer. Insofern gilt die gesetzliche Neuregelung nicht, wenn Käufer der Baustoffe und Bauunternehmer, der die Sache einbaut, nicht identisch sind. Ferner setzt das „Einbauen“ oder „Anbringen“ voraus, dass die Sache mit einem anderen Gegenstand (z.B. einem Haus) fest verbunden wird. Dies ist jedoch bei Baustoffen immer der Fall. Erfasst sind jedoch auch Gegenstände wie Dachrinnen, Leuchten oder dergleichen.

Die Haftung des Verkäufers erhält jedoch eine wichtige Einschränkung, weil die Rechte des Käufers gemäß § 442 Abs. 1 i.V.m. § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeschlossen sind, wenn der Käufer bei Einbau der mangelhaften Sache den Mangel kennt oder die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Der Gesetzgeber möchte erreichen, dass der Bauunternehmer Mängel, die er vor Einbau erkennt, dann auch rügt und nicht etwa mangelhafte Teile im Bauvorhaben verbaut. Dies korrespondiert mit der Pflicht des Käufers bei einem Handelskauf gemäß § 377 HGB, gelieferte Ware zu untersuchen und festgestellte Mängel gegenüber dem Verkäufer unverzüglich zu rügen. Eine Unverzüglichkeit ist nur bei einem sehr kurzen Zeitraum von maximal 2 – 3 Tagen gegeben. Häufig scheitern Regressansprüche gegenüber dem Lieferanten an dieser unverzüglichen Rüge. Bauunternehmer müssen also angelieferte Baustoffe auf erkennbare Mängel untersuchen, also auf Beschädigungen, Fehllieferungen usw. Wird die Untersuchung nicht oder nicht sorgfältig durchgeführt und unterbleibt die unverzügliche Rüge wegen eines erkennbaren Mangels, verliert der Käufer sämtliche Ansprüche wegen dieses Mangels, und zwar dauerhaft. Die Untersuchungspflicht umfasst natürlich nicht aufwendige Untersuchungen, Funktionstest, Laboruntersuchungen oder dergleichen.

Da Baustoffe meist nicht direkt vom Hersteller an den Bauunternehmer verkauft werden, sondern im Rahmen einer Lieferkette weitergegeben werden, ermöglicht § 445a Abs. 3 BGB nunmehr den Rückgriff innerhalb dieser Lieferkette. Wendet sich der Bauunternehmer an seinen Händler, kann dieser sich an seinen Großhändler wenden und dieser seinerseits Ansprüche gegenüber dem Hersteller geltend machen.

Auch die Frage der Verjährung wurde für diese Fallkonstellation besonders geregelt. Da im Kaufrecht eine grundsätzliche Sachmängelhaftungsfrist von 2 Jahren besteht, die Sachmängelhaftung für Arbeiten an einem Bauwerk jedoch 5 Jahre beträgt, bestand das Bedürfnis der Harmonisierung. Bereits mit einer früheren Novelle wurde die Verjährungsfrist für Kaufgegenstände, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden sind, auf 5 Jahre gemäß § 438 Abs. 1 Ziffer 2 b) BGB. § 445 b) Abs. 1 BGB (n.F.) sieht nunmehr eine besondere Verjährungsfrist für Aufwendungsersatzansprüche vor, die nunmehr innerhalb von 2 Jahren ab Ablieferung der Sache verjähren. Allerdings tritt eine Verjährungshemmung ein, wenn der Verkäufer vom Käufer in Anspruch genommen wird. In diesem Fall hat der Käufer auf jeden Fall 2 Monate Zeit, sich an den Verkäufer zu wenden und seine Ansprüche geltend zu machen. Diese Regelung gilt gemäß § 445 b) Abs. 3 BGB in der gesamten Lieferkette.

IV. Fazit / Handlungsempfehlung

Die gesetzliche Neuregelung erleichtert die Durchsetzung von Mängelansprüchen bei mangelhafter Lieferung von Baustoffen oder anderen Sachen, die mit einem Bauwerk fest verbunden werden sollen. Allerdings sollte bei der Vertragsgestaltung und -abwicklung Augenmerk auf die Neuregelungen gelegt werden, um Rechtsverluste zu vermeiden.

  • Bereits mit Bestellung / Auftragsbestätigung / Vertrag sollte klargestellt sein, dass die Sache zum festen Einbau in ein bestimmtes Bauvorhaben bestimmt ist, etwa indem das Bauvorhaben bezeichnet wird.
  • Die Ware sollte sofort nach Anlieferung auf offensichtliche Mängel geprüft und bei Vorhandensein von Mängeln diese unverzüglich gerügt werden.
  • Als mangelhaft festgestellte Kaufgegenstände sollten keinesfalls eingebaut werden.
  • Sollte der Mangel erst nach Einbau auffallen, ist die unverzügliche Mängelanzeige mit Fristsetzung zur Nacherfüllung notwendig.
  • Es empfiehlt sich, die Mängelanzeige bereits mit der Androhung der Geltendmachung von Demontage- und Montagekosten zu verbinden.
  • Die maßgeblichen Verjährungsfristen sollten beachtet und die Hemmung der Verjährung durch rechtzeitige Anzeige bewirkt werden.

Zwischenhändler sind gut beraten, bei ihnen eingehende Mängelanzeigen dieser Art dann unverzüglich gegenüber ihrem Lieferanten anzuzeigen und geltend zu machen. Da die Ansprüche jedoch jeweils nur innerhalb der jeweiligen Vertragsbeziehungen abzuwickeln sind, sollte der Händler dem Hersteller jedenfalls nicht alleine die Regulierung der Ansprüche überlassen, sondern Wert auf eine zumindest informatorische Einbeziehung in die Verhandlungen legen.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
- Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin –

Datum: 01. Oktober 2017

Kammerreport September 2017: Verjährungsfalle Sachwalterhaftung

siehe Kammerreport: September 2017

Verjährungsfalle Sachwalterhaftung

In drei jüngst veröffentlichten obergerichtlichen Entscheidungen (siehe OLG Celle vom 25.09.2014, Az. 5 U 75/12; KG vom 28.04.2016, Az. 21 U 172/14 und OLG Brandenburg vom 21.12.2016, Az. 4 U 30/15) wurde die werkvertragliche Gewährleistungshaftung für mangelursächliche Planungs- und/oder Überwachungsfehler mit Rücksicht auf den Ablauf der 5-jährigen Gewährleistungsfrist ab Abnahme verneint. In allen Fällen wurde jedoch darüber hinaus von den Gerichten die Möglichkeit einer Sekundärhaftung im Rahmen der sogenannten Sachwalterhaftung gesondert geprüft.

Nach den durch die BGH Rechtssprechung entwickelten Grundsätzen kann sich aus einer zentralen Stellung des Ingenieurs bei der Planung und Überwachung in Bezug auf ein Bauvorhaben und die damit verbundene besondere Vertrauensstellung gegenüber dem Bauherren eine sogenannte Sachwalterstellung als Anknüpfungspunkt für dessen Sekundärhaftung ergeben.

Solche Betreuungspflichten schuldet in der Regel der mit der Objektüberwachung und/oder Objektbetreuung sprich mit der Leistungsphase 8 oder mit der Leistungsphase 9 gemäß § 34 Abs. 3 HOAI Beauftragte. Werden dagegen nur Planungsaufgaben aus den Leistungsphasen 1 bis 6 übernommen, ist der Ingenieur kein Sachwalter. Der Sachwalterstellung des Bauüberwachers entfällt dagegen nicht, wenn ihm die Objektbetreuung gemäß der Leistungsphase 9 nicht übertragen wurden. Nach der oben zitierten Entscheidung des OLG Brandenburgs vom 21.12.2016 reicht sogar die isolierte Übertragung von Leistungen der Objektüberwachung und/oder der Objektbetreuung für die Annahme einer derartigen Sachwalterstellung aus. In der Regel nicht als Sachwalter gelten dagegen der TGA- Planer und der Tragwerksplaner.

Im Rahmen dieser besonderen Betreuungsaufgabe als Bauüberwacher obliegt dem Ingenieur auch die objektive Klärung von Mängelursachen, selbst wenn diese zu eigenen Planungs- und/oder Aufsichtsfehlern gehören.

Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung des Bauherren, mit der der Ingenieur dann möglicherweise sogar die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche des Bauherren herbeiführt, begründet als Rechtsfolge einen Schadensersatzanspruch im Rahmen der Sekundärhaftung, wonach die Verjährung der gegen den Bauüberwacher gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt.

Mit anderen Worten: Haftet der Ingenieur aufgrund der Übernahme besonderer Betreuungspflichten im Rahmen der Objektüberwachung und/oder der Objektbetreuung, kann er sich aufgrund einer Verletzung der Untersuchungs- und Beratungspflichten nicht auf den Einwand der Verjährung bezüglich der allgemeinen Gewährleistungsfristen berufen.

Konkret bedeutet dies, dass der bauüberwachende Ingenieur verpflichtet ist, nach dem Auftauchen von Baumängeln den Ursachen nachzugehen und zwar ohne Rücksicht auf eine mögliche Eigenhaftung. Er muss dem Bauherrn rechtzeitig ein umfassendes und zutreffendes Bild über die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Schadensbehebung verschaffen, auch wenn er sich dabei möglicherweise selbst belasten muss.

Eine Aufklärungs- und Beratungspflicht entfällt möglicherweise dann, wenn bei Auftreten des Mangels der Bauherr bereits anderweitig fachkundig, beispielsweise durch einen Fachplaner oder durch einen hinzugezogenen Sachverständigen beraten ist.

Verjährungsfalle Gesamtschuldnerhaftung

Bekanntlich haftet der planende und/oder bauüberwachende Ingenieur gegenüber dem Bauherren neben den ausführenden Bauunternehmen für einen Baumangel als Gesamtschuldner, wenn für diesen zugleich Planungs- und/oder Bauüberwachungsfehler und Ausführungsfehler ursächlich sind. Der BGH hat die Haftung der an sich unabhängig und aufgrund getrennter Verträge gegenüber dem Bauherren tätigen Baubeteiligten damit begründet, dass diese eine enge, planmäßige Zweckgemeinschaft bilden, soweit es um die Beseitigung eines Schadens aufgrund einer mangelhaften Errichtung des Bauwerks geht.

Die gesamtschuldnerische Haftung führt dazu, dass jeder der Gesamtschuldner verpflichtet ist, die Gewährleistungsansprüche in voller Höhe zu erfüllen, jedoch der Bauherr als Gläubiger die Leistung insgesamt nur einmal fordern kann. Grundsätzlich steht es dabei im freien Belieben des Bauherren, welchen der Gesamtschuldner er ganz oder zum Teil in Anspruch nimmt. Entscheidet sich der Bauherr beispielsweise, nur den planenden und/oder bauüberwachenden Ingenieur aus der Gewährleistungshaftung durch Klage in Anspruch zu nehmen, wird die laufende Gewährleistungsfrist gegenüber dem gesamtschuldnerisch mithaftenden bauausführenden Unternehmen dadurch nicht gehemmt. Während des fortdauernden Prozesses läuft die fünfjährige Gewährleistungsfrist gegenüber dem bauausführenden Unternehmen infolgedessen ab.

Der für den Planungs- und/Bauüberwachungsfehler haftende Ingenieur wird verurteilt und leistet an den Bauherren. Der Ingenieur will nun quotal für dessen Haftungsanteil bei dem Bauunternehmen Regreß nehmen. Das Bauunternehmen kann sich demgegenüber nicht mit dem Einwand verteidigen, seine eigene Gewährleistungsfrist gegen dem Bauherren wäre zwischenzeitlich abgelaufen. Vielmehr ist es so, dass auf den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner nach Befriedigung des Bauherrn als Gläubiger nicht nur der Gewährleistungsanspruch des Bauherren gegenüber dem Ingenieur im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs übertragen wird, sondern unabhängig davon gemäß § 426 Abs. 1 BGB ein eigener Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Gesamtschuldner, sprich hier gegenüber dem Bauunternehmen entsteht. Dieser Ausgleichsanspruch unterliegt einer eigenen Verjährungsfrist. Diese beträgt regelmäßig drei Jahre. Der Verjährungsbeginn ist hier kenntnisabhängig, d. h. die drei Jahre beginnen erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Ingenieur Kenntnis von den anspruchsbegründeten Tatsachen und der Person des Schuldners hatte, also wenn er weiß bzw. grob fahrlässig nicht weiß, dass hier ein Ausführungsfehler des Bauunternehmers in Betracht kommt und er diesbezüglich einen entsprechenden Regressanspruch geltend machen kann.

Diese kenntnisabhängige Frist für den Ausgleichsanspruch des Ingenieurs im Gesamtschuldner-Innenverhältnis kann also über die Dauer der eigenen Gewährleistungsfrist des Bauunternehmers hinausgehen.

Für den durch den Bauherrn in Anspruch genommenen Ingenieur besteht mit Blick auf seinen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bauunternehmer gleichwohl eine Regreßfalle.

Der Ausgleichsanspruch entsteht bereits in dem Augenblick, in dem die Baubeteiligten als Gesamtschuldner gegenüber dem Bauherrn ersatzpflichtig werden und nicht erst, wenn der in Anspruch genommene Gesamtschuldner den Bauherrn befriedigt (so jüngst wieder der BGH, Urteil v. 08.11.2016, Az. VI ZR 200/15). Sind die subjektiven Elemente erfüllt, kommt es zum darauf folgenden Jahreswechsel zum Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist für den Ausgleichsanspruch. Dem durch den Bauherrn verklagten Ingenieur ist daher dringend anzuraten, umgehend verjährungshemmende Maßnahmen, wie beispielsweise eine Streitverkündung oder die Erhebung einer Feststellungsklage gegenüber dem oder den anderen in Betracht kommenden Gesamtschuldnern zu ergreifen.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht -

Datum: 01. September 2017

Kammerreport Juli / August 2017: Das neue Bauvertragsrecht – wichtige Reform tritt am 01.01.2018 in Kraft

siehe Kammerreport: Juli / August 2017

Das neue Bauvertragsrecht – wichtige Reform tritt am 01.01.2018 in Kraft

1. Kernpunkte der Reform

Die zahlreichen Neuerungen durch das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“, das zum 01.01.2018 in Kraft tritt, werden Baupraktiker wie Juristen vor große Herausforderungen stellen. Es ist ein „Muss“ für jeden am Bau Beteiligten, sich mit diesen Änderungen zu befassen.

Die Reform enthält 4 wesentliche Abschnitte:

  • Im 1. Abschnitt werden Änderungen des Kaufrechts vorgenommen, die insbesondere Nacherfüllungsansprüche für fehlerhafte Baustoffe betreffen.
  • Der 2. Abschnitt enthält nunmehr eine in sich geschlossene Regelung zum Bauvertragsrecht, die es bislang als systematische Regelung dieses Vertragstyps nicht gab. Das Bauvertragsrecht bleibt zwar systematisch Teil des Werkvertragsrechts. Die Besonderheiten des Bauvertrages werden jedoch in spezifischer Weise ausgestaltet. Besondere Regelungen gelten zudem für den Verbraucherbauvertrag.
  • Der 3. Teil beschäftigt sich mit dem Architekten- und Ingenieurvertrag. Mit dieser Änderung befasste sich bereits der Artikel im Kammerreport Juni 2017 (Schugardt, Kammerreport Juni 2017, Seite 5 ff.).
  • Im 4. und letzten Teil wird schließlich erstmals der Bauträgervertrag geregelt, der bisher im BGB überhaupt keine Erwähnung fand.

Nachdem bereits wesentliche Neuregelungen des Architekten- und Ingenieurvertrages besprochen wurden und die weiteren Inhalte der Gesetzesnovelle, insbesondere zum Verbraucherbauvertrag, zum Bauträgervertrag und zur Änderung des Kaufrechts, hier in loser Folge weiter dargestellt werden, sollen hier die maßgeblichen Änderungen des Bauvertragsrechtes dargestellt werden.

2. Das neue Bauvertragsrecht

Bislang fehlte im BGB eine auf den Bauvertrag zugeschnittene Regelung, wenn man von Regelungen zur Sicherung des Werklohns des Bauunternehmers einmal absieht. Dies ändert sich grundlegend. Der Bauvertrag bleibt zwar eine Unterform des Werkvertrages. Mit den besonderen Regelungen des Bauvertragsrechts wird jedoch eine auf die Baupraxis zugeschnittene Regelung offeriert, die den Besonderheiten des Bauvertrages weitergehend Rechnung trägt als es im allgemeinen Werkvertragsrecht bisher der Fall war. Dort waren faktisch alle Werkverträge vom Schneidern eines Maßanzuges bis zur Errichtung einer Brücke rechtlich gleichgestellt.

Die maßgeblichen Änderungen der Rechtslage können nachfolgend nur kursorisch benannt werden:

a) § 632a – Abschlagszahlungen

Die Höhe der Abschlagszahlungen, die bisher am Wertzuwachs beim Besteller zu bemessen war, richtet sich nunmehr nach dem konkreten Leistungsstand nach dem Vertrag. Diese Regelung, die vielfach schon gehandhabt wurde, erlaubt es dem Besteller in der Regel besser, die Höhe der abgerechneten Abschläge zu überprüfen und führt für den Unternehmer in der Regel zu angemessenen Abschlagszahlungen. Auch bei Abschlagszahlungen kann der Besteller bei Mängeln in der Regel das Doppelte der Mängelbeseitigungskosten zurückhalten.

b) § 640 – Abnahme

Geändert hat sich die Regelung über die fiktive Abnahme. Die Abnahmefiktion greift nunmehr nur dann ein, wenn der Besteller die Abnahme nicht unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert. Der den Bauherren begleitende Planer muss also Aufforderungen des Unternehmers zur Abnahme gesteigerte Aufmerksamkeit schenken.

c) § 648a – Kündigung aus wichtigem Grund

Der Gesetzgeber hat hier bereits die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze zur Kündigung aus wichtigem Grunde gesetzlich geregelt. Der Gesetzesverweis auf § 314 Abs. 2 und 3 BGB bewirkt, dass der außerordentlichen Kündigung in aller Regel eine erfolglose Abmahnung vorauszugehen hat. Besondere Bedeutung erlangt die Regelung des Abs. 4, wonach auch im Falle der außerordentlichen Kündigung eine Verpflichtung zur gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes besteht.

d) § 650a – 650h – Bauvertrag

In den vollständig neu eingefügten § 650a – 650h BGB wird erstmals eine eigenständige Regelung des Bauvertrages vorgenommen.

aa) § 650a – Bauvertrag

Das BGB enthält nunmehr eine gesetzliche Definition des Bauvertrages. Anknüpfungspunkt ist der Begriff des Bauwerks. Da dieser Begriff bereits in § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB verwendet wurde, kann auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Als „Bauwerk“ wird danach eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache definiert. Erforderlich ist, dass die Sache durch eine feste Verbindung mit Grundstück hergestellt wurde. Die sachenrechtliche Einordnung spielt dafür jedoch keine Rolle (vgl. Kniffka, IBR Online-Kommentar Bauvertragsrecht, Einführung vor § 631 BGB Rz. 1).

Dementsprechend liegt ein Bauvertrag auch vor, wenn kein neues Gebäude errichtet wird, sondern im Bestand gearbeitet wird, soweit die Arbeiten für den Bestand, die Konstruktion oder die Funktionsfähigkeit von wesentlicher Bedeutung sind. Dementsprechend kann auch ein Instandhaltungsvertrag ein Bauvertrag sein.

bb) § 650b – Änderung des Vertrages; Anordnungsrecht des Bestellers

Das BGB enthält nunmehr – erstmals – ein Anordnungsrecht des Bestellers, wie es bislang lediglich § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B vorsehen. Ziel des Gesetzes ist dabei, Einvernehmen der Vertragsparteien herzustellen – im Streitfall setzt sich der Besteller jedoch mit seinem Änderungsbegehren durch. Der Unternehmer kann dies allenfalls mit dem Argument der Unzumutbarkeit verweigern.

cc) § 650c – Vergütungsanpassung bei Anordnung nach § 650b Abs. 2

Konsequenterweise gewährt das Gesetz dem Unternehmer dann einen Anspruch auf Vergütungsanpassung, wenn der Besteller von seinem Anordnungsrecht Gebrauch macht. Um dem Unternehmer auch bei Streit über die Vergütungshöhe einen Zahlungsanspruch zu sichern, gewährt ihm das Gesetz einen Anspruch auf 80% seiner im Nachtragsangebot enthaltenen Vergütung als Abschlagszahlung, die der Unternehmer sogar im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann.

dd) § 650d – Einstweilige Verfügung

Nach geltendem Recht lassen sich baurechtliche Ansprüche nur im Ausnahmefall im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzen. Bei Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gemäß § 650b oder die Vergütungsanpassung gemäß § 650c ist dies nach der Neuregelung nunmehr anders, weil das prozessuale Erfordernis der Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes für diese Fälle entfallen ist. Hiermit soll erreicht werden, dass schnell eine Entscheidung darüber erlangt wird, wie das Bauvorhaben fortgeführt wird. Außerdem kann nun sogar eine einstweilige Verfügung auf Zahlung erwirkt werden.

ee) § 650e – Bauhandwerkersicherungshypothek; § 650f – Bauhandwerkersicherung

Hier wurden die bereits vorhandenen Regelungen der §§ 648 und 648a BGB weitgehend unverändert übernommen. Neu ist jedoch, dass ein Verbraucher von der Pflicht zur Sicherheitsleistung befreit ist.

ff) § 650g – Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme; Schlussrechnung

Neu ist die Kooperationsverpflichtung der Parteien. Selbst bei Verweigerung der Abnahme unter Angabe von Mängeln ist der Besteller verpflichtet, an einer gemeinsamen Feststellung des Zustandes des Werkes mitzuwirken. Diese Zustandsfeststellung hat jedoch keine Abnahmewirkungen. Sie dient lediglich der Beweissicherung.

gg) § 650h – Schriftform der Kündigung

Nunmehr festgeschrieben ist, dass jegliche Kündigung des Bauvertrages der Schriftform bedarf, also eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss. Textform reicht nicht aus. Auch eine konkludent erklärte Kündigung kommt danach nicht mehr in Betracht.

3. Ausblick

Die umfassenden Neuregelungen gelten für alle ab dem 01.01.2018 abgeschlossenen Bauverträge. Etwaig vorhandene Vertragsmuster müssen dringend angepasst werden. Bisherige übliche vertragliche Regelungen kollidieren mit den neuen gesetzlichen Regelungen und würden sich bei AGB-rechtlicher Bewertung als unwirksam erweisen.

Die gesetzliche Neuregelung wirft eine Vielzahl neuer und noch ungeklärter Rechtsfragen auf, die erst im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung geklärt werden. Auch eine Anpassung der VOB/B erscheint unumgänglich.

Jörg Borufka
Rechtsanwalt
- Rechtsanwaltssozietät WIGU, Schwerin -

Datum: 01. August 2017

Kammerreport Juni 2017: Neues Architekten- und Ingenieurvertragsrecht kommt!

siehe Kammerreport: Juni 2017

Neues Architekten- und Ingenieurvertragsrecht kommt!

Das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung tritt zum 01. Januar 2018 in Kraft. Erstmals wurden mit den §§ 650 o bis 650 s BGB auch Regelungen zum Architektenvertrag und Ingenieurvertrag in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Die gesetzlichen Neuregelungen gelten für alle Architekten- und Ingenieurverträge, die ab dem 01.01.2018 abgeschlossen werden. Verträge, die vorher abgeschlossen werden, aber sich noch in der Durchführung über den 01.01.2018 hinaus befinden, sind von dieser Gesetzesänderung nicht betroffen.

Der Gesetzgeber hat sich für eine Einordnung von Architekten- und Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit der Planung und Ausführung von Bauwerken oder Außenanlagen in das Werkvertragsrecht des BGB ausgesprochen. Abgrenzungsprobleme zum Dienstvertrag bspw. für bloße Überwachungsleistungen sind damit Vergangenheit. Auch hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine Behandlung als gemischtes Vertragsverhältnis zugunsten einer einheitlichen werkvertraglichen Erfolgshaftung entschieden. Besonderheiten der Architektenverträge und Ingenieurverträge will der Gesetzgeber mit den speziellen Regelungen in den §§ 650 o bis 650 s BGB Rechnung tragen.

Damit endet auch der Zustand der Überformung des Architekten- und Ingenieurvertragsrechts durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. In der bisherigen Vertragspraxis war es bisher weit verbreitet, wegen bisher fehlenden gesetzlichen Regelungen mit Hilfe des Preisrechts der HOAI auch die Leistungsseite zu bestimmen.

Besonders erwähnenswert sind die gesetzlichen Neuregelungen zur Schaffung einer sogenannten Zielfindungsphase mit beiderseitigen Sonderkündigungsrechten, zur Vergütungsanpassung im Fall von Änderungsanordnungen des Bestellers, sprich Auftraggebers, zum Anspruch auf Teilabnahme sowie zum Leistungsverweigerungsrecht bei gesamtschuldnerischer Haftung.

1. Zielfindungsphase und beiderseitiges Sonderkündigungsrecht

§ 650 o Abs. 2 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass der Auftraggeber bei Auftragserteilung häufig noch keine konkreten Vorstellungen über das zu planende bzw. zu überwachende Bauvorhaben hat. Aufgrund der vagen Vorstellungen des Bauherrn schuldet der Architekt/ Ingenieur in einem solchen Fall zunächst die Schaffung einer Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele.

Mit der „Planungsgrundlage“ ist nicht die eigentliche Planung gemeint, sondern lediglich deren Grundlage bspw. erste Beschreibung oder Skizzen, auf die die spätere Planung dann nach Festlegung der Planungs- und Überwachungsziele aufbauen kann.

Die Vorstellungen des Bauherrn hat der Architekt/Ingenieur zur Erstellung der Planungsgrundlage abzufragen. Der Architekt/ Ingenieur hat die Planungsgrundlage dem Besteller zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zu dessen Zustimmung vorzulegen. Die Kosteneinschätzung ist eine grobe Einschätzung der zu erwartenden Kosten für die Finanzierungsplanung des Bestellers.

Nach Vorlage der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung für das Vorhaben steht dem Besteller gem. § 650 q Abs. 1 BGB ein Sonderkündigungsrecht zu. Das heißt, er kann den Vertrag ohne Vorliegen von Gründen durch einseitige Erklärung gegenüber dem Architekten/ Ingenieur beenden. Für das Sonderkündigungsrecht gilt eine Erklärungsfrist von 2 Wochen nach Vorlage der Unterlagen. Nach Ablauf der Frist erlischt das Kündigungsrecht.

Bei einem Verbraucher beginnt die Erklärungsfrist nur dann, wenn der Architekt/Ingenieur ihn bei Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, innerhalb der es ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat.

Umgekehrt kann auch der Architekt/Ingenieur den Vertrag kündigen, wenn er dem Besteller eine angemessene Frist zur Zustimmung zu der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung gesetzt hat und der Besteller die Zustellung verweigert oder innerhalb der gesetzten Nachfrist keine Erklärung zu den Unterlagen abgibt.

Im Falle der Ausübung des Kündigungsrechts sowohl durch den Besteller als auch durch den Ingenieur bzw. Architekten ist dieser nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt. Die Entschädigungsregelungen für gekündigte Leistungen in § 648 BGB n. F. (vormals § 649 BGB a. F.) gelten im Falle der Ausübung des Sonderkündigungsrechts nicht.

2. Vergütungsanpassung bei Änderungsanordnungen des Bestellers

Die in § 650 b BGB geregelten Anordnungsrechte des Bestellers im Rahmen des Bauvertrages gelten durch die Verweisung in § 650 p Abs. 1 BGB auch für Architekten- und Ingenieurverträge. Für die Vergütungsanpassung bei nachträglichen Änderungsanordnungen des Bestellers nach § 650 b BGB sollen vorrangig die Vergütungsregelungen der HOAI in der jeweils geltenden Fassung herangezogen werden. Lässt sich die HOAI insbesondere § 10 HOAI nicht entsprechend heranziehen, ist die Vergütungsanpassung für den vermehrten oder verminderten Aufwand aufgrund der angeordneten Leistungen frei zwischen den Parteien zu vereinbaren.

Im Falle einer fehlenden Einigung der Parteien sind die erforderlichen Kosten unter Berücksichtigung angemessener Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn gem. § 650 p Abs. 2 BGB i. V. m. § 650 c BGB zu ermitteln.

3. Anspruch auf Teilabnahme

§ 650 r BGB verschafft dem Architekten/ Ingenieur einen Anspruch auf Teilabnahme seiner bis dahin erbrachten Architekten- oder Ingenieurleistungen. Voraussetzung ist, dass die Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmens oder der bauausführenden Unternehmen erfolgt ist. Dies war in den vielen Architekten- und Ingenieurverträgen bereits gängige Praxis und ist nunmehr in Gesetzesrecht umgesetzt worden. Dies ist insbesondere bei denjenigen Architekten- und Ingenieurverträgen von Interesse, bei denen auch die Objektbetreuung beauftragt ist.

4. Leistungsverweigerungsrecht bei gesamtschuldnerischer Haftung

Die gesamtschuldnerische Haftung von Architekten/ Ingenieuren und bauausführendem Unternehmen bei Bauwerksmängeln wollte der Gesetzgeber nicht aufgeben. Nach der gesamtschuldnerischen Haftung kann der Besteller wahlweise jeden der gesamtschuldnerisch haftenden Beteiligten in voller Höhe für die Mängelbeseitigungskosten und etwaige Mangelfolgeschäden in Anspruch nehmen. Da eine Mängelbeseitigung durch den ausführenden Bauunternehmer in der Regel kostengünstiger erfolgen kann, soll dieser durch den Besteller zunächst auf Nacherfüllung in Anspruch genommen werden. Erst wenn die entsprechende Mängelbeseitigungsaufforderung mit angemessener Nachfristsetzung fruchtlos geblieben ist, kann der Besteller den bauüberwachenden Architekten/ Ingenieur auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Bis dahin steht dem in Anspruch genommenen Architekten/ Ingenieur eine entsprechende Einrede und damit ein Leistungsverweigerungsrecht zur Seite. Eine vorherige erfolglose klagweise Inanspruchnahme des bauausführenden Unternehmens durch den Besteller kann jedoch nicht verlangt werden.

Diese Regelung gilt allerdings nur im Falle der gesamtschuldnerischen Haftung für Überwachungsfehler. Bei mängelursächlichen Planungsfehlern des Architekten/ Ingenieurs kann dieser durch den Besteller sofort auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

Björn Schugardt
Rechtsanwalt
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht -

Datum: 01. Juni 2017

Kammerreport Mai 2017: 1. Wie weit darf sich der Objektplaner auf Leistungen von Bodengutachtern/Sonderfachplaner verlassen?

siehe Kammerreport: Mai 2017

1. Wie weit darf sich der Objektplaner auf Leistungen von Bodengutachtern/Sonderfachplaner verlassen?

Die Rechtsprechung zur Haftung bei Planungsmängeln, wenn verschiedene Ingenieure und Architekten an dem Bauvorhaben mitgewirkt haben, ist vielseitig und bedarf immer einer Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalles. In erster Linie wird der Bauherr sich aber erst einmal an den Objektplaner wenden und diesen mit seinen Forderungen konfrontieren. Der Einwand des Objektplaners, dass er sich hier auf Planungen von anderen Beteiligten, z. B. des Bodengrundgutachters verlassen hat, wird für den Bauherrn erst einmal nicht tröstlich sein.

Hier müssen ohnehin zwei rechtlich unterschiedliche Sachverhalte getrennt werden.

Wenn der Objektplaner den Sonderfachmann selbst beauftragt hat und die Verantwortlichkeit für den Planungsmangel beim Sonderfachmann liegt, haftet der Objektplaner gegenüber dem Bauherrn ohnehin. Er muss dann den Sonderfachmann in Regress nehmen.

Wenn der Objektplaner aber den Sonderfachmann nicht selbst beauftragt hat, sondern die Planungen des Sonderfachmannes von anderer Seite zur Verfügung gestellt erhält, ist die Haftung des Objektplaners nur dann gegeben, wenn er hier eindeutige Vorgaben des Sonderfachmannes nicht beachtet oder die Mängel der Planung des Sonderfachmannes ins Auge fallen müssen. Der Objektplaner kann nicht für alle Spezialgebiete die umfassenden Kenntnisse haben. Gleichwohl muss er aber die ihm zur Verfügung gestellten Planungen der Sonderfachmänner intensiv einer eigenen Prüfung unter den vorgenannten Aspekten unterziehen. Ein gewisses Grundwissen auch für Spezialgebiete wird dem Objektplaner zu unterstellen sein. Wenn Fehler in der Fachplanung aber nicht ersichtlich sind, tritt dann keine Haftung des Objektplaners ein.

Entsprechende Grundsätze hatte das OLG Saarbrücken im Urteil vom 19.03.2014 Aktenzeichen 1 U 420/12 aufgestellt. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 06.04.2016 Aktenzeichen VII ZR 83/14 entsprechende Bestätigung vorgenommen, in dem die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde.

2. Arbeitnehmer können durch Anwesenheitsprämien motiviert werden

Im Entgeltfortzahlungsgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei krankheitsbedingter Abwesenheit des Arbeitnehmers bis zu 6 Wochen Lohnfortzahlung in voller Höhe vorzunehmen.

Der Arbeitnehmer, der bei unerheblichen gesundheitlichen Problemen trotzdem arbeiten kommt, ist finanziell nicht besser gestellt als der Arbeitnehmer, der bei jedem Schnupfen gleich einige Tage zu Hause bleibt.

Hier gibt § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz dem Arbeitgeber aber eine Möglichkeit, durch die Gewährung von Anwesenheitsprämien den Arbeitnehmer zu stimulieren, doch intensiv zu prüfen, ob die gesundheitliche Einschränkung tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit mit sich bringt.

§ 4a Entgeltfortzahlungsgesetz lautet wie folgt:

Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), ist auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.

Die Maximalkürzungshöhe darf nicht verletzt werden, da ansonsten die gesamte Regelung unwirksam ist und der Arbeitnehmer trotz krankheitsbedingter Abwesenheit dann Anspruch auf die Anwesenheitsprämie hätte. Der Arbeitgeber kann mit einem Arbeitnehmer z. B. eine Quartalsanwesenheitsprämie in Höhe von 100,00 € brutto vereinbaren. Die Anwesenheitsprämie vermindert sich im Falle krankheitsbedingter Fehlzeiten sowie bei anderweitig bedingten rechtmäßigen Fehlzeiten, während der kein Vergütungsanspruch besteht, für jeden Fehltag im Quartal um ein Viertel des Arbeitsentgelts eines durchschnittlichen Arbeitstages.

Im Falle unberechtigter Fehlzeiten vermindert sich die vorgenannte Anwesenheitsprämie für jeden Fehltag um ein volles Arbeitsentgelt eines durchschnittlichen Arbeitstages. Im Falle berechtigter Fehlzeiten, für die ein Vergütungsanspruch bestehen bleibt, insbesondere bei Erholungsurlaub oder innerhalb der Mutterschutzfristen, findet keine Kürzung der Anwesenheitsprämie statt. Bei einem Arbeitnehmer, der Mindestlohn erhält, würde bei einem 8-Stunden-Tag ein Gehaltsanspruch von 70,72 € brutto bestehen. Wenn dieser Arbeitnehmer nun einen Tag im Quartal krankheitsbedingt fehlt, sind ihm 17,68 € brutto abzuziehen.

3. Anwesenheitsprämie können auf den Mindestlohn angerechnet werden

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in einem Urteil vom 22.11.2016 Aktenzeichen 5 Sa 298/15 entschieden, dass eine entsprechende Anrechnung zulässig ist.

In dem zu entscheidenden Fall, hatte ein Arbeitgeber zu einem Stundenlohn noch eine Anwesenheitsprämie gezahlt, sodass insgesamt hier der geltende Mindestlohn eingehalten worden war. Der Arbeitnehmer klagte aber ein, dass die Anwesenheitsprämie zusätzlich zu den gesetzlichen Mindestlohn hinzukommen müsste, also eine Anrechnung nicht zulässig sei.

Das Landesarbeitsgericht verwies aber darauf, dass die Entgeltzahlung eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit ist. Die Anwesenheitsprämie werde bezahlt, um Fehlzeiten der Arbeitnehmer zu verringern. Deshalb würde hiermit die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung bezahlt. Ob eine Anrechnung der Anwesenheitsprämie auf den Mindestlohn noch sehr motivierend für den Arbeitnehmer ist, ist sehr zu bezweifeln. Es wird ohnehin davon ausgegangen, dass bei Angestellten in Ingenieurbüros Stundenvergütungen gezahlt werden, die zumindest den derzeitigen Mindestlohn von 8,84 € pro Stunde erfüllen.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Mai 2017

Kammerreport April 2017: 1. Keine schriftliche Abnahme der Ingenieurleistung - wann beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Bauherrn gegenüber dem Ingenieur?

siehe Kammerreport: April 2017

1. Keine schriftliche Abnahme der Ingenieurleistung - wann beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Bauherrn gegenüber dem Ingenieur?

Bis zum Inkrafttreten der HOAI 2013 galt für die Fälligkeit von Honoraren des Ingenieurs, dass diese fällig werden, soweit nichts anderes vertraglich vereinbart ist, wenn die Leistung vertragsgemäß er-bracht und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist.

Sofern der Ingenieur seine prüffähige Honorarschlussrechnung erst Monate nach vollständiger Leistungserbringung legte, war die Schlussrechnung erst dann fällig und es begann dann die Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Zahlungsanspruches. Der Beginn der Verjährungsfrist (5 Jahre) für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen des Bauherrn gegenüber dem Ingenieur wegen Planungsmängeln leitet sich schon von dem Termin der vollständigen Erbringung der vertragsgemäßen Leistung ab. Im Einzelfall war es oft schwierig zu ermitteln, wann denn die vertragsgemäße vollständige Leistungserbringung vorlag.

Mit der HOAI 2013 wurde im § 15 Abs. 1 folgende Regelung aufgenommen:

Das Honorar wird fällig, wenn die Leistung abgenommen und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist, es sei denn, es wurde etwas anderes schriftlich vereinbart.

Die Abnahme ist die Erklärung des Bauherrn, dass er die Leistung des Ingenieurs als vertragsgemäß anerkennt. Fälligkeit der Schlussrechnung setzt daher nicht nur die vertragsgemäße Erbringung der Leistungen und eine gelegte prüffähige Honorarschlussrechnung voraus, sondern fordert auch die Abnahme. Mit der Abnahme beginnt auch die Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen wegen Planungsmängeln. Mit der ausdrücklichen Aufnahme der Abnahme in die vorgenannte Regelung des § 15 HOAI 2013 ist die Sach- und Rechtslage aber nicht einfacher geworden, da im Gegensatz zum Bauvertrag bei der Durchführung von Ingenieurverträgen am Ende die Ausfüllung eines gemeinsamen Bauabnahmeprotokolls nicht üblich ist.

Es stellt sich daher die Frage, wie hier für den Ingenieur Rechtssicherheit geschaffen werden kann, damit er nicht ggf. sieben Jahre nach Erbringung der Leistungen noch in die Haftung genommen wird und er dann erhebliche Schwierigkeiten hat, den Einwand zu führen, die Verjährungsfrist von fünf Jahren sei doch schon abgelaufen.

Im Deutschen Ingenieurblatt 1-2-2017 ist zu dieser Frage von Prof. Dr. jur. Sangenstedt auf den Seiten 44/45 ein ausführlicher Artikel veröffentlicht, der zu empfehlen ist. Hieran anknüpfend und durch weitere Rechtsprechung ergänzend sollte der Ingenieur hinsichtlich der Abnahme folgendes beachten:

  1. Am sichersten ist es, wenn Bauherr und Ingenieur ein schriftliches Protokoll aufsetzen, in dem der Bauherr bestätigt, dass er die erbrachten Leistungen als vertragsgemäß anerkennt (förmliche Abnahme).
  2. Der Ingenieur kann dem Bauherrn schriftlich auch eine angemessene Frist setzen, um die Abnahme zu erklären. Wenn der Bauherr die Ingenieurleistung dann nicht innerhalb dieser Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist, liegt auch die Abnahme vor (§ 640 Abs. 1 Satz 3 BGB).
  3. Konkludente/schlüssige Abnahme

    - Eine konkludente Abnahmeerklärung kann auch darin bestehen, dass der Bauherr nach Fertigstellung der Leistung und Ablauf von einer angemessenen Prüffrist (die Rechtsprechung geht von sechs Monaten aus) keine Mängel rügt (OLG Karlsruhe Urteil vom 05.02.2016 Aktenzeichen 8 U 16/14).

    - Wenn der Bauherr die Leistung des Ingenieurs entgegennimmt und ohne Rügen verwendet (z. B. Genehmigungsplanung für Baugenehmigung nutzt, auf der Grundlage der Ausführungsplanung Haus errichtet), ist dieses als Billigung der Leistung des Ingenieurs, also als Abnahme, zu bewerten.

    Die vollständige Bezahlung der Schlussrechnung des Ingenieurs kommt dann noch verstärkend hinzu.

    (OLG Brandenburg Urteil vom 20.08.2014 Aktenzeichen 4 U 3/14; BGH, Beschluss vom 30.11.2016 - VII ZR 228/14).

2. Anforderungen an Nachweis Stundenlohnarbeiten im Bauvertrag:

Im Kammerreport März 2017 waren wir unter der Rubrik Rechtsprechung für Ingenieure unter Ziffer 2. auf Anforderungen aus der Durchsetzung von Stundenlohnvergütungen eingegangen.

Hinsichtlich des Nachweises der erbrachten Stunden wurde auf die Anforderungen des § 15 VOB/B verwiesen. Danach sind werktäglich oder wöchentlich Stundenlohnzettel einzureichen.

Der Bundesgerichtshof hat jetzt mit einem Beschluss vom 15.01.2017 (Aktenzeichen VII ZR 184/14) für den BGB-Bauvertrag (wenn VOB/B nicht anzuwenden ist) die Anforderungen für den Nachweis der Stundenlohnarbeiten erheblich erleichtert. Danach ist es nicht erforderlich, dass der Baubetrieb mitteilt, welche Arbeiten er zu welchem Zeitpunkt mit welchem Stundenaufwand erbracht hat. Es reicht die Information, wie viele Stunden für das vertraglich geschuldete Werk aufgewandt wurden. Auch die Vorlage von Stundennachweisen muss nicht sein. Die Beweislast des Baubetriebes für eine schlüssige Abrechnung ist daher sehr vereinfacht worden.

Dem Bauherrn verbleibt dann nur die Möglichkeit des Gegenbeweises. Es reicht nicht, wenn der Bauherr nur einwendet, soviel Stunden können es ja nicht gewesen sein. Wenn er aber die angegebenen Stunden widerlegen kann bzw. die Unwirtschaftlichkeit des Stundenaufwandes zum Ergebnis durch Umstände darlegen kann, kippt dann die Beweislast wieder und jetzt muss der Baubetrieb vortragen, wie viele Stunden er für welche konkreten Leistungen aufgewandt hat.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. April 2017

Kammerreport März 2017: 1. Künftig neue Regelungen für Vergaben unter den Schwellenwerten

siehe Kammerreport: März 2017

1. Künftig neue Regelungen für Vergaben unter den Schwellenwerten

Die Regelungen für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge über den EU-Schwellenwerten sind grundsätzlich bei den Vergabestellen bzw. Auftraggebern, Architekten- und Ingenieurbüros und den Auftragnehmern bekannt.

Bei Aufträgen, deren geschätzter Nettoauftragswert unterhalb der Schwellenwerte liegt, sind in Vergabevorschriften der Länder bzw. in Vergabehandbüchern auch schon Regelungen getroffen worden, wonach die Vergabestellen nicht einfach freihändig einen Auftragnehmer ohne Beachtung von Wettbewerb, transparenten Verfahren, Wirtschaftlichkeit und Unverhältnismäßigkeit beauftragen dürfen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat unter dem 2. Februar 2017 nunmehr die Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeordnung - UVgO) bekannt gemacht. Diese Vorschrift soll die bisher geltende Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A Abschnitt 1) ersetzen. Die Unterschwellenvergabeordnung wird jeweils für den Bund und jedes Land durch einen Anwendungsbefehl in den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundeshaushaltsordnung bzw. der jeweiligen Landeshaushaltsordnung/Landesvergabegesetz in Kraft gesetzt. Für den Bund soll dieses noch im Frühjahr 2017 vorgenommen werden.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern wird bestimmt analog unter Beachtung des Vergabegesetzes das Inkrafttreten regeln. Für die Vergabe freiberuflicher Leistungen ist § 50 UVgO zu beachten, wonach grundsätzlich die Leistungen im Wettbewerb zu vergeben sind; ansonsten die Vorschriften der UVgO nicht bindend sind (siehe auch: Website der Ingenieurkammer Mecklenburg-Vorpommern; unter Aktuelles > Informationen).

2. Stundenlohnvergütung muss vereinbart sein; die Anzahl der abzurechnenden Stunden muss aber die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit beachten

Im Werkvertragsrecht, egal ob es sich um Bauleistungen oder Ingenieurleistungen handelt, ist es oft zu empfehlen, Leistungen nicht nach Einheitspreisen oder nach Prozentsätzen der HOAI abzurechnen, sondern pro Leistungsstunde einen Stundensatz zu vereinbaren.

Sofern es sich um Ingenieurleistungen handelt, deren Honorierung in der HOAI geregelt ist, ist in diesem Zusammenhang aber zu beachten, dass die Stundenlohnvereinbarung bzw. -abrechnung nur dann wirksam ist, wenn das entsprechende Honorar sich im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze bewegt.

Die Stundenlohnvergütung setzt aber voraus, dass eine Stundenlohnvereinbarung getroffen wurde. Sofern nicht in einer speziellen Vorschrift bzw. im Vertrag geregelt ist, dass Stundenlohnarbeiten schriftlich vereinbart werden müssen, kommt auch eine konkludente Vereinbarung in Frage. Für den Auftragnehmer verbleibt hier aber das hohe Risiko, dass er später nicht den Nachweis erbringen kann, dass eine Stundenlohnvergütung vereinbart wurde.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 01.06.2016 Aktenzeichen VII ZR 131/14 durch Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde eine entsprechende Entscheidung des OLG München vom 06.05.2014 Aktenzeichen 27 U 103/14 bestätigt. Das OLG München hat ausgeführt, dass Stundenlohnarbeiten nur dann als solche vergütet werden, wenn dieses ausdrücklich vereinbart worden ist. Bei der Abrechnung von Stundenlohnarbeiten kommt auch noch eine weitere hohe Anforderung hinzu. Der Auftragnehmer muss den entsprechenden Nachweis der erbrachten Stunden führen. Sofern die VOB/B für das Vertragsverhältnis anzuwenden ist, sind die Anforderungen im § 15 VOB/B geregelt.

Die hier aufgestellten Grundsätze sind auch ansonsten zu beachten. Danach sind je nach der Verkehrssitte werktäglich oder wöchentlich Listen (Stundenlohnzettel) beim Auftraggeber einzureichen, damit dieser die Abrechnungen prüfen, bestätigen bzw. rügen kann. Selbst wenn die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind (wirksame Stundenlohnvereinbarung und Nachweis der erbrachten Stunden) ist dem Auftraggeber nicht der Einwand dann verwehrt, dass die abgerechneten Arbeitsstunden im Verhältnis zu der erbrachten Leistung unwirtschaftlich wären. Im Zweifel ist hier durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu überprüfen.

Dem Auftragnehmer ist hier ein gewisser Spielraum einzuräumen. Diese entsprechende Toleranz ist im Einzelfall zu ermitteln. Das OLG Hamburg, Urteil vom 19.12.2013 - Aktenzeichen 6 U 34/11 (mit Beschluss des BGH vom 08.09.2016 Aktenzeichen VII ZR 28/14 bestätigt) hat hier eine Toleranz von ca. 20 % als angemessen eingeschätzt.

3. Arbeitsrecht: Ist eine verhaltensbedingte Kündigung auch wirksam, wenn die Pflichtverletzung außerhalb der Arbeitszeit liegt?

Jahrzehnte haben hier die Arbeitsgerichte zutreffend eine starke Trennung vorgenommen. Ein rechtlich bzw. moralisch verwerfliches Verhalten eines Arbeitnehmers außerhalb der Arbeitszeit wurde nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Straftaten) als wichtiger Grund für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses zugelassen. So wurde auch der Berufskraftfahrer, der Pflichtverletzungen im Straßenverkehr bei Privatfahrten zu verantworten hatte, weitestgehend von der Rechtsprechung hinsichtlich von Kündigungen des Arbeitgebers geschützt. Die Tendenz ist jetzt aber konsequenter gegenüber Arbeitnehmern.

Ein als Berufskraftfahrer tätiger Arbeitnehmer nahm an einem Wochenende Drogen ein. Bei einer Polizeikontrolle zwei Tage später wurde der Drogenkonsum festgestellt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer wandte ein, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle keine Anhaltspunkte mehr für eine tatsächliche Fahruntüchtigkeit nachweisbar gewesen wären. Der Arbeitgeber sah hier eine grundsätzliche Unzuverlässigkeit, die Verkehrssicherheit, aber auch das Vertrauen der Auftraggeber in den Arbeitgeber gefährden könnte. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sahen die Kündigung nicht als gerechtfertigt an; das Bundesarbeitsgericht entschied aber, dass die fristlose Kündigung wirksam ist (Urteil 20.10.2016 Aktenzeichen 6 AZR 471/15).

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. März 2017

Kammerreport Januar / Februar 2017: 1. Bundesgerichtshof und Oberlandesgericht München bestätigen: Es ist für sich genommen bereits lebensfremd, dass ein Ingenieurbüro umfangreiche Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 kostenlos erbringen möchte

siehe Kammerreport: Januar / Februar 2017

1. Bundesgerichtshof und Oberlandesgericht München bestätigen: Es ist für sich genommen bereits lebensfremd, dass ein Ingenieurbüro umfangreiche Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 kostenlos erbringen möchte

In dem von vorgenannten Gerichten zu entscheidenden Fall hatte ein Architekt ohne schriftlichen Auftrag umfangreiche Planungsleistungen bis zur Einreichung des Antrages auf Baugenehmigung erbracht. Mit dem Bauherrn war wohl vor Erbringung der Leistungen besprochen worden, dass bei Erteilung der Baugenehmigung und der Gewährung eines Investitionskostenzuschusses dann der Vertragsschluss erfolgt. Der Architekt kündigte aber zu diesem Zeitpunkt den Vertrag und forderte sein Honorar. Der Bauherr wandte ein, dass der Architekt in dieser Phase den Vertragsschluss hätte herbeiführen können; jetzt wäre aber ein Vertrag nicht mehr abgeschlossen worden.

Die Gerichte haben zwar weiterhin es für zulässig erachtet, dass umfangreiche Vorleistungen der Architekten und Ingenieure als Akquiseleistungen bewertet werden können; somit kein Honoraranspruch entsteht. Wenn aber die Leistungen des Planers verwendet werden, z. B. für die Beantragung einer Baugenehmigung oder eines Investitionskostenzuschusses, ist von einem konkludenten Vertragsabschluss auszugehen. Die Gerichte ordnen es als lebensfremd ein, dass ein Planer ohne Vergütung dem Bauherrn den Erfolg einer erteilten Baugenehmigung verschaffen will (BGH Beschluss vom 29.06.2016 Aktenzeichen VII ZR 240/14).

2. Pünktliche Gehaltszahlung an Arbeitnehmer erspart pauschalisierten Schadensersatz

Verschiedene Gründen können dafür verantwortlich sein, dass ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern entgegen den vertraglichen Vereinbarungen das monatliche Gehalt zu spät überweist. In der Regel wird der Arbeitnehmer eine Verspätung von einigen Tagen auch so hinnehmen. Der Arbeitnehmer wird auch darauf verzichten, einen Verspätungszins zu berechnen. Bei einem Gehalt von 2.500,00 € und einer um eine Woche verzögerten Zahlung würde sich hier ein Zinsanspruch von ca. 2,00 € ergeben.

Eine im BGB stehende Regelung, die kaum Beachtung bisher gefunden hat, schafft hier aber für den Arbeitnehmer einen pauschalisierten Schadensersatz. § 288 Abs. 5 führt aus: Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40,00 €. Hier kommt es somit nicht auf die Höhe der in Verzug befindlichen Forderung und den Zeitraum des Verzuges an. Der vorgenannte beispielhafte geringe Verzug führt somit auch zu der pauschalen Schadensersatzforderung. Wenn der Arbeitnehmer dann wegen des Verzuges weitere Schäden geltend macht, z. B. sogar einen Prozess beim Arbeitsgericht führen muss und ihm dann sogar noch höhere Schadensersatzansprüche zustehen, sind die 40,00 € anzurechnen.

In der Kommentierung zum BGB, Palandt, 2017, wird in der Randnote 15 zu § 288 zwar ausgeführt, dass im Arbeitsrecht die 40,00 € Pauschale durch die Regelung des § 12a ArbGG verdrängt würde. Im Arbeitsrecht hat der Schuldner zwar Verspätungszinsen zu zahlen; Kosten der Rechtsverfolgung in I. Instanz muss jede Partei aber selbst tragen. Deshalb ist es noch umstritten, ob die Regelung des § 288 Abs. 5 BGB auch für das Arbeitsrecht gilt.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat einem Arbeitnehmer die 40,00 € Schadensersatzpauschale wegen Verzuges für verspätete Lohnzahlung zuerkannt. Gegebenenfalls muss das Bundesarbeitsgericht nunmehr eine endgültige Klarstellung vornehmen. Es ist daher allen Arbeitgebern geraten, die Lohn- und Gehaltszahlungen vertragsgemäß vorzunehmen, damit nicht monatliche pauschale Entschädigungen in dann doch erheblicher Höhe an die Arbeitnehmer gezahlt werden müssten.

3. Haftet der Arbeitgeber dafür, wenn Arbeitnehmer mit privatem Pkw dienstliche Aufgaben erfüllt und dabei Schäden verursacht?

In der täglichen Praxis ist es nicht ungewöhnlich, wenn z. B. ein angestellter Ingenieur schnell mal zur Baustelle mit seinem Privat-Pkw fährt, um dort eine Kontrolle durchzuführen oder Unterlagen zu übergeben.

Was ist nun, wenn dabei der Arbeitnehmer mit seinem Privat-Pkw z. B. an einem geparkten Fahrzeug einen Schaden verursacht. Ob eine Haftung des Arbeitgebers in Frage kommt, hängt erst einmal von der Frage ab, ob der Arbeitgeber gewusst bzw. gebilligt hat, dass der Arbeitnehmer seinen Privat-Pkw dienstlich einsetzt. Wenn dieses so ist, kommt eine Haftung des Arbeitgebers grundsätzlich mit in Frage. Zu beachten ist aber auch, ob der Arbeitnehmer hier nur fahrlässig oder grob fahrlässig gehandelt hat.

Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitgeber nicht. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Urteil vom 27.06.2016, Aktenzeichen 3 Sa 88/16, die Forderung eines Arbeitnehmers abgewiesen, da grobe Fahrlässigkeit vorlag. Es sind daher immer die Umstände des Einzelfalles zu beachten. Es kann auch letztlich zu einer Haftungsquotelung führen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist daher geraten, Klarheit bei der Vereinbarung des Einsatzes privater Pkw zu schaffen bzw. mit den entsprechenden Versicherungen vorher grundsätzliche Abstimmung vorzunehmen.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Februar 2017

Recht aktuell - 2016

Kammerreport Dezember 2016: 1. Planungsleistungen für die öffentliche Hand ohne schriftlichen Vertrag - Honoraranspruch gegeben oder nicht?

siehe Kammerreport: Dezember 2016

1. Planungsleistungen für die öffentliche Hand ohne schriftlichen Vertrag - Honoraranspruch gegeben oder nicht?

Zu dieser Problematik wurde in einem Kammerreport bereits vor vielen Jahren darauf verwiesen, dass bei Beauftragungen durch die öffentliche Hand die Vorschriften des Kommunalverfassungsrechts zu beachten sind.

Wenn Gegenstand der Beauftragung nicht eine Leistung mit geringfügigem Wert bzw. ein Geschäft der laufenden Verwaltung ist, ergeben sich strenge formelle Anforderungen gemäß den Satzungen an die Auftragserteilung. Grundsätzlich sind Bürgermeister und Stellvertreter unter Verwendung des Dienstsiegels zur Beauftragung berechtigt. Wenn eine Beauftragung erfolgt, ohne dass die Unterschriften vorgenannter Personen unter dem Auftrag stehen bzw. das Dienstsiegel nicht aufgebracht wurde, ist der Vertrag formunwirksam. Erbringt dann der Planer Leistungen, geht er das Risiko ein, dass er eine Vergütung nicht durchsetzen kann. Dieses gilt selbst dann, wenn der Planer seine Planungsleistungen der Gemeinde übergibt.

Die Rechtsprechung hat nur dann ausnahmsweise einen Vergütungsanspruch bei dieser Sach- und Rechtslage zugestanden, wenn die Planung sich im Bauwerk erfüllt, also auf der Grundlage der Planung Bauleistungen erbracht wurden. Dann liegt ein Anspruch auf Wertersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung vor. Diese Rechtsprechung weiterführend hat das Oberlandesgericht Braunschweig in einem Urteil vom 30.06.2016 (Aktenzeichen 8 U 97/15) einem Ingenieur Honorar in Höhe von 16.000,00 € zugestanden, obwohl er keinen formwirksamen Auftrag seitens der Gemeinde zur Überprüfung des Zustandes verschiedener Straßenbrücken hatte. Das Ergebnis der Überprüfung benötigte die Gemeinde im Zusammenhang mit der Erteilung von Genehmigungen zur Durchführung von Schwerlasttransporten.
Den Planern ist aber zu empfehlen bei Beauftragungen seitens der öffentlichen Hand darauf zu drängen, dass vor Durchführung der Leistungen formwirksame Beauftragungen vorliegen. Dann erspart man sich den komplizierten und auch immer risikoreichen Weg der gerichtlichen Durchsetzung eines Honoraranspruches auf Basis der Regelungen über einen Wertersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung (siehe auch IBR November 2016, Seite 646).

2. Planer muss Kostenvorstellungen des Bauherrn bereits in der Grundlagenermittlung abfragen

Insbesondere mit der HOAI von 2013 sind dem Planer noch weitere umfassendere Pflichten bei der Kostenermittlung und Kostenkontrolle im Interesse des Bauherrn auferlegt worden, damit der Planer dann auch einen entsprechenden Anspruch auf Vergütung gemäß HOAI hat.

Eine gerichtliche Entscheidung sorgte in diesem Zusammenhang für Aufsehen. In einem ersten Gespräch war von dem Bauherrn in Anwesenheit eines Zeugen (Ehepartners) mündlich dem Planer mitgeteilt worden, in welchem Umfang finanzielle Mittel für das Bauvorhaben zur Verfügung stehen würden. Die Planungen hätten dann aber zu Kosten geführt, die weit darüber hinaus gingen. Deshalb wurden diese Planungen als mangelhaft vom Gericht eingeschätzt und ein Vergütungsanspruch des Planes war nicht gegeben.

Es ist aber nicht nur die Pflicht des Planers, die von den Bauherren geäußerten finanziellen Möglichkeiten zu beachten, sondern der Planer muss von selbst bereits in der Grundlagenermittlung vom Bauherrn einfordern, dass dieser über die zur Verfügung stehenden Mittel Auskunft gibt. Dieses gilt auch dann, wenn der Bauherr den Eindruck vermittelt, dass er über grenzenlose finanzielle Mittel verfügt.

Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr einen Fall zu entscheiden, bei dem die Kosten eines Bauvorhabens ausuferten und der Bauherr dann einen Baustopp vornahm und sich anderweitig zusätzliche erforderliche Mittel beschaffen musste. Der Bauherr wollte nunmehr das gezahlte Honorar zurück. Der Planer musste das Honorar zurückzahlen. Seine Leistung war aus vorgenannten Gründen mangelhaft. Darüber hinaus kann der Bauherr den Planer dann noch schadenersatzpflichtig machen. Hier sind die Vorteile, die der Bauherr erlangt (für das teurere Bauvorhaben hat der Bauherr aber auch eine entsprechende höhere Leistung erhalten), anzurechnen. Zusätzliche Finanzierungskosten (Zinsen), Kosten für die Beauftragung von Anwälten usw. sind aber Schäden.
Das ganz Gefährliche für den Planer ist, dass für diese Haftungsfälle die Ingenieurhaftpflichtversicherungen regelmäßig nicht einstehen. Deshalb immer von Anfang an die finanziellen Möglichkeiten des Bauherrn und die Beratung über die zu erwartenden Kosten vornehmen.

3. Haftung für Mängel unabhängig von der Honorarhöhe

Übernimmt ein Ingenieurbüro Planungs- bzw. Bauüberwachungsleistungen und sind diese mangelhaft, haftet das Ingenieurbüro gegenüber dem Bauherrn dafür. Die Haftung ist nicht dadurch eingeschränkt, dass das Ingenieurbüro kein Honorar (z. B. bei einer bestehenden persönlichen Nähe, bei Verwandten, bei gemeinnützigen Vereinen usw.) oder ein geringes Honorar (z. B. bei Bauherren, die das Ingenieurbüro regelmäßig beauftragen) nur geltend machen wollte. Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof nochmals mit Beschluss vom 13.07.2016, Aktenzeichen VII ZR 29/14 bestätigt.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Dezember 2016

Kammerreport November 2016: 1. Besonderheiten des Arbeitsrechts bei Homeoffice-Tätigkeiten (Heimarbeit, Telearbeit)

siehe Kammerreport: November 2016

1. Besonderheiten des Arbeitsrechts bei Homeoffice-Tätigkeiten (Heimarbeit, Telearbeit)

- Für Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer ist eine berufliche Tätigkeit, die von zu Hause erledigt werden kann, oft von Vorteil, da in der Regel selbst entschieden werden kann, wann welche Arbeiten erledigt werden. Auch für Ingenieurbüros kann im Einzelfall die Übertragung von Arbeitsaufgaben im Rahmen der Heimarbeit effektiv sein.

Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr einen Fall zu entscheiden, ob ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis auch über zwei Jahre (unter Berücksichtigung der Zeit des Heimarbeitsverhältnisses) hinaus weiter wirksam befristet werden könnte. Die Arbeitnehmerin sah darin einen Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz und verlangte Weiterbeschäftigung. Richtig ist, dass gemäß § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz eine Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne Sachgrund maximal zwei Jahre andauern darf. Wenn vorher schon die Arbeitnehmerin in Heimarbeit für den Arbeitgeber tätig gewesen war, ergibt sich ein Zeitraum von über 2 Jahren.

Das Bundesarbeitsgericht entschied aber, dass das vorherige Heimarbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Heimarbeitsgesetz kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz ist. Die Zeiten der Heimarbeit waren somit nicht zu berücksichtigen und der Arbeitgeber konnte anschließend ein befristetes Arbeitsverhältnis für die Dauer von zwei Jahren ohne Sachgrund im Unternehmen abschließen (Bundesarbeitsgericht 24.08.2016, Aktenzeichen 7 AZR 342/14).

- In einem anderen Fall war eine Arbeitnehmerin auf dem Weg von ihrem häuslichen Arbeitszimmer zur Küche, die ein Stockwerk tiefer lag, auf der Treppe ausgerutscht und hatte sich verletzt. Sie hatte daraufhin Ansprüche gegen die Unfallkasse geltend gemacht. Diese wurden aber mit der Begründung abgelehnt, dass der Sturz der Arbeitnehmerin auf der Treppe nicht als Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB einzuordnen ist. Es war ein privater Gang in die Küche und somit kein Arbeitsweg (BSG 05.07.2016, Aktenzeichen B 2 U 5/15 R).

2. Vorsicht: Wenn nur Einwendungen gegen die Rechnung hinsichtlich der Höhe vorgetragen werden, kann später nicht die fehlende Prüfbarkeit gerügt werden

Eine nicht prüfbare Rechnung führt nicht zur Fälligkeit. Der Auftraggeber gerät dadurch nicht in Verzug. Der Einwand der fehlenden Prüfbarkeit muss aber im Rahmen der Gesamtprüfung der Rechnung begründet vorgetragen werden. Es reicht nicht, pauschal eine fehlende Prüfbarkeit einzuwenden.

Dem Auftragnehmer muss mitgeteilt werden, warum die Rechnung nicht prüfbar ist (z. B. weil Rechnungspositionen nicht den Positionen des Leistungsverzeichnisses des Vertrages entsprechen usw.). Wenn der Auftraggeber im Rahmen der Rechnungsprüfung lediglich sachliche Einwendungen vorbringt (z. B. Einwendungen gegen die Höhe, gegen Aufmaße usw.) kann er später gegen die Fälligkeit der begründeten Forderung des Auftragnehmers nicht mehr die fehlende Prüfbarkeit einwenden. Die Forderung war dann bereits zum Zeitpunkt der Mitteilung des Prüfungsergebnisses fällig.

Wenn der Auftraggeber dadurch in einen erheblichen Verzug gerät, kann der Auftragnehmer sogar den Vertrag aus wichtigem Grund, im Extremfall auch ohne vorherige Abmahnung, kündigen (OLG Stuttgart Urteil vom 10.12.2015, Aktenzeichen 19 U 57/15; BGH, Beschluss vom 13.07.2016 VII ZR 19/16).

3. Pflicht aus Leistungsphase 9: Objektbegehung zur Mängelfeststellung vor Ablauf der Verjäh-rungsfristen für Mängelansprüche, aber nicht: Beratung und Unterstützung bei Durchsetzung von Mängelansprüchen

In den alten Fassungen der HOAI gehörte neben der Objektbegehung zur Mängelfeststellung vor Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche auch die Überwachung der Mängelbeseitigung innerhalb der Verjährungsfrist zu den Grundleistungen der Leistungsphase 9 (Objektbetreuung).

Seit der HOAI 2013 ist die Überwachung der Mängelbeseitigung eine besondere Leistung, die von dem Ingenieur nur dann zu realisieren ist, wenn er hiermit ausdrücklich beauftragt wurde.

Auftraggeber gehen aber oft davon aus, dass der Ingenieur den Auftraggeber auch weiterhin begleiten muss, um die Durchsetzung von Mängelansprüchen gegenüber den Bauunternehmern durchzusetzen.

Das OLG Schleswig hat in dem Beschluss vom 14.04.2015 Aktenzeichen 1 U 187/13 und letztlich dann auch der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11.05.2016 Aktenzeichen VII ZR 88/15 bestätigt, dass den Ingenieur diese Pflichten nicht treffen, es sei denn, diese sind ausdrücklich vereinbart. Einerseits ist der Ingenieur davor zu warnen, hier zu weit in die Beratung zu gehen. Mit der Beratung wären rechtliche Einschätzungen verbunden, die nach dem Rechtsberatungsgesetz ohnehin nur von den dazu befugten Personen zu erbringen sind. Auch ist das Haftungsrisiko hier für den Ingenieur sehr hoch; die Ingenieurhaftpflichtversicherungen treten für diese Pflichtverletzungen ggf. nicht oder nur eingeschränkt ein.

Andererseits sind mit der Durchsetzung von Gewährleistungsforderungen gegen den Willen der Bauunternehmen umfangreiche Leistungen des Ingenieurs verbunden (Erstellen von Dokumentationen, Überwachen der Mängelbeseitigung usw.). Dieses sind besondere Leistungen, deren Honorierung gemäß § 3 Abs. 3 HOAI 2013 gesondert zu vereinbaren ist.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. November 2016

Kammerreport Oktober 2016: 1. Gestaltung von Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen müssen die Textform zulassen

siehe Kammerreport: Oktober 2016

1. Gestaltung von Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen müssen die Textform zulassen

Gegenseitige Forderungen aus dem Arbeitsvertrag unterliegen, sofern im Arbeitsvertrag bzw. Tarifverträgen nichts gesondert vereinbart ist, den allgemeinen Verjährungsfristen gemäß Bürgerlichen Gesetzbuch.

Hat der Arbeitgeber in einer monatlichen Gehaltsabrechnung z. B. Zuschläge zu gering berechnet, kann der Arbeitnehmer dann auch noch drei Jahre später diese Forderungen erheben. Gleichfalls gilt für den Arbeitgeber die Möglichkeit bei Überzahlung des Arbeitnehmers die Rückforderung noch Jahre später geltend zu machen. Dieses bringt aber Rechtsunsicherheit bzw. auch Nachweisschwierigkeiten mit sich. Viele Tarifverträge regeln daher kürzere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen (Ausschlussfristen). Auch wenn keine tarifvertragsrechtliche Regelung gegeben ist, können Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen vereinbart werden.

Die Rechtsprechung hat hier aber vorgegeben, dass für die erste Stufe der Geltendmachung von Ansprüchen mindestens eine Frist von drei Monaten nach Fälligkeit der Forderung eingeräumt werden muss. Für die anschließende gerichtliche Geltendmachung müssen dann weitere drei Monate zur Verfügung stehen. Bisher konnte der Arbeitnehmer die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nur durch die Wahrung der Schriftform innerhalb der Ausschlussfrist sichern. Schriftform heißt, dass die entsprechende Erklärung mit der eigenhändigen Namensunterschrift unterzeichnet wurde. Textform war bisher nicht ausreichend. Die Textform ist auch eingehalten, wenn der Arbeitnehmer per E-Mail oder Fax seine Ansprüche geltend macht.

Durch das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17. Februar 2016 ist nunmehr vorgegeben, dass in Arbeitsverträgen, die ab dem 1. Oktober 2016 abgeschlossen werden, die Ausschlussfristen nur dann wirksam vereinbart sind, wenn darin die Textform als ausreichend geregelt ist. Wenn z. B. ein Arbeitgeber bei einem neu abzuschließenden Arbeitsvertrag noch eine alte Klausel für Ausschlussfristen verwendet (Schriftform), ist die gesamte Klausel unwirksam und es gelten stattdessen die langen dreijährigen Verjährungsfristen.
Arbeitsverträge die vor dem 01.10.2016 abgeschlossen wurden und bei denen noch die Schriftform als Anforderung in Ausschlussfristen geregelt ist, haben Bestandsschutz. Wenn aber für diese Altverträge eine geringe Änderung in anderen Klauseln vorgenommen wird, ist dann die alte Klausel mit der Schriftform auch unwirksam. Sofern daher Arbeitsverträge geändert werden, ist dann auch die Textform als ausreichend bei der Regelung der Ausschlussfristen aufzunehmen.

2. Fax-Sendebericht in Ordnung, Faxgerät übermittelte aber fehlerhaft: Frist gewahrt?

Der Bundesgerichtshof hatte zu der oben genannten Frage zwar hinsichtlich der Wirksamkeit der Fristwahrung eines Rechtsanwaltes gegenüber dem Gericht zu entscheiden, die Grundsätze sind aber auch wichtig, wenn z. B. ein Ingenieurbüro fristwahrend Erklärungen z. B. gegenüber einem Vertragspartner abgeben will und für diese Erklärungen nicht eine gesonderte Form vorgeschrieben ist (z. B. bei Kündigungen des Arbeitnehmers muss die Schriftform gewahrt werden, Fax reicht nicht aus).
Der Rechtsanwalt hatte in dem Fall ein Fax vor Fristablauf aufgegeben und sein Faxgerät druckte einen Sendebericht aus. Tatsächlich hatte das Gerät aber einen Fehler, sodass beim Gericht nicht alles zu lesen war. Die schriftliche Ausfertigung des Schreibens war auf dem Postweg dann aber auch nachgereicht worden. Der Bundesgerichtshof entschied, dass aufgrund des Faxberichtes der Anwalt auf die vollständige Übertragung vertrauen durfte, in einem solchen Falle galt das Schreiben als rechtzeitig eingegangen (BGH Urteil vom 25.05.2016, Az. VIII ZB 57/159).

3. Bauherr hat Obliegenheitsverpflichtung gegenüber einem Gartenplaner, ordnungsgemäße Pläne des Objektplaners zu übergeben

Der Bauherr ist grundsätzlich kein Fachmann für Planungsleistungen. Wenn der Bauherr aber von einem von ihm beauftragten Objektplaner Unterlagen erhält und er diese an einen weiteren von ihm beauftragten Planer weitergibt, da dieser Angaben aus der Objektplanung für seine Fachplanungen benötigt, übernimmt der Bauherr hiermit vertraglich geschuldete Mitwirkungsleistungen. Wenn keine offensichtlichen Mängel der Objektplanung für den Fachplaner zu sehen sind, kann dieser darauf vertrauen, dass er die Angaben aus der Objektplanung für seine Planung nutzen kann.

In dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall, waren die auf der Grundlage der Fachplanung durchgeführten Bauarbeiten mangelhaft. Der Bauherr nahm daher die Fachplaner in Anspruch. Dieser konnte aber nachweisen, dass er selbst keinen Planungsmangel verursacht hatte und die letztlich aufgetretenen Schäden ihre Ursache in der mangelhaften Objektplanung hatten. Der Bauherr war seiner Obliegenheitspflicht der Zurverfügungstellung von mangelfreien Planungen nicht nachgekommen und musste sich dieses von dem Fachplaner entgegenhalten lassen (BGH Urteil vom 14.07.2016, Az. VII ZR 193/14).

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Oktober 2016

Kammerreport September 2016: 1. Wer ist Vertragspartner, wenn von Ehegatten nur einer unterschreibt?

siehe Kammerreport: September 2016

1. Wer ist Vertragspartner, wenn von Ehegatten nur einer unterschreibt?

Ein nicht seltener Fall: Der Ingenieur verhandelt über lange Zeit zu einem Bauvorhaben, bei dem er weiß, dass die Ehegatten Eigentümer sind bzw. gemeinschaftlich in dem Haus wohnen wollen bzw. dieses erwerben werden. Letztlich erhält der Ingenieur einen schriftlichen Auftrag, der aber nur von einem Ehepartner unterzeichnet ist. Nach Erbringung seiner Leistungen fordert der Ingenieur sein Honorar von beiden Ehepartnern. Der nicht mitunterzeichnende Ehepartner wendet ein, dass er nicht Auftraggeber sei und der andere Ehepartner auch keine Vollmacht von ihm gehabt hätte. Der den Auftrag unterzeichnende Ehepartner wäre zwar in der Zahlungspflicht, hat aber kein ausreichendes Einkommen und ist nicht liquide.

Es ist in diesem Fall schwer für den Ingenieur, die Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht des unterzeichnenden Ehepartners, die auch den anderen Ehepartner verpflichten würde, nachzuweisen. Die Gerichte weisen daher regelmäßig Klagen gegen den Ehepartner, der nicht unterzeichnet hat, ab. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz: Unterschriften unter dem Vertrag sind von allen Auftraggebern einzufordern.

Nach den Umständen des Einzelfalles, kann nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes, aber auch der nicht mitunterzeichnende Ehepartner Vertragspartner geworden sein. Wenn es um einen Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfes geht (z. B. handwerkliche Reparaturen an der Wohnung bzw. an dem von den Ehepartnern bewohnten Grundstück) sind ohnehin beide Ehegatten berechtigt oder verpflichtet (siehe auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.2000 Aktenzeichen 21 U 68/00).

Bei einem größeren Bauauftrag geht es aber nicht mehr um ein regelmäßiges Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfes. Dann müssen schon andere Indizien hinzutreten, die auch den anderen Ehepartner verpflichten würden.
Der Bundesgerichtshof hat hier darauf verwiesen, dass diese Indizien gegeben sind, wenn einerseits der unterzeichnende Ehepartner angibt, dass Schriftverkehr bzw. Rechnungslegung an beide Eheleute erfolgen sollen bzw. dann auch beide Ehepartner im Schriftverkehr auftreten bzw. an Beratungen teilnehmen. (OLG Celle, Urteil vom 26.09.2013, Aktenzeichen 13 U 94/11 und BGH, Beschluss vom 28.01.2016, Aktenzeichen VII ZR 218/13).

2. Verjährungsfrist bei Forderungen gegenüber dem Ingenieurbüro

Bei einem Vollauftrag (Leistungsphasen 1 bis 9) beginnt die Verjährungsfrist von fünf Jahren bei Forderungen gegenüber dem Ingenieur erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gegenüber dem Bauunternehmen (also 10 Jahre nach Beendigung der Baumaßnahme).

Diesem Haftungsrisiko einschränkend entgegentretend versuchen Architekten und Ingenieure in ihren Vertragsklauseln eine Regelung aufzunehmen, wonach die Verjährung der Leistungen aus den Leistungsphasen 1 bis 8 mit der Ingebrauchnahme des Bauwerkes beginnt. Eine solche Klausel widerspricht aber den Regelungen des § 309 Nr. 8 b BGB. Danach darf die Verjährung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht erleichtert werden. Um aber die beabsichtigte Wirkung des früheren Eintritts der Verjährung zu erreichen, sollte der Ingenieur in dem individual ausgehandelten Vertrag aufnehmen, dass nach Beendigung der Leistungsphase 8 eine Teilabnahme erfolgt und die Verjährung für Forderungen des Bauherrens gegenüber dem Ingenieur fünf Jahre nach dieser Teilabnahme eintritt.
Wichtig ist auch, dass die Teilabnahme nach Beendigung der Leistungsphase 8 auch durchgeführt bzw. nachweisbar dokumentiert wird. (siehe auch OLG Celle, Urteil vom 18.06.2015, Aktenzeichen 6 U 12 / 105 - noch nicht rechtskräftig; siehe auch IBR, August 2016, Seite 468)

3. Arbeitsrecht: Sind heimliche Aufnahmen eines Personalgespräch erlaubt?

Zwischenzeitlich hat sich die allgemeine Erkenntnis bei Arbeitgebern durchgesetzt, dass nicht vorher angekündigte Aufzeichnungen von Gesprächen oder nicht mit dem Betriebsrat vereinbarte Kameraüberwachungen für den Nachweis von Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers untauglich sind (Verwertungsverbot). Die Tendenz in der öffentlichen Meinung, aber auch in Kommentierungen bzw. in einzelnen Gerichtsentscheidungen, ist aber gegensätzlich, wenn es um Forderungen von Arbeitnehmern geht. Hier zeigen erstinstanzliche Gerichte oft Verständnis für den Arbeitnehmer.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in seiner Entscheidung vom 03.02.2016, Aktenzeichen 7 S 220/15 hier aber eine klare Entscheidung entgegengesetzt. Die heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs und die Verwendung in einer weiteren Auseinandersetzung stellt eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar. Es gibt auch einen Schutzbereich der Grundrechte eines Vorgesetzten oder anderer Kollegen. Diese Aufnahmen unterliegen auch einem Verwertungsverbot und können auch eine ordentliche aber auch außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber, auch ohne vorherige Abmahnung, rechtfertigen.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. September 2016

Kammerreport Juli / August 2016: 1. Arbeitsrecht: Aktuelles zum Mindestlohn

siehe Kammerreport: Juli / August 2016

1. Arbeitsrecht: Aktuelles zum Mindestlohn

1.1. Erhöhung des Mindestlohnes ab 01.01.2017 auf 8,84 € brutto

Die nach dem Mindestlohngesetz zuständigen Gremien haben beschlossen, dass der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ab 01.01.2017 8,84 € brutto pro Stunde beträgt. Die nächste Erhöhung könnte dann ab 01.01.2019 vorgenommen werden.

Sofern Arbeitgeber eine Pauschalisierung des monatlichen Lohnes durchführen wollen, ohne dass ein Verstoß gegen den Mindestlohn auftreten kann, müsste die Pauschalisierung in einer Höhe erfolgen, wonach auch Monate mit vielen Arbeitstagen (maximal 23 Arbeitstage) den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden. 23 Arbeitstage mit täglich acht Stunden Arbeitszeit ergeben dann ein Mindestbrutto von 1.626,56 €.

Eine solche pauschalisierte Vereinbarung muss natürlich nicht vorgenommen werden, es kann auch eine differenzierte Abrechnung erfolgen, die aber zumindest absichert, dass 8,84 € brutto pro Arbeitsstunde gezahlt werden. Die vertraglichen Vereinbarungen müssen aber entsprechend vorliegen.

Bei Arbeitnehmern, deren Bruttogehalt monatlich bei Vollbeschäftigung in dem vorgenannten Bereich liegt, sollte daher vorsorglich schon rechtzeitig die sich aus der zwingenden Erhöhung des Mindestlohnes ergebende Anpassung geprüft bzw. vorgenommen werden.

1.2. Sonderzahlungen können unter Umständen auf den Mindestlohn angerechnet werden

Nach der Einführung des Mindestlohnes ab 01.01.2015 wurde eine Vielzahl von Kommentierungen vorgenommen bzw. es ergingen einige Urteile von Arbeitsgerichten, die darauf verwiesen, dass keine Verletzung des Mindestlohnes durch Anrechnung von Zuschlägen

oder anderen Zahlungen des Arbeitgebers erfolgen darf. Dieses ist grundsätzlich auch richtig und gilt weiter. Die Rechtsprechung ist aber jetzt schon differenzierter.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 25.05.2016, Aktenzeichen 5 AZR 135/16, entschieden, dass unter bestimmten Bedingungen auch Sonderzahlungen angerechnet werden können und so der gesetzliche Mindestlohn erreicht wird. Der Arbeitgeber in diesem Fall hatte Sonderzahlungen dafür an die Arbeitnehmer vorgenommen, dass das Arbeitsverhältnis im jeweiligen Jahr bestand. Diese Sonderzahlungen wurden gleichmäßig auf alle 12 Monate verteilt. Das Bundesarbeitsgericht bewertete hier, dass es sich bei den Sonderzahlungen um ein Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung der Beschäftigten handelte. Deshalb konnte die jeweilige monatliche Sonderzahlung auf den Mindestlohn angerechnet werden. Der sonstige Stundenlohn bei dem Arbeitgeber lag unter dem Mindestlohn. Die Arbeitnehmer wollten dann auch, dass Überstunden, Sonn- und Feiertage sowie Nachtzuschläge nicht auf der Grundlage des Stundenlohnes unter 8,50 € berechnet werden dürfen, sondern die Abrechnungsgrundlage 8,50 € sein sollte. Durch die Anrechnung der Sonderzahlungen würde das Mindestlohngesetz realisiert. Die Zuschläge können aber weiterhin auf der Grundlage des unter 8,50 € liegenden sonstigen Stundenlohnes berechnet werden.

2. Ist ein Wohngebäude mit Kanzleiräumen ein Einfamilienhaus im Sinne des § 648a BGB?

§ 648 a BGB regelt die sogenannte Bauhandwerkersicherung. Danach kann der Ingenieur oder der Bauunternehmer vom Bauherrn Sicherheit für noch nicht gezahlte Vergütung verlangen. Dem Bauherrn sind die Kosten der Sicherheit bis zu einem Höchstsatz von 2 % durch den Ingenieur oder Bauunternehmer zu erstatten. Wird die Sicherheit nicht in angemessener Zeit gestellt, kann der Ingenieur oder der Bauunternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen. Die Bauhandwerkersicherung kann aber nicht gefordert werden, wenn der Bauherr eine natürliche Person ist und die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses erfolgen.

In einem von dem Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall, war der Bauherr ein Rechtsanwalt, der in dem von ihm bewohnten Haus aber auch seine Kanzlei betrieb. Es wurden sogar zwei getrennte Bauverträge für den Wohnteil und den Praxisteil abgeschlossen. Trotzdem entschied der Bundesgerichtshof, dass in diesem Fall, da der Wohnteil in dem Haus erheblich größer als der Praxisteil war, die gesamte Vertragsbeziehung als Einfamilienhaus zu bewerten war. Der Bauherr konnte somit die geforderte Sicherheitsleistung verweigern (Siehe auch Bundesgerichtshof Urteil vom 10.03.2016, Aktenzeichen VII ZR 214/15; IBR Juni 2016, 343).

3. Ingenieur muss bei Rechnungsprüfung in Leistungsphase 8 Überzahlungen vermeiden

Anlage 10 zu § 34 HOAI regelt unter der Leistungsphase 8 als Grundleistungen die Rechnungsprüfung einschließlich Prüfung der Aufmaße der bauausführenden Unternehmen, den Vergleich der Ergebnisse der Rechnungsprüfungen mit den Auftragssummen einschließlich Nachträgen und die Kostenkontrolle durch Überprüfen der Leistungsabrechnung der bauausführenden Unternehmen im Vergleich zu den Vertragspreisen. Hier ist nicht ausdrücklich aufgeführt, dass der Ingenieur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Rechnungsprüfung auch Zahlungsempfehlungen an den Bauherren abgibt. Dabei muss der Ingenieur die ihm bekannten Abschlags- bzw. Vorauszahlungen berücksichtigen.

Gibt der Ingenieur eine vorbehaltslose Zahlungsfreigabe auf der Grundlage der Schlussrechnung und erfolgt dadurch eine Überzahlung, weil vorher vorgenommene Zahlungen nicht zutreffend berücksichtigt wurden, kann der Ingenieur in die Haftung genommen werden, wenn der Bauherr die Überzahlung aus rechtlichen (z. B. Verjährung) bzw. tatsächlichen (z. B. Insolvenz des Bauunternehmens) nicht erfolgreich zurückfordern kann (Siehe auch OLG Frankfurt Urteil vom 31.03.2016, Aktenzeichen 6 U 36/15 - noch nicht rechtskräftig, da Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt).

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. August 2016

Kammerreport Juni 2016: Rechtliche Klarheit schon beim Vertragsabschluss schaffen

siehe Kammerreport: Juni 2016

Rechtliche Klarheit schon beim Vertragsabschluss schaffen

Täglich erfüllen Bauherren und Ingenieurbüros grundsätzlich ihre Rechte und Pflichten bei der Umsetzung der vertraglichen Beziehungen. Wenn es aber während der Vertragsdurchführung oder nach Beendigung der Leistungen zum Streit kommt, stellt man oft fest, dass es besser gewesen wäre beim Vertragsabschluss rechtliche Klarheit zu schaffen. Der Ingenieurvertrag muss nicht schriftlich abgeschlossen werden (Ausnahmen z. B.: Vertragsabschlüsse mit der öffentlichen Hand, bei zwingenden Vergabevorschriften usw.) und ist trotzdem wirksam. Das Problem besteht aber darin, dass dann nach vielen Monaten und teilweise Jahren keine Partei viele der mündlichen Absprachen noch im Detail weiß bzw. beim Streit über den Vertragsinhalt die Nachweisführung kompliziert ist. Aber auch beim Abschluss schriftlicher Ingenieurverträge ist bei der Erarbeitung Regelung für Regelung zu prüfen, ob alle Angaben exakt sind.

Nachfolgende Urteile belegen vorgenannte Notwendigkeiten:

1. Wer ist der Vertragspartner?

Eine Gemeinde hatte für ein umfangreiches Bauvorhaben eine Vergabe nach VOF vorgenommen. Zwei Architekten in Gesellschaft bürgerlichen Rechts waren als Bieter aufgetreten und hatten nach Beschluss des Gemeinderates den Zuschlag erhalten. In dem schriftlichen Vertrag, der auch vom Bürgermeister unterzeichnet war, war als Auftragnehmer aber eine GmbH ausgewiesen, deren geschäftsführende Gesellschafter die Architekten ebenfalls waren. Als es dann zum Streit über verschiedene Rechte und Pflichten kam, stellte sich die Frage, ob unter Beachtung der vergaberechtlichen und kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen der Vertrag überhaupt wirksam war.

Das Oberlandesgericht Stuttgart stellte im Urteil vom 09.02.2016, Aktenzeichen 10 U 137/15 fest, dass der Vertrag unwirksam ist. Bieter war die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mit dieser hätte der Bürgermeister den Vertrag wirksam abschließen können. Dass bei den handelnden Personen Identität vorliegt, ist nicht entscheidend. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die GmbHs sind zwei verschiedene Gesellschaften.

Das vorgenannte Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart ist zwar noch nicht rechtskräftig (Revision beim Bundesgerichtshof ist eingelegt worden, Aktenzeichen VII ZR 49/16), die sich daraus ableitenden Grundsätze sind aber ohnehin allgemeinverbindlich. Auch wenn keine Gemeinde Auftraggeber ist bzw. vergaberechtliche Vorschriften zu beachten sind, ist es im Streitfall oft schwierig festzustellen, wer überhaupt der Auftraggeber ist. So werden z. B. im Kopf des Vertrages eine natürliche Person eingetragen, während auf der letzten Seite in der Unterschriftsleiste dann zur Unterschrift dieser Person noch ein Stempel z. B. einer GmbH aufgetragen wird, bei der der Unterzeichner Inhaber ist. Oder Eigentümerin des Grundstückes, auf dem das Bauwerk errichtet wird, ist die Ehefrau. Diese wird auch als Bauherrin oben im Vertrag aufgeführt. Der Vertrag wird dann aber vom Ehemann unterzeichnet.

In diesen Fällen geht dann der Streit darüber los, ob die unterzeichnenden Personen bevollmächtigt waren, ob eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht gegeben waren oder ob der Unterzeichner vielleicht tatsächlich Auftraggeber war. Die Klärung wird dann über Bewertung des Schriftwechsels oder über Zeugen versucht. Hier besteht ein hohes Risiko.

Wenn dann das Ingenieurbüro über Jahre versucht hat, beim falschen angeblichen Vertragspartner Forderungen geltend zu machen und den richtigen Vertragspartner nicht der Streit verkündet wurde, ist dann ggf. die Forderung gegenüber dem richtigen Vertragspartner verjährt, wenn man dann erst nach drei Jahren auf die andere Person bei der Forderungsdurchsetzung umschwenkt.

2. Projektleiter des Bauherrn nicht automatisch zur Beauftragung von Leistungen befugt

Ein Bauherr hatte für ein umfangreiches Bauvorhaben einen Projektleiter vertraglich gebunden, der ein planerisches Konzept zu erarbeiten hatte. In diesem Zusammenhang beauftragte der Projektleiter für eine Teillösung mündlich ein Ingenieurbüro. Das Ingenieurbüro erbrachte die Leistungen und legte Rechnung. Vom Bauherrn wurde aber eingewandt, dass das Ingenieurbüro gar nicht wirksam beauftragt sei. Insbesondere wurde darauf verwiesen, dass auf dem Briefkopf des Bauherrn vermerkt war, dass Beauftragungen einer schriftlichen beiderseitigen Vereinbarung bedurften. Das Ingenieurbüro durfte daher nicht darauf vertrauen, dass der Projektleiter zum Vertragsabschluss bevollmächtigt war.

Das OLG Frankfurt hat in einem Urteil vom 02.04.2015, Aktenzeichen 13 U 132/13 entsprechend entschieden; der BGH hat im Beschluss vom 13.08.2015, Aktenzeichen VII ZR 89/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen) Bestätigung vorgenommen.

Im vorgenannten Fall war durch die entsprechende Anbringung eines Hinweises im Briefkopf die Angelegenheit relativ klar. Aber auch wenn Bauherren in Geschäftspapieren nicht ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass Verträge nur schriftlich abzuschließen sind bzw. vom gesetzlichen Vertreter unterzeichnet werden dürfen, ist vom Ingenieurbüro immer kritisch zu hinterfragen, ob die für den Bauherren im Schriftverkehr bzw. bei Verhandlungen auftretende Person überhaupt bevollmächtigt ist, verbindliche Aufträge für den Bauherren zu erteilen. Wenn der Bauherr eine natürliche Person ist und den Auftrag persönlich erteilt, kann es keinen Streit geben. Gleiches gilt wenn eine Gesellschaft als Auftraggeber auftritt und die gesetzlichen Vertreter (ergibt sich aus den jeweiligen Rechtsvorschriften) die Beauftragung vornehmen. Bei jedem Abweichen der Identität zwischen v. g. gesetzlich befugten Personen und Vertretern, die den Vertragsabschluss vornehmen wollen (Bauleiter, Projektleiter, andere leitende Mitarbeiter des Bauherren, beauftragte Architekten oder Ingenieure usw.) ist es daher notwendig, die entsprechende Bevollmächtigung zum Vertragsabschluss nachweisen zu lassen. Dieses gilt auch für Vertragsänderungen, Ergänzungen oder Erklärungen zur Beendigung der Vertragsbeziehung.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Juni 2016

Kammerreport Mai 2016: 1. Bundesregierung hat am 02. März 2016 Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts beschlossen

siehe Kammerreport: Mai 2016

1. Bundesregierung hat am 02. März 2016 Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts beschlossen

Der zuständige Bundesminister Heiko Maas wird wie folgt zitiert: „Bauen hat im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang eine immense Bedeutung, betrifft aber insbesondere das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger in existenzieller Weise. Mit unserem Gesetzentwurf stärken wir die Rechte der Bauherren. Das betrifft den Vertragsabschluss und seine Vorbereitung, aber auch den Verlauf der Vertragserfüllung. Denn ein Hausbau ist nicht immer im Detail planbar. Er erstreckt sich oft über längere Zeit, in der sich Wünsche und Bedürfnisse ändern können. Unser Gesetzesentwurf ermöglicht es Bauherren und Unternehmern, hier zu einvernehmlichen Lösungen zu finden.“

Nach dem Entwurf sollen Bauunternehmen künftig verpflichtet sein, Verbrauchern vor Vertragsschluss eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die bestimmten Mindestanforderungen genügt. Darüber hinaus müssen verbindliche Angaben zum Fertigstellungstermin vorgegeben werden. Auch ein Widerrufsrecht innerhalb von 14 Tagen soll dem Verbraucher zugestanden werden. Weiterhin sollen gesetzliche Vorgaben für Änderungen des Vertrages und für eine Kündigung aus wichtigem Grund erfolgen.

Für den Ingenieur als Sachwalter der Obliegenheiten des Bauherrn ergeben sich daraus erhebliche Anforderungen. Die HOAI 2013 hatte hier insbesondere hinsichtlich der Kostenkontrolle bereits entsprechende Maßstäbe gesetzt. Speziell in dem § 650 o bis s BGB des Entwurfes werden vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen vorgeschlagen. Dieses betrifft Regelungen zu den vertragstypischen Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen, den ansonsten anzuwendenden Regelungen des BGB, zu einem Sonderkündigungsrecht des Bauherren am Ende der Zielfindungsphase, zur Teilabnahme und zur gesamtschuldnerischen Haftung mit dem bauausführenden Unternehmen.
In den nächsten Ausgaben des Kammerreports wird daher zu den neuen Anforderungen aus vorgenannten Regelungen ausgeführt werden. Bisher handelt es sich ja auch nur um einen Entwurf.

2. Abnahmeverweigerung wegen fehlender Unterlagen zulässig?

Den Ingenieur als Sachwalter des Bauherrn treffen bei der Abnahme der Bauleistungen vielfältige Pflichten. Insbesondere muss er prüfen, ob Mängel vorliegen bzw. ob wesentliche Mängel eine Abnahmeverweigerung rechtfertigen. Nicht jede fehlende Dokumentation, auch wenn ihre Übergabepflicht im Vertrag geregelt ist, führt eine Verweigerung der Abnahme nach sich.
Das Oberlandesgericht Köln hat im Urteil vom 07.08.2015, Aktenzeichen 19 U 104/14, nochmals klargestellt, dass Unterlagen, die für die Funktionstauglichkeit des Werks maßgeblich sind, bei der Abnahme vorliegen müssen. Ansonsten kann die Abnahme verweigert werden. Dieses betrifft z. B. Schaltpläne, Bedienungsanleitungen. Anders sieht das Gericht die rechtliche Situation bei z. B. fehlenden Protokollen über Dichtigkeits- und Druckprüfung. Die Funktionstauglichkeit des Werkes ist trotzdem gegeben. Prüfprotokolle dienen nur zum Nachweis des Werkerfolgs. Die Übergabe der Protokolle kann zwar auch eine Vertragspflicht sein. Die fehlende Übergabe stellt aber keinen wesentlichen Mangel dar. Der Bauherr kann daher nur eine Leistungsverweigerung darauf begründen (Zurückbehaltung von Vergütung). Die Verpflichtung zur Abnahme besteht aber trotzdem, sodass der Gewährleistungszeitraum beginnt, die Voraussetzungen für die Schlussrechnung gegeben sind usw. Dass fehlende Dokumentationen in der Regel lediglich einen unwesentlichen Mangel darstellen, hat auch das Oberlandesgericht Frankfurt im Urteil vom 24.02.2015, Aktenzeichen 16 U 135/14 bestätigt (siehe auch IBR April 2016, Seite 206).

3. Honorarminderung gegenüber Fachplaner, wenn Generalplaner volles Honorar erhalten hat?

Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 28.01.2016, Aktenzeichen VII ZR 266/14, oben genannte Frage dahingehend beantwortet, dass die Minderung des Honorars gegenüber dem Fachplaner möglich ist, obwohl der Generalplaner von seinem Auftraggeber die volle Vergütung erhalten hat. In der Vertragskette sind zwei gesonderte Rechtsverhältnisse gegeben, die jeweils einzeln zu bewerten sind. Wenn der Auftraggeber des Generalplaners - egal aus welchen Gründen - die volle Vergütung zahlt, bleibt bei dem Generalplaner trotzdem die Pflicht, die Leistungen des von ihm beauftragten Fachplaners separat zu prüfen und ggf. bei Mängeln rechtliche Schritte, wie Aufforderung zur Nachleistung, Minderung usw. einzuleiten.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Mai 2016

Kammerreport April 2016: 1. Schwarzarbeit im Bau - keine gegenseitigen durchsetzbaren Ansprüche

siehe Kammerreport: April 2016

1. Schwarzarbeit im Bau - keine gegenseitigen durchsetzbaren Ansprüche

Bei der Schwarzarbeit sind sich Auftraggeber und Auftragnehmer einig, dass die Zahlungen nicht im Buchwerk erscheinen und somit auch keine Versteuerung der Umsätze bzw. der Einnahmen erfolgt. Der Unternehmer begeht Steuerhinterziehung. Der Auftraggeber leistet zumindest Beihilfe. Die straf- und steuerrechtlichen Folgen sind allgemein bekannt. Auftraggeber und Unternehmer sind sich ja übereinstimmend bewusst, dass sie unrechtmäßig handeln. Deshalb ist Stillschweigen gegenüber Dritten angesagt. Wenn aber der Unternehmer mangelhaft leistet bzw. der Auftraggeber den abgestimmten Zahlungen nicht nachkommt, brechen die Vertragspartner oft ihr Schweigen und versuchen, gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung ihrer Forderungen (Gewährleistungsansprüche oder Zahlungen) in Anspruch zu nehmen. Der Bundesgerichtshof hat darauf aber eine eindeutige Antwort:Gemäß § 134 BGB sind Schwarz- Arbeitsverträge nichtig. Der Auftraggeber kann daher keine Nachbesserung oder Rückzahlung von Beträgen gerichtlich durchsetzen; der Auftragnehmer wird Vergütungen auch nicht erfolgreich gerichtlich einfordern können (siehe auch OLG Jena Beschluss vom 26.05.2015 - 5 U 833/14; BGH Beschluss vom 05.11.2015, Aktenzeichen VII ZR 134/15).

2. Haftung des Ingenieurs für nicht eingeholtes Baugrundgutachten

Im Werkvertragsrecht wird von Bauunternehmen oft auf den Satz verwiesen: Baugrund ist Bauherren-Risiko. Dieses entlastet insbesondere aber den Planer nicht davon, den Bauherren auf dieses Risiko aufmerksam zu machen. Auf die Notwendigkeit der Einholung eines Baugrundgutachtens muss der Ingenieur bereits in der Leistungsphase 1 (Grundlagenermittlung) hinweisen. Dabei muss er insbesondere darlegen, welche negativen Folgen entstehen können, wenn keine ausreichende Untersuchung des Baugrundes erfolgt.In einem vom Oberlandesgericht München zu entscheidenden Fall hatte ein Architekt auf die Notwendigkeit der Einholung eines Baugrundgutachtens nicht hingewiesen. Später stellte sich heraus, dass sich eine Torflinse unter dem Bauwerk befand. Für den eingetretenen Schaden musste der Architekt haften (OLG München Beschluss vom 23.07.2015, Aktenzeichen 9 U 4888/14; siehe auch IBR März 2016, Seite 156).

3. Vorsicht bei der Verwendung von Fotos oder Grafiken auf der Homepage

Das Internet schafft reichhaltige Möglichkeiten, birgt aber auch viele Risiken. Wenn in der Vergangenheit die Erstellung einer Homepage Fachleuten vorbehalten war, kann heutzutage eigentlich jeder seine eigene Website fertigen. Dabei greifen die Verwender schnell auf Materialien zu, die sie im Internet finden. Einerseits sind dieses oft Fotos. Andererseits werden auch gerne Stadtpläne genutzt, um z. B. die Anfahrt zum Unternehmen auf der Website für Besucher einfach darzustellen. Dabei werden urheberrechtliche Vorschriften aber oft nicht beachtet. Wenn ohne Zustimmung des Fotografen ein Foto veröffentlicht wird, kann der Fotograf Rechte auf Unterlassung und auf Schadensersatz geltend machen. Die von der Rechtsprechung auch bestätigten Beträge sind nicht unerheblich. Ein ohne Genehmigung auf der Homepage verwandtes Foto führt dann schnell zu Zahlungsverpflichtungen von 3.000,00 €. Im Einzelfall kann mit den Inhabern der Urheberrechte im außergerichtlichen Streit noch über die Höhe der Zahlungen verhandelt werden. Sofern die Angelegenheit aber vor den Gerichten verhandelt wird, sind die Chancen dafür gering. Um aber vorgenannte Risiken grundsätzlich zu vermeiden, ist anzuraten, bei der Erstellung einer Homepage die Urheberrechte sehr sorgfältig zu prüfen.

4. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Überwachung der Internetnutzung eines Arbeitnehmers durch Arbeitgeber zulässig

Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kontrolliert bzw. auf dem dienstlichen Computer eine Überprüfung vornimmt, inwiefern eine private Nutzung stattgefunden hat, wird dem Arbeitgeber oft entgegengehalten, dass er hier die Privatsphäre des Arbeitnehmers verletzen würde. Betriebsräte verweisen darauf, dass solche Kontrollen ohne Einbeziehung des Betriebsrates nicht zulässig wären. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in der Entscheidung vom 12.01.2016 (Aktenzeichen 61496/08) dargelegt, dass die Kontrolle des Arbeitgebers keine Menschenrechtsverletzung darstellt. Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung des Internets im Unternehmen verbietet, kann der Arbeitgeber die Einhaltung des Verbots auch überprüfen. Ob der Arbeitgeber die private Nutzung verbietet bzw. zulässt, ist eine Entscheidung, die dem Arbeitgeber alleine obliegt. Hier hat auch der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung aber teilweise zulässt und dafür betriebliche Bestimmungen vorgibt, ist der Betriebsrat zu beteiligen. Wenn kein Betriebsrat im Unternehmen besteht, kann der Arbeitgeber die Festlegungen auch alleine wirksam treffen.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. April 2016

Kammerreport März 2016: 1. Bundesgerichtshof bestätigt: Ingenieur kann Nachforderung auf Basis Mindestsatz HOAI selbst dann legen, wenn er vorher bereits Schlussrechnung gelegt hat

siehe Kammerreport: März 2016

1. Bundesgerichtshof bestätigt: Ingenieur kann Nachforderung auf Basis Mindestsatz HOAI selbst dann legen, wenn er vorher bereits Schlussrechnung gelegt hat

Eigentlich ist der oben genannte Satz nichts Neues.

In vielen Artikeln im Kammerreport in den letzten zwei Jahrzehnten haben wir darauf hingewiesen, dass der Mindestsatz gemäß HOAI eine gesetzliche Verpflichtung ist und somit der Auftragnehmer (Ingenieur oder Architekt) selbst dann in unverjährter Zeit seine Abrechnung auf Basis der Mindestsätze der HOAI vornehmen kann, wenn er vorher z. B. in der Vertragsgestaltung Vereinbarungen darunter getroffen hat bzw. Abschlagsrechnungen auch unter den Mindestsätzen der HOAI erfolgten.

Die spätere Berechnung dann mit Nachforderungen auf Basis der Mindestsätze der HOAI ist nach der herrschenden Rechtsprechung nur dann gegen Treu und Glauben, wenn der Auftraggeber ein Bauherr ist, der mit einer solchen Nachforderung nicht zu rechnen brauchte (z. B. privater Bauherr, der nur einmal im Leben ein Bauvorhaben durchführt).

Wenn der Bauherr aber rechtskundig, insbesondere wenn er mit den Verpflichtungen aus der HOAI vertraut ist, war dieser Schutz nicht gegeben.

Kontrovers diskutiert wurde in der Literatur, aber auch in einigen Entscheidungen von Gerichten, ob der Ingenieur nicht doch an seine unter den Mindestsätzen der HOAI liegenden Schlussrechnung , die dann vom Auftraggeber entsprechend bezahlt wurde, gebunden ist, auch wenn der Auftraggeber rechtskundig ist.

Hier hat der Bundesgerichtshof mit dem Urteil vom 19.11.2015, Aktenzeichen VII ZR 151/13, aktuell nochmals bestätigt, dass allein die Bezahlung der Schlussrechnung keine Maßnahme ist, mit der sich der Auftraggeber in schutzwürdiger Weise auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung einrichten konnte.

Auch wenn zwischen Rechnungslegung/Bezahlung der Schlussrechnung und Nachforderung auf Basis der Mindestsätze der HOAI ein Zeitraum von über einem Jahr liegt, ist der Ingenieur mit Nachforderungen nicht ausgeschlossen.

Diese wichtige Entscheidung zeigt, dass der Bundesgerichtshof den Mindestsatzcharakter der HOAI grundsätzlich bestätigt und der Ingenieur hier ermutigt ist, seinen berechtigten Forderungen nachzugehen (siehe auch IBR Januar 2016, Seite 18).

2. Arbeitsrecht: Besteht für den Arbeitnehmer ein Anspruch auf Weihnachtsgeld, wenn der Arbeitgeber in den Vorjahren jeweils verschiedene Beträge gezahlt hat?

Sofern in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Individual-Arbeitsverträgen Zahlungsverpflichtungen für Sondergratifikationen, z. B. Weihnachtsgeld usw., geregelt sind, sind diese ohnehin nach den dort festgelegten Bedingungen zu zahlen.

Wenn aber Arbeitgeber freiwillig über mehrere Jahre ihren Arbeitnehmern Weihnachtsgelder gezahlt haben, ohne dass eine der vorgenannten Verpflichtungen bestand, war es immer streitig, ob nicht doch eine verbindliche Zahlungsverpflichtung für die Zukunft dadurch gegeben war, dass eine betriebliche Übung eingetreten sei.

Eine betriebliche Übung wurde dann als eingetreten angesehen, wenn der Arbeitgeber über mehrere Jahre immer denselben Betrag gezahlt hat bzw. immer nach einem gleichlautenden Berechnungsschlüssel die Auszahlung erfolgte (z. B. immer 50% des Bruttogehaltes aus November).

Selbst wenn diese Gleichmäßigkeit in der Auszahlung vorlag, wurde dann von einer verpflichtenden betrieblichen Übung nicht ausgegangen, wenn der Arbeitgeber z. B. im Arbeitsvertrag oder in Anschreiben hinsichtlich der Auszahlung vermerkte, dass diese Zahlungen freiwillig und jederzeit widerruflich erfolgen.

Hier hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr aber erhebliche Hürden aufgebaut.

In einem zu entscheidenden Fall wurde die Zahlung von Weihnachtsgeldern in unterschiedlicher Höhe doch so ausgelegt, dass der Arbeitgeber damit dem Arbeitnehmer ein verbindliches Angebot zur Vereinbarung von Weihnachtsgeldern auch für die Zukunft gegeben hätte (solche lebensfremden Auslegungen können eigentlich nur von Richtern kommen, sind aber als höchstrichterliche Rechtsprechung nunmehr zu beachten). Dieses bedeutet, dass der Arbeitnehmer, der z. B. in einem Jahr 750, im nächsten Jahr 1.200,00 und im dritten Jahr 1000,00 € Weihnachtsgeld erhalten hat, einen verbindlichen Anspruch auch für das Folgejahr auf Zahlung von Weihnachtsgeld hat.

Damit hat das Bundesarbeitsgericht aber nicht ausgeführt, in welcher Höhe der Anspruch auch in der Zukunft besteht. Das Gericht sagt, dass dieses nach § 315 BGB durch billiges Ermessen festgelegt werden muss. Wenn z. B. die Wirtschaftslage des Unternehmens sehr schlecht ist, kann das billige Ermessen auch dazu führen, dass für das entsprechende Geschäftsjahr der Anspruch gegen Null geht. Auch wurde dargelegt, dass alleine der Vorbehalt (freiwillig und jederzeit widerruflich) nicht ausreichen könnte, dass der Arbeitgeber zukünftig keine Zahlungsverpflichtungen hat. Der Vorbehalt muss konkreter ausgestaltet sein.

Es sind daher alle Arbeitgeber darauf hinzuweisen, bei der Vornahme von Sonderzahlungen genau zu prüfen, ob dadurch dauerhafte Ansprüche der Arbeitnehmer entstehen könnten (siehe auch Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05.2015, Aktenzeichen 10 AZR 266/14).

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. März 2016

Kammerreport Januar / Februar 2016: 1. Wann beginnt die Verjährung der Honoraransprüche bei einer stufenweisen Beauftragung?

siehe Kammerreport: Januar / Februar 2016

1. Wann beginnt die Verjährung der Honoraransprüche bei einer stufenweisen Beauftragung?

Im Kammerreport November 2015 wurde unter Ziffer 1. eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.06.2015 Aktenzeichen VII ZR 15/15 angeführt, wonach der Ingenieur mit Leistungen der Leistungsphase 9 der HOAI auch konkludent bzw. mündlich beauftragt werden kann. Dieses hat dann auch zur Folge, dass die Gewährleistungsfristen erst mit Beendigung der Tätigkeiten in der Leistungsphase 9 beginnen. Für die Risiken des Ingenieurs ist dieses sehr nachteilig.

Mit einer anderen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof aber für den Beginn von Verjährungsfristen im Zusammenhang mit der stufenweisen Beauftragung Grundsätze bestätigt, die für den Ingenieur günstig sein können. Das Oberlandesgericht Hamm hatte in einem Falle zu entscheiden, wann die Verjährungsfrist für Honoraransprüche bei der stufenweisen Beauftragung beginnt. Ein Architekt war zuerst nur für die Leistungsphasen 1 bis 4 beauftragt worden. Diese Leistungen rechnete er ab. Für weitere Leistungsphasen wurde er separat beauftragt. Es war jetzt durch das Gericht zu klären, ob sich daraus eigenständige Verjährungsfristen ergaben, oder ob von einem von Anfang an vorliegenden Vollauftrag auszugehen wäre. Das Gericht bestätigte, dass bei der stufenweisen Beauftragung nicht generell unterstellt werden kann, dass immer ein Vollauftrag vorliegt. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles, also auf die entsprechenden Formulierungen im Vertrag an.

Wenn im Vertrag davon ausgegangen wird, dass der Ingenieur einen Vollauftrag erhält, der Auftraggeber aber die Möglichkeit hat, die einzelnen Leistungsphasen stufenweise abzurufen, liegt ein einheitlicher Vertrag vor, so dass es nur einen Beginn für Verjährungsfristen (für Honoraransprüche bzw. Gewährleistungsansprüche) gibt. Wenn aber erst nur ein Auftrag zum Beispiel für die Leistungsphasen 1 bis 4 vorliegt und dieser separat abgearbeitet, in Rechnung gestellt und bezahlt wird, beginnen die Verjährungsfristen für diesen Auftrag separat. Sofern sich der Auftraggeber entschließt, den Ingenieur dann auch für weitere Leistungsphasen zu beauftragen, kommt ein gesonderter Vertrag zustande, der dann wieder weitere Termine für den Beginn von Verjährungsfristen auslöst. In diesem Fall muss der Ingenieur einerseits aufpassen, dass er noch nicht bezahltes Honorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 innerhalb von drei Jahren nach Rechnungslegung für die Leistungsphasen 1 bis 4 gerichtlich anhängig macht, da ansonsten Verjährung eintreten könnte. Andererseits beginnt die Verjährungsfrist für Planungsmängel z. B. in der Genehmigungsplanung auch mit Beendigung und Abnahme der Leistungen der Leistungsphase 4 (OLG Hamm, Urteil vom 25.02.2013, Aktenzeichen 17 U 90/12; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Beschluss des BGH vom 19.02.2015, Aktenzeichen VII ZR 60/13).

2. Teilabnahmen nach Leistungsphase 8 nur bei ausdrücklicher Vereinbarung

Mit der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.06.2015 wurde aufgezeigt, welche Risiken der Ingenieur eingeht, wenn die Gewährleistungsfrist für seine Leistungen erst mit Beendigung der Tätigkeit in der Leistungsphase 9 eintritt. Daher wird oft versucht, nach der Leistungsphase 8 eine Teilabnahme dem Auftraggeber anzubieten bzw. eine Teilschlussrechnung zu legen in der Hoffnung, dass für alle Leistungen bis inklusive Leistungsphase 8 sich dann ein Beginn der Verjährungsfrist mit Beginn der Leistungsphase 9 ergibt. Hier hat die Rechtsprechung aber zum Schutz des Auftraggebers Grundsätze aufgestellt, die das Oberlandesgericht München im Urteil vom 10.02.2015, Aktenzeichen 9 U 2225/14 erneut bestätigt hat. Die Pflicht zur Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 bzw. das Recht nach der Leistungsphase 8 eine Teilschlussrechnung zu legen, muss schon vorher (in der Regel bei Vertragsabschluss) zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart worden sein.

In dem zu entscheidenden Fall war im Architektenvertrag nur eine Regelung enthalten, dass die Verjährung mit der Abnahme der nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistungen, spätestens mit Abnahme der in der Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) zu erbringenden Leistung (Teilabnahme) beginnt. Dieses war aber nur eine Regelung zur Verjährung. In dem Vertrag war vorher aber nicht die Verpflichtung zur Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 enthalten. Deshalb hat das Gericht entschieden, dass die Verjährung erst mit Abschluss (Abnahme) der Leistungen der Leistungsphase 9 beginnt.

3. Ist eine Mindestsatzunterschreitung zulässig, wenn ein Stammkunde Auftraggeber ist?

§ 7 Abs. 3 HOAI 2013 lässt eine Unterschreitung der festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen vor. Bei engen Beziehungen wirtschaftlicher Art kann der Ausnahmefall gegeben sein. Der Bundesgerichtshof hat aber mit dem Beschluss vom 10.09.2015, Aktenzeichen VII ZR 80/15 bestätigt, dass dieser Ausnahmefall noch nicht vorliegt, wenn ein Ingenieur einen Auftraggeber ein Angebot unter den Mindestsätzen unterbreitet, weil eine dauerhafte Stammbeziehung angestrebt wurde.

Der Auftraggeber hatte dieses Angebot angenommen, der Ingenieur wollte dann aber später eine Vergütung nach den Mindestsätzen. Zwar verhält sich der Ingenieur hier widersprüchlich. Für die gerichtliche Entscheidung kommt es aber darauf an, ob der Auftraggeber schutzwürdig war. Wenn der Auftraggeber einen Verbraucher ist, der nur ab und zu einen Auftrag erteilt, verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn der Ingenieur vertragliche Beziehungen unter den Mindestsätzen eingeht und dann später auf den zwingenden Charakter des Mindestsatzes gemäß HOAI verweist.

In dem oben genannten Fall handelte es sich aber um einen Auftraggeber der regelmäßig Bauleistungen in Auftrag gab. Hier ist eine Schutzwürdigkeit nicht gegeben, sodass der Auftraggeber die Vergütung gemäß den Mindestsätzen der HOAI vorzunehmen hatte. Da der Auftraggeber dafür nicht bereit war, war der Ingenieur berechtigt, nach entsprechenden Fristsetzungen mit Ablehnungsandrohung, den Vertrag zu kündigen.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Februar 2016

Recht aktuell - 2015

Kammerreport November 2015: 1. Vorsicht: Leistungsphase 9 der HOAI kann auch konkludent bzw. mündlich beauftragt sein

siehe Kammerreport: November 2015

1. Vorsicht: Leistungsphase 9 der HOAI kann auch konkludent bzw. mündlich beauftragt sein

Der Ingenieurvertrag als Werkvertrag kann mündlich, konkludent oder schriftlich abgeschlossen werden. Zur Rechtssicherheit empfiehlt es sich aber, den Vertrag schriftlich abzuschließen. Ansonsten kommt es ggf. zu Auslegungsstreitigkeiten, welche Leistungen der Ingenieur hätte erbringen müssen, in welchem Umfang Vergütung gefordert werden kann bzw. wann denn die Gewährleistungsfrist für den Ingenieur beginnt.

In einem von den Gerichten zu entscheidenden Fall, hatten Bauherr und Planer deshalb gerade nur die Leistungsphasen 1 bis 6 schriftlich vereinbart und darüber hinaus auch noch festgelegt, dass die Erbringung weiterer Leistungsphasen nur nach entsprechender schriftlicher Beauftragung erfolgt. In der praktischen Umsetzung der Zusammenarbeit hat dann der Planer für den Bauherrn Gewährleistungsrechte verfolgt und in seiner Schlussrechnung dann auch einen Betrag für „Objektbetreuung und Dokumentation“ geltend gemacht. Erbrachte Leistungen und geforderten Vergütungen entsprechenden den Regelungen der Leistungsphase 9 (in diesem Fall § 15 Abs. 2 HOAI 2002). Der Bauherr wollte nunmehr von den Gerichten feststellen lassen, dass daher die Leistungsphase 9 als vereinbart gilt.

Der Planer wandte ein, dass die Leistungsphase 9 nicht Vertragsgegenstand geworden sei, da kein schriftlicher Abruf entsprechender Tätigkeiten vom Bauherrn erfolgt war, und im Vertrag die Schriftform ausdrücklich vereinbart worden ist. Insbesondere ging es dem Planer auch darum, dass der Gewährleistungszeitraum für seine Leistungen nicht erst mit Ablauf der Gewährleistungsfristen der Bauunternehmen beginnt. Die Verlängerung der Gewährleistungsfristen für den Planer würde in diesem Fall mindestens fünf Jahre ausmachen. Der Planer unterlag aber vor den Gerichten.

Die Gerichte hatten keine Bedenken gegen die Wirksamkeit einer konkludenten Beauftragung für die Leistungsphase 9, obwohl im Vertrag ein strenges Schriftformerfordernis für Auftragserweiterungen vorhanden war. Dies kann man rechtstheoretisch heftig diskutieren. In der Praxis bringt eine solche Diskussion aber nichts. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 11.06.2015, Aktenzeichen VII ZR 15/15 die entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle, Urteil vom 23.12.2014, Aktenzeichen 14 U 78/14, bestätigt. Oben genannter Grundsatz ist daher höchstrichterliche Rechtsprechung.

Dem Planer ist daher anzuraten, sehr vorsichtig zu sein, wenn er, obwohl sein ursprünglich vereinbarter Leistungsumfang erbracht ist, Tätigkeiten für weitere Leistungsphasen im Einzelfall erbringt. Oft erfolgt dieses aus Gefälligkeit für den Bauherrn. Im Interesse einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Ingenieur sollte dann nicht eine grundsätzliche Ablehnung von Zusatzbeauftragung erfolgen, es muss dann aber eine vertragliche Gestaltung vorher vorgenommen werden. Darin muss zum Ausdruck kommen, dass der ursprünglich vereinbarte Leistungsumfang abgenommen ist, schlussabgerechnet werden kann und für diese Leistungen die Gewährleistungsfrist mit der Abnahme beginnt. Eine neue Gewährleistung mit einem weiteren Gewährleistungszeitraum ergibt sich dann nur für den weiteren Auftrag, z. B. für Tätigkeiten in der Leistungsphase 9.

2. Darf der Ingenieur für den Bauherrn Aufträge gegenüber Vertragspartnern des Bauherrn erteilen?

Rechtsgeschäftliche Erklärungen des Bauherrn, wie Vertragsabschlüsse, Auftragserweiterungen oder Abnahmen, hat dieser persönlich vorzunehmen. Natürlich kann der Bauherr einem Ingenieur die Vollmacht zur rechtsgeschäftlichen Vertretung in diesen Fällen erteilen. Wenn eine entsprechende Vollmacht aber nicht vorliegt bzw. erst recht wenn im Bauvertrag ausdrücklich ausgeschlossen wurde, dass der Ingenieur verbindliche Erklärungen im Zusammenhang mit dem Vertrag für den Bauherrn gegenüber dem Baubetrieben vornehmen darf, bindet die Erklärung des Ingenieurs den Bauherrn nicht. Dieses hat zur Folge, dass der Baubetrieb gegenüber dem Bauherrn keinen Vergütungsanspruch für die entsprechenden Nachträge durchsetzen kann. Der Baubetrieb könnte dann versuchen, die entgangenen Vergütungen gegenüber dem Ingenieur durchzusetzen, da dieser in Überschreitung seiner Vertretungsvollmacht gehandelt hat.

Auch wenn es dem Baubetrieb schwer fallen wird, entsprechende Forderungen erfolgreich geltend zu machen, fallen zur Rechtsverteidigung dem Ingenieur erhebliche Kosten an. Diese Kosten bzw. auch ein eventueller Schadensersatz gegenüber dem Baubetrieb sind grundsätzlich von der Ingenieurhaftpflichtversicherung nicht gedeckt. Der Ingenieur hat daher vor der Beauftragung von Nachträgen oder anderen entsprechenden Entscheidungen sicherheitshalber Rücksprache mit dem Bauherrn vorzunehmen und sich die entsprechende Vollmacht geben zu lassen.

Von dem oben genannten Grundsatz der Unwirksamkeit der vom Ingenieur vorgenommenen Beauftragung gibt es aber Ausnahmen. Zum einen könnte eine sogenannte Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vorliegen. Dieses könnte vorliegen, wenn der Bauherr entsprechende Erklärungen des Ingenieurs z. B. in Beratungen stillschweigend akzeptiert hat. Andererseits könnte auch ein Anspruch auf die übliche Vergütung für den Baubetrieb gegenüber dem Bauherrn vorliegen, wenn die Nachträge technisch notwendig gewesen sind und der Ingenieur davon ausgehen musste, dass deshalb der Bauherr ohnehin einen entsprechenden Auftrag ausgelöst hätte. In diesem Fall liegt keine Haftung des Ingenieurs vor. Letztgenannten Grundsatz hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26.03.2015, Aktenzeichen VII ZR 260/13 nochmals bestätigt.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. November 2015

Kammerreport Oktober 2015: 1. Muss der Ingenieur bei Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze die Differenz als Schadensersatz bezahlen?

siehe Kammerreport: Oktober 2015

1. Muss der Ingenieur bei Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze die Differenz als Schadensersatz bezahlen?

Mit der HOAI 2009 und erst recht mit der HOAI 2013 sind die Anforderungen an Ingenieure und Architekten bei der Beratung des Bauherren hinsichtlich der Kosten erheblich gestiegen. Während der Planungsdurchführung und erst recht während der Baudurchführung muss der Ingenieur ständig darauf achten, dass die geplanten und tatsächlichen Kosten sich in Übereinstimmung befinden (siehe auch BGH Beschluss vom 26.03.2015, Aktenzeichen VII ZR 273/14).

Sofern sich hier Schwierigkeiten ergeben, hat der Ingenieur den Bauherrn rechtzeitig darauf hinzuweisen, die Ursachen darzulegen und Entscheidungsalternativen aufzuzeigen. Dieses muss dokumentiert werden, damit bei eventuellen späteren Rechtsstreitigkeiten der Ingenieur nachweisen kann, dass er seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Die Rechtsprechung sieht Pflichtverletzungen des Planers hinsichtlich der Überschreitungen von Kosten auch schon dann gegeben, wenn eine Baukostenobergrenze bzw. eine Kostengarantie gar nicht vertraglich vereinbart wurde, aber der Bauherr nachweisen kann, dass er zu Beginn des Vertragsverhältnisses seine finanziellen Grenzen aufgezeigt hatte.

Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr einen Fall zu entscheiden (BGH Urteil vom 21.05.2015, Aktenzeichen VII ZR 190/14), bei dem der beklagte Architekt, der mit Planungs- und Überwachungsleistungen für die Errichtung eines Einfamilienhauses beauftragt war, dafür in Anspruch genommen wurde, dass statt der Baukostenobergrenze von 530.000,00 € das Haus letztlich ca. 580.000,00 € gekostet hatte.

Der Bauherr wollte die von ihm zusätzlich aufgewandten Zinsen sowie die Erstattung der Mehrkosten als Schadensersatz von dem Architekten. Der Rechtsstreit ging über die Instanzen. Das zuständige Oberlandesgericht hat dem Bauherrn die Finanzierungskosten und auch die Mehrkosten als Schadensersatz zugesprochen. Hinsichtlich der Finanzierungskosten ist das Urteil nachvollziehbar.

Bei den Mehrkosten hatte der Bundesgerichtshof aber doch erhebliche Zweifel und hat den Rechtsstreit an das Vorgericht zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof stellt hier in Frage, ob der Bauherr in diesem Zusammenhang überhaupt einen Schaden erlitten hätte. Das Objekt ist teurer geworden, als er ursprünglich geplant hatte. Dem steht aber auch eine Wertsteigerung des Objekts gegenüber. Ob wirklich ein Schaden durch eine Pflichtverletzung des Architekten eingetreten ist, muss durch eine Gegenüberstellung der Vermögenslage des Bauherrn mit und ohne die Pflichtverletzung des Architekten ermittelt werden. Dabei muss die Kostensituation auch der einzelnen Gewerke geprüft werden. Auch der Grundstückswert ist zu ermitteln. Die Anforderungen an die Schadensberechnung sind daher weiterhin sehr hoch.

Dem Ingenieurbüro kann daher nur empfohlen werden, bei entsprechenden Forderungen des Bauherren Ruhe zu bewahren und nicht im vorauseilenden Gehorsam Zahlungen zu leisten bzw. auf berechtigte Honoraransprüche ganz oder teilweise zu verzichten (siehe auch IBR August 2015, Seite 433).

2. Bei einer unwirksamen Vereinbarung des Honorars unter den Mindestsätzen kann der Ingenieur Nachforderungen bis zur Höhe der Mindestsätze vornehmen

Die Parteien hatten eine Honorarvereinbarung über ein Honorar getroffen, das unter den Mindestsätzen lag. Der Architekt wollte dann aber die Differenz bis zu den Mindestsätzen der HOAI noch nachfordern.

Die Rechtsprechung hat hier schon bestätigt, dass in diesem Fall zu prüfen ist, ob ein schützenswertes Vertrauen des Bauherren gegeben ist. Dieses liegt dann vor, wenn der Bauherr sich darauf eingerichtet hat, dass keine weiteren Forderungen mehr erhoben würden. Insbesondere bei privaten Bauherren, die das Baurecht und erst recht die HOAI überhaupt nicht kennen, könnte dieses gegeben sein.

In einer aktuellen Entscheidung ist aber vom Bundesgerichtshof bestätigt worden, dass der Bauherr auch einwenden und nachweisen muss, dass die zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unzumutbar wäre (besondere Härte). Welche Anforderungen an den Nachweis der Unzumutbarkeit gestellt werden, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen.

Wenn aber z. B. bei einem Bauvorhaben mit anrechenbaren Kosten von 500.000,00 € statt eines Honorars in Höhe der Mindestsätze von 50.000,00 € nur 35.000,00 € Honorar vereinbart würden, ist eine Differenz von 15.000,00 € bei einem Gesamtaufwand von 550.000,00 € netto wohl nicht als unzumutbar anzusehen.
Die entsprechenden Entscheidungen des OLG Köln, Urteil vom 30.10.2014 - Aktenzeichen 24 U 76/14 und BGH Beschluss vom 26.03.2015 - VII ZR 273/14 geben hier dem Ingenieur Möglichkeiten in die Hand, letztlich doch noch das ihm zustehende Honorar in Höhe der Mindestsätze zu erlangen.

3. Ingenieur kann sich nicht damit entlasten, dass der Bauherr die letztlich mangelhafte Ausführung doch so gewollt hätte

Auch wenn ein sachkundiger Bauherr Auftraggeber gegenüber dem Ingenieur ist und Anweisungen zur Ausführung gewisser Details gibt, hat der Ingenieur trotzdem zu prüfen, ob die Ausführungsart dann den vertraglichen Bestimmungen bzw. den Regeln der Technik entspricht.

Führt die vom Bauherrn angewiesene bzw. gebilligte Ausführungsart zu einem Mangel, ist der Ingenieur nur dann aus der Haftung frei, wenn er den Bauherrn rechtzeitig und nachweislich über die Risiken aufgeklärt hat. Dieses haben das Oberlandesgericht Düsseldorf mit dem Urteil vom 19.11.2013 Aktenzeichen 23 U 32/13 und der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 12.03.2015 Aktenzeichen VII ZR 334/13 erneut bekräftigt.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Oktober 2015

Kammerreport September 2015: 1. Muss der Ingenieur dauerhaft auf der Baustelle anwesend sein?

siehe Kammerreport: September 2015

1. Muss der Ingenieur dauerhaft auf der Baustelle anwesend sein?

Der bauüberwachende Ingenieur kann nicht 24 Stunden an jedem Tag auf der Baustelle jeden Handschlag des Bauhandwerkers überwachen. Zwar ist die Tendenz in der Rechtsprechung in den letzten Jahren zu verzeichnen, dass die Anforderungen an den Ingenieur ständig erhöht wurden. Gleichzeitig wurde aber durch die Gerichte herausgearbeitet, dass eine Haftung des bauüberwachenden Ingenieurs nur dann gegeben ist, wenn er Kernbereiche der Bauleistungen, sicherheitsrelevante Arbeiten und Arbeiten, deren Mangelhaftigkeit ins Auge springt, nicht ausreichend mit den Anforderungen aus den Verträgen überprüft.

Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 09.07.2013, Aktenzeichen 28 U 4652/12, nochmals bekräftigt, dass eine Differenzierung bei den Anforderungen an die Bauüberwachung weiterhin gegeben ist. Einfache Arbeiten des Handwerkers sind weiterhin nicht zu überwachen. Als Beispiel wurden hier Malerarbeiten angegeben. Der Bundesgerichtshof hat jetzt in einer aktuellen Entscheidung vom 05.02.2015, Aktenzeichen VII ZR 332/13 diese Grundsätze bekräftigt. Das Gericht führt aus, dass zur vertragsgemäßen Erfüllung der Bauaufsichtspflicht es nicht gehört, jeden Baumangel durch ständige Anwesenheit auf der Baustelle zu verhindern. Genauso wie das Oberlandesgericht Stuttgart verweist der Bundesgerichtshof darauf, dass für Maler- und Innenputzarbeiten sowie vergleichbare Bauleistungen Stichproben genügen und die dann komplexe Kontrolle am Ende der Arbeiten. Nicht alle äußeren Mangelerscheinungen am Bauwerk führen zu Mängeln des Ingenieurwerks. Eine ständige Anwesenheit auf der Baustelle ist daher nicht geboten. Wichtig ist aber auch bei diesen einfachen Arbeiten, dass der Ingenieur bei der Abnahme die Leistungen kontrolliert und die Mängel anzeigt.

2. Umfang der Haftung des Ingenieurs, der gleichzeitig als Bauunternehmer auftritt

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte mit Urteil vom 21.01.2015, Aktenzeichen 2 U 5/14 einen Fall zu entscheiden, bei dem gegen einen Architekten Schadensersatzansprüche wegen Baumängeln erhoben wurden. Der Bauherr hatte den Architekten nicht nur mit Planungs- und Bauüberwachungsleistungen, sondern auch mit der Errichtung des Gebäudes zu einem Festpreis beauftragt. Der Architekt hat die Bauleistungen dann im eigenen Namen in Auftrag gegeben. Es stellte sich dann ein Schaden an der Fassade heraus. Ursächlich für diesen Schaden waren aber Bauleistungen, die der Bauherr direkt vergeben hatte. Der Architekt wollte sich dadurch entlasten, dass er darauf verwies, dass diese Leistungen nicht zu seinem Leistungsumfang gehört hatten. Dieses sah das Gericht aber anders. Die Bauüberwachungspflichten des Architekten bezogen sich auch auf die von ihm nicht selbst in Auftrag gegebenen Leistungen. Auch hier hätte er eine Koordinierung und Überwachung vornehmen müssen. Den Ingenieuren ist ohnehin nicht zu empfehlen, eine solche Verbindung von Planungs- und Bauauftrag einzugehen. Einerseits übernimmt der Ingenieur dann gegenüber dem Bauherrn neben seiner Haftung für Planungs- und Bauüberwachungsleistungen auch die Haftung für jegliche Baumängel und andere Pflichtverletzungen der von ihm beauftragten Unternehmen. Andererseits bestehen hier erhebliche Haftungsrisiken, die von der Ingenieurhaftpflichtversicherung nicht abgedeckt sind.

3. Arbeitsrecht: Bundesarbeitsgericht stärkt Realität von Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse haben in den letzten Jahrzehnten erheblich an Bedeutung verloren. Nachdem die Arbeitsvertragsparteien zum Teil über die Instanzen hinweg über Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers gestritten haben, wird oft ein Vergleich abgeschlossen, in dem der Arbeitgeber sich dann sogar noch verpflichten muss, ein wohlwollendes berufsförderndes Zeugnis zu erteilen. Auch außerhalb von gerichtlichen Auseinandersetzungen, bei einer unstreitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses scheuen die Arbeitgeber oft den Aufwand eines Streites über einzelne Formulierungen und erteilen ein Zeugnis, dass mindestens der Note „gut“ entspricht. Die Note „gut“ entspricht einer Einschätzung, dass der Arbeitnehmer seine Leistungen „zur vollsten Zufriedenheit“ erbracht hat.

Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr aber einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis bescheinigte, er habe seine Leistungen „zur vollen Zufriedenheit“ erbracht.

Der Arbeitnehmer wandte vor den Gerichten ein, dass ihm ein berufsförderndes Zeugnis zustehe und der Arbeitgeber daher auf jeden Fall „vollste Zufriedenheit“ in das Zeugnis aufnehmen müsste. Diesen Automatismus bestätigt das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 12.03.2015, Aktenzeichen 6 AZR 82/14 nicht. Der Arbeitnehmer hat im Rechtsstreit vor den Gerichten die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die eine bessere Schlussbeurteilung rechtfertigen sollen. Gelingt dem Arbeitnehmer die­ses aber nicht, hat der Arbeitgeber mit der Einschätzung „zur vollen Zufriedenheit“ seinen Ver­pflichtungen für ein berufsförderndes Zeugnis erfüllt. Vielleicht ziehen in künftige Zeugnisse nunmehr doch wieder differenzierte Einschätzungen ein.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. September 2015

Kammerreport Juni 2015: 1. Arbeitsrecht: Abmahnung wegen verspäteter Anzeige der Arbeitsunfähigkeit wirksam?

siehe Kammerreport: Juni 2015

1. Arbeitsrecht: Abmahnung wegen verspäteter Anzeige der Arbeitsunfähigkeit wirksam?

Gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen.

Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen.

Die Erfüllung vorgenannter Pflichten durch den Arbeitnehmer ist für den Arbeitgeber nicht nur aus betriebsorganisatorischen Gründen wichtig, sondern muss den Arbeitgeber in die Lage versetzen, seiner Pflicht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nachzukommen.

Dort heißt es: Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Entgeltfortzahlung wird aber erst gewährt, wenn das Arbeitsverhältnis ununterbrochen mindestens vier Wochen bestand.
Unternehmen mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmern (dazu gehören die meisten Ingenieurbüros der Kammermitglieder) erhalten 80 % des fortgezahlten Arbeitsentgeltes von der Krankenkasse gemäß Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung erstattet.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte nunmehr mit Urteil vom 11.12.2014 (Aktenzeichen 5 Sa 406/14) einen Fall zu entscheiden, bei dem der Arbeitnehmer nach Ablauf der ersten Krankschreibung nicht wieder am Arbeitsplatz erschien und erst nach weit mehr als drei Arbeitstagen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Verlängerungszeitraum nachreichte.

Der Arbeitgeber erteilte daraufhin eine Abmahnung.

Der Arbeitnehmer klagte beim Arbeitsgericht auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Das Landesarbeitsgericht entschied aber, dass die Abmahnung wirksam ist und deshalb nicht aus der Personalakte zu entfernen ist.

Arbeitnehmer sind verpflichtet, die weitere Arbeitsunfähigkeit umgehend zu melden. Diese Pflicht hat der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall verletzt.

Daran ändert auch nicht - wie von Arbeitnehmern im vergleichsweisen Fällen oft eingewandt - dass die Entgeltfortzahlung trotz später Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom ersten Tag der Krankheit an vorzunehmen ist.

Verletzt der Arbeitnehmer die Pflicht zur rechtzeitigen Meldung bzw. Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erneut, ist dann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne weitere Abmahnung sofort möglich.

2. HOAI: Prüfbarkeit der Schlussrechnung

Der Bundesgerichtshof hatte bereits im Jahr 2003 entschieden, dass der Bauherr mit Rügen gegen die Prüfbarkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen ist, wenn er diese nicht spätestens innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Rechnung erhoben hatte.

Dann wird die Schlussrechnung zwei Monate nach Rechnungszugang fällig.

Eine Klage kann daher vom Gericht wegen fehlender Prüfbarkeit der Rechnung nicht zurückgewiesen werden.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28.10.2014 (Aktenzeichen 14 U 64/14) und entsprechenden Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 08.01.2015 (VII ZR 305/14) wurden diese Grundsätze nochmals bestätigt.

Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung im Jahr 2003 von der Fälligkeitsfrist von zwei Monaten aus der VOB/B leiten lassen.

Mit der Neufassung der VOB/B im Jahre 2012 wurde diese Fälligkeitsfrist aber auf 30 Kalendertage verkürzt.

In der Literatur wird daher bereits darauf verwiesen, dass künftig die Auftraggeber sogar mit Einwendungen gegen die Prüfbarkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen sind, wenn sie die Rügen nicht innerhalb von 30 Kalendertagen erhoben haben (Scharfenberg in IBR, Mai 2005, Seite 261). Diese kürzere Frist ist aber noch nicht durch Gerichtsurteile bestätigt.

Auch wenn vorgenannte Frist für Einwendungen gegen die Prüfbarkeit verstrichen ist, muss das Ingenieurbüro trotzdem nachweisen, dass die Honorarschlussrechnung richtig ist.
Die Ansätze der Kostenberechnung nach der DIN 276 müssen vorgetragen und schlüssig sein.

3. HOAI 2013: Hohe Anforderungen an den Ingenieur bei der Kostenkontrolle

Zu den Pflichten des Planers gehört es in der Leistungsphase 6 auch, die Kostenkontrolle durch Vergleich der von ihm bepreisten Leistungsverzeichnisse mit der Kostenberechnung vorzunehmen.

Dieses gilt natürlich auch dann, wenn der Planer erst ab Leistungsphase 6 beauftragt wird.

Die Kostenkontrolle muss hier durchgeführt werden, bevor die Bauunternehmen beauftragt werden.

Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 16.12.2014 (Aktenzeichen 9 U 491/14) einen Fall zu entscheiden, in dem ein erst ab der Leistungsphase 6 beauftragter Architekt sich beim Auftraggeber nicht nach der Kostenberechnung bzw. dem zur Verfügung stehenden Kostenrahmen erkundigte.

Zwar war mit dem Architekten keine Kostenobergrenze oder Ähnliches vereinbart worden.

Der Architekt muss aber die Initiative ergreifen, um die vorherigen Kostenermittlungen bzw. die Kostenvorstellungen des Auftraggebers zu erfahren und beachten zu können.

Ansonsten kann sich der Architekt schadensersatzpflichtig machen.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Juni 2015

Kammerreport Mai 2015: 1. Arbeitsrecht: Darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer durch einen Detektiv überwachen lassen?

siehe Kammerreport: Mai 2015

1. Arbeitsrecht: Darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer durch einen Detektiv überwachen lassen?

Häufige bzw. längere Erkrankungen von Arbeitnehmern mit wechselnden Diagnosen und dadurch jeweilig längeren Entgeltfortzahlungen durch den Arbeitgeber, ggf. regelmäßig an Brückentagen oder in Verbindung mit Feiertagen, führen bei Arbeitgebern oft zu Misstrauen, ob denn die Krankheit nicht nur vorgetäuscht ist.

Arbeitgeber setzen dann manchmal einen Detektiv ein, der das Freizeitverhalten des Arbeitnehmers während des Zeitraumes der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit überprüfen soll.

Von Arbeitnehmerseite, insbesondere von Gewerkschaften und Betriebsräten, wird darauf verwiesen, dass dieses unzulässig sei.

Arbeitgeber wenden aber ein, dass die Überprüfungsmechanismen, z. B. über den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, über das betriebliche Gesundheitsmanagement oder Untersuchungen über den Betriebsarzt kein kurzfristiges Kontrollieren ermöglichen, und so das Vortäuschen von Krankheit nicht nachgewiesen werden könnte.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung vom 19.02.2015 Aktenzeichen 8 AZR 1007/13 wichtige Grundsätze zu dieser Frage entschieden.

Die Überwachung eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv kann im Ausnahmefall zulässig sein.

Voraussetzung ist aber, dass ein auf Tatsachen beruhender konkreter Verdacht einer Pflichtverletzung vorliegt.

Wenn ein Arbeitnehmer während seiner Krankheit dabei beobachtet wird, wie er z. B. einer Nebenbeschäftigung nachgeht, könnte ein Ausnahmefall vorliegen.

Auch bei der so genannten „angekündigten Krankschreibung“ liegt ein konkreter Verdacht vor.

Wenn z. B. ein Arbeitnehmer Urlaub oder sonstige Freistellung beantragt und diese nicht genehmigt erhält, er gegenüber Kollegen anzeigt: „... Dann lasse ich mich eben krankschreiben...“, ist auch ein Ausnahmefall zu bestätigen.

Es reicht aber nicht aus, wenn der Arbeitnehmer die Ärzte wechselt, immer mit verschiedenen Krankheiten krankgeschrieben ist, aber regelmäßig und rechtzeitig die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegt.

Für einen solchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht in dem oben genannten Urteil dem Arbeitnehmer sogar ein Schmerzensgeld zugesprochen, da eine Überwachung ohne konkreten Grund eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstelle.

Vor der Beauftragung eines Detektivs ist daher eine intensive Prüfung der Voraussetzungen seitens des Arbeitgebers geboten.

2. Ingenieur darf vor Beantragung einer Sicherungshypothek in das Grundbuch einsehen

Gemäß § 648 BGB kann ein Bauunternehmen für seine Forderungen aus dem Vertrag die Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück des Bestellers verlangen.

Dieses Recht gilt auch für Ingenieure, wenn die Planungsleistung sich im Bauwerk materialisiert hat. Wenn der auf der Planung basierende Bau noch nicht begonnen wurde, ist ein Anspruch auf Sicherungshypothek noch nicht gegeben.

Weitere Voraussetzung ist die Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer.

Um vorgenannte Prüfungen vorzunehmen, die Formalien einer Beantragung zu wahren bzw. um einschätzen zu können, ob nicht vorrangig schon bestehende Grundstücksbelastungen eine Sicherungshypothek kaufmännisch unsinnig erscheinen lassen, hat der Ingenieur ein Recht auf Grundbucheinsicht.

Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 09.02.2015, Aktenzeichen 34 Wx 643/15 bestätigt, dass ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 12 Abs. 1 GBO vorliegt.

Das Einsichtnahmerecht erstreckt sich auf das gesamte Grundbuch und auf die Verträge, die z.B. die Grundstücksauflassung enthalten.

3. Ingenieur haftet nicht bei jeder Abweichung der tatsächlichen Baukosten von einer vorläufigen Kostenberechnung

Wenn ein Bauvorhaben insbesondere wegen der aufzuwendenden Kosten nicht mehr den Interessen des Auftraggebers entspricht, wird oft ein Schuldiger gesucht und in dem Ingenieur gefunden, der weit vor der Leistungsphase 3 eine vorläufige Kostenberechnung, eine Kostenschätzung oder einen Kostenüberschlag für den Auftraggeber erstellt hat.

In dem vom Bundesgerichtshof letztendlich zu entscheidenden Fall hatte ein Architekt vor Beauftragung mit den Planungsleistungen als Grundlage für die Investitionsentscheidung des Auftraggebers eine Schätzung von Umbaukosten in einem Bestandsobjekt vorgenommen.

Diese Kosten stellten sich später als viel zu gering heraus.

Der Auftraggeber nahm den Architekten in die Haftung, da er eine Baukostengarantie übernommen hätte.

Das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 09.11.2012, Aktenzeichen 5 U 1228/11 und der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 08.01.2015, Aktenzeichen VII ZR 336/12 sehen in der vorläufigen Kostenberechnung keine Baukostengarantie oder verbindliche Kostenobergrenze.

Nur wenn der Architekt sich offensichtliche, aufdrängende Kostenfaktoren bzw. orts- und branchenübliche Preise nicht beachtet, wird die Grenze zur Pflichtwidrigkeit, die dann auch zu einer Haftung führen könnte, überschritten.

Den Ingenieurbüros ist daher zu empfehlen, dass sie den Auftraggeber darauf hinweisen, dass eine solche Kostenberechnung ohne Bestandserkundung nur unverbindlich ist.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Mai 2015

Kammerreport April 2015: 1. Welche HOAI gilt bei stufenweiser Beauftragung?

siehe Kammerreport: April 2015

1. Welche HOAI gilt bei stufenweiser Beauftragung?

Bereits im Kammerreport April 2014 hatten wir dazu ausgeführt, dass bei stufenweiser Beauftragung die jeweilige HOAI zum Zeitpunkt der Beauftragung der nächsten Stufe gilt.

Dabei haben wir uns bezogen auf Entscheidungen des Landgerichts Koblenz und des Oberlandesgerichts Koblenz.

Da gegen das Urteil des Oberlandesgerichts aber Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt wurde, war die Entscheidung zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig.

Jetzt liegt das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.12.2014, Az.: VII ZR 350/13 vor.

Der Bundesgerichtshof bestätigt: Bei stufen- oder phasenweiser Beauftragung von Ingenieurleistungen findet die HOAI in der Fassung Anwendung, die zum Zeitpunkt des Abrufes der noch zu erbringenden Leistungen gilt. Es ist nicht der Zeitpunkt des Ausgangsvertrages maßgebend, sondern wann der Vertrag über die weiteren Leistungen letztendlich geschlossen wird.

In Vergabehandbüchern bzw. Erlassen der öffentlichen Hand wird oft anders ausgeführt. Dort wird dargelegt, dass auch bei einer stufenweisen Beauftragung die Abrechnung auf Basis der HOAI, die zum Zeitpunkt des ersten Vertragsabschlusses galt, vorzunehmen ist.

Diese Regelungen sind somit unwirksam.

Wenn z. B. die Beauftragung der Leistungsphasen 5 bis 8 erst im September 2013 erfolgte, der Ausgangsvertrag aber im Mai 2009 abgeschlossen wurde, ist das Honorar auf der Grundlage der HOAI 2013 für alle Leistungen ab Leistungsphase 5 zu berechnen. Daraus ergibt sich ein erheblich höheres Honorar als die Berechnung auf Basis der HOAI 1996.

Sofern nunmehr insbesondere ein Auftraggeber der öffentlichen Hand sich auf das Vergabehandbuch oder eine ausdrückliche Regelung in dem Ausgangsvertrag (z. B.: „Auf alle Honorare ist die HOAI 1996 anzuwenden“), bezieht, muss der Ingenieur entgegenhalten, dass dann eine unzulässige Unterschreitung der Mindestsätze eintreten würde und daher die Abrechnung auf Basis der HOAI 2013 vorzunehmen ist.

Es ist erfreulich, dass der Bundesgerichtshof in dieser für die Ingenieure sehr wichtigen Frage nunmehr Rechtssicherheit geschaffen hat.

2. Muss der bauüberwachende Ingenieur über alle Spezialkenntnisse hinsichtlich der Einzelheiten des Bauvorhabens verfügen?

Wenn der Ingenieur die Rechtsprechung hinsichtlich seiner Pflichten und Haftungsrisiken verfolgt, hat er letztlich den Eindruck, dass er für alles verantwortlich ist bzw. für alles haften würde.

Richtig ist, dass die Obliegenheitspflichten des Ingenieurs gegenüber seinem Auftraggeber sehr weit reichen. Dazu gehört auch, dass er die Leistungen anderer am Bauvorhaben beteiligten Personen (andere Planer, Bauunternehmen usw.) kritisch prüft. Dieses gilt insbesondere, wenn ihm Mängel der Vorleistungen anderer Unternehmer ins Auge fallen bzw. sich ihm aufdrängen.

Der Ingenieur muss aber nicht die Planungsleistungen, die andere Architekten und Ingenieure erbracht haben, nochmals überprüfen bzw. durchrechnen. Er muss auch nicht jede handwerkliche Selbstverständlichkeit überwachen bzw. die eingesetzten Baustoffe vor der Verarbeitung überprüfen.

Das Oberlandesgericht Jena hat im Urteil vom 08.01.2015, Az.: 1 U 268/13 einen Architekten aus der Haftung herausgenommen für Mängel an einem Schwimmbad.

Der Architekt war zwar für das Gesamtvorhaben Generalplaner. Die Planung und Errichtung des Schwimmbades hatte der Bauherr aber direkt bei anderen Unternehmen beauftragt.

Die vom Spezialbaubetrieb verlegte Folie war mangelhaft. Gleiches galt für die Sekundärentwässerung.

Ohne Spezialkenntnisse für den Schwimmbadbau waren aber auch bei umfassender Bauüberwachung für den Architekten diese Mängel nicht ersichtlich.

Das Oberlandesgericht hat entschieden, dass der Architekt nicht über die Spezialkenntnisse im Schwimmbadbau verfügen muss, wenn er nur mit der einfachen Bauüberwachung beauftragt ist.

Der Architekt musste letztlich für die Mängel am Schwimmbad nicht haften.

Dieses Urteil soll jetzt kein Freibrief für bauüberwachende Ingenieure sein. Es muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob der Ingenieur nicht doch die Mängel hätte erkennen können.

Wenn aber wie in der gängigen Praxis üblich, der Bauüberwacher für alles verantwortlich gemacht werden soll, sollte der Ingenieur das oben genannte Urteil des Oberlandesgerichts Jena vom 08.01.2015 heranziehen und sich entsprechend verteidigen.

An dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen werden, dass der erste Schritt für den Ingenieur nach Kenntnis von Mängelanzeigen bzw. entsprechenden Forderungen seines Auftraggebers ihm gegenüber die Benachrichtigung der Haftpflichtversicherung sein muss.

Die Haftpflichtversicherung entscheidet dann über die weitere Verfahrensweise.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. April 2015

Kammerreport März 2015: 1. Freundschaftliches Verhältnis zwischen Auftraggeber und Ingenieur rechtfertigt keine Mindestsatzunterschreitung

siehe Kammerreport: März 2015

1. Freundschaftliches Verhältnis zwischen Auftraggeber und Ingenieur rechtfertigt keine Mindestsatzunterschreitung

§ 7 Abs. 3 HOAI 2013 regelt, dass die in der HOAI festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden können.

Wie die gesetzliche Regelung formuliert, müssen schon besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen nach unten rechtfertigen.

Ansonsten würde der zwingende Mindestsatzcharakter aufgeweicht werden.

Besondere Umstände sind z. B.:

  • Das Vertragsverhältnis unterscheidet sich deutlich von den übrigen Vertragsverhältnissen; dabei sind objektive und subjektive Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen.
  • enge Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönliche Art
  • eigentumsrechtliche Verflechtungen des Auftraggebers mit dem Auftragnehmer
  • ständige Geschäftsbeziehungen

In dem von dem OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fall, hatte der Auftraggeber zur Rechtfertigung eines Honorars unter den Mindestsätzen angegeben, dass die Vertragsparteien freundschaftliche Umgangsformen gepflegt hätten.

Der Auftragnehmer hatte aber seine Schlussrechnung auf Basis der Mindestsätze gelegt.

Einerseits sollte es der Regelfall sein, dass Vertragsparteien auch bei zivilrechtlichen Verträgen gepflegte Umgangsformen wahren.

Andererseits reicht auch ein sich daraus ergebendes freundschaftliches Verhältnis nicht aus, um einen Ausnahmetatbestand gemäß § 7 Abs. 3 HOAI 2013 zu schaffen.

Um eine Mindestsatzunterschreitung zu rechtfertigen müssten schon weitere Umstände hinzukommen.

(siehe auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2014, Aktenzeichen 5 U 51/13, IBR Februar 2015, S. 80)

2. Wie lange haftet der Ingenieur nach Beendigung des Bauvorhabens?

Die Gewährleistungsfrist des Ingenieurs beträgt, sofern wirksam nichts anderes vereinbart ist, fünf Jahre gemäß § 634 a Abs. 1 Ziff. 2 BGB.

Die Verjährung beginnt mit der Abnahme.

Mit der Abnahme ist nicht der Termin der Abnahme der Bauleistungen, sondern der Termin der Abnahme der Ingenieurleistungen gemeint.

§ 15 HOAI 2013 regelt daher auch, dass das Honorar der Schlussrechnung fällig wird, wenn die Leistung abgenommen wurde.

Während es bei Bauverträgen üblich ist, Abnahmeprotokolle zu erstellen, in denen der Auftraggeber gegenüber dem Baubetrieb die rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt, dass er die Erfüllung des Bausolls akzeptiert bzw. welche Mängel/Restleistungen er rügt, wird gegenüber Ingenieuren die Abnahme der Planungs- bzw. Überwachungsleistungen regelmäßig nicht schriftlich mit Abnahmeprotokoll vorgenommen.

Daraus resultiert dann aber die Unsicherheit, wann Verjährung von Forderungen des Auftraggebers aus Mängeln gegenüber dem Ingenieur eintritt.

Das Oberlandesgericht Brandenburg musste sich nunmehr mit dieser Frage befassen.

Der Auftraggeber hatte sein Haus 1995 bezogen und noch vor Beginn der vertraglich vereinbarten Leistungsphase 9 die letzte Teilzahlung des Architektenhonorars bezahlt. Zu verschiedenen Mängeln gab es immer wieder Kontakte zwischen Bauherrn und Architekt bis in das Jahr 2011 hinein.

Ein Sachverständiger stellte 2011 erhebliche Planungs- und Bauüberwachungsfehler fest. Der Bauherr forderte nunmehr über das Gericht Schadensersatz gegenüber dem Architekten ein.

Der Architekt wandte Verjährung ein.

Das Gericht entschied, dass Verjährung nicht vorliegen würde. Die Fertigstellung der Bauleistungen im Jahr 1995 stellt nicht den Zeitpunkt der Abnahme der Architektenleistungen dar. Die Leistungsphase 9 wäre ca. im Jahre 2000 erfüllt gewesen, wenn nicht über diverse Mängel weiterhin Maßnahmen stattgefunden hätten. Somit kann auch nicht von einem Verjährungseintritt im Jahr 2005 ausgegangen werden.

Der Architekt hätte hier weitere Umstände vortragen müssen, aus denen sich die Abnahme, die auch konkludent sein kann, ergeben würde. Eine Schlussrechnungslegung oder eine andere Erklärung des Architekten, dass er seine Leistungen nunmehr als abgeschlossen ansieht oder Ähnliches war in dem Fall aber nicht gegeben.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; kann gegebenenfalls durch den Bundesgerichtshof noch geändert werden.

Die sich aus der Entscheidung aber ergebenden vorgenannten Grundsätze sind ohnehin für die tägliche Praxis des Ingenieurs wichtig.

(OLG Brandenburg, Urteil vom 03.12.2014, Aktenzeichen 4 U 40/14)

3. Arbeitsrecht: Bei Arbeitgeberwechsel kein doppelter Anspruch auf Urlaub

Nach dem Bundesurlaubsgesetz hat jeder Arbeitnehmer mindestens jährlich einen Anspruch auf einen Erholungsurlaub von 20 Arbeitstagen.

Sofern der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub schon genommen hat und im Laufe des Urlaubsjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kann der bisherige Arbeitgeber vom Arbeitnehmer keine Vergütung zurückverlangen, auch wenn der tatsächlich genommene Urlaub über der anteiligen Urlaubsberechnung bis zum Ausscheidungszeitpunkt liegt.

Wenn der Arbeitnehmer dann bei einem neuen Arbeitgeber anfängt, hat er dort dem Grunde nach wieder Urlaubsansprüche.

Der neue Arbeitgeber muss aber nur so viel Urlaub gewähren bis der Gesamturlaubsanspruch erfüllt ist. Der neue Arbeitgeber ist berechtigt, von dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung des vorherigen Arbeitgebers zu fordern, die den bisher gewährten bzw. finanziell abgegoltenen Urlaub bestätigt.

Hat bei einem Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen der alte Arbeitgeber bereits 20 Arbeitstage Urlaub gewährt und der Arbeitnehmer scheidet per 01.09. des Jahres aus dem Arbeitsverhältnis aus und beginnt ein neues Arbeitsverhältnis, muss der neue Arbeitgeber lediglich noch vier Arbeitstage Urlaub gewähren (hier wird unterstellt, dass auch beim neuen Arbeitgeber ein vertraglicher Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen pro Jahr besteht).

(Bundesarbeitsgericht 16.12.2014, Aktenzeichen 9 AZR 205/13)

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. März 2015

Kammerreport Januar / Februar 2015: 1. Können Verzugszinsen erst gefordert werden, wenn der Auftraggeber mindestens zweimal gemahnt wurde?

siehe Kammerreport: Januar / Februar 2015

1. Können Verzugszinsen erst gefordert werden, wenn der Auftraggeber mindestens zweimal gemahnt wurde?

Viele Auftragnehmer (Bauunternehmen, Handwerker oder Ingenieurbüros) verweisen darauf, dass sie den Auftraggeber schon mindestens zweimal gemahnt hätten, damit dieser seinen überfälligen Zahlungsverpflichtungen nachkommen soll. Damit hätten sie ja die Grundlage geschaffen, dass ab jetzt Verzugszinsen gefordert werden bzw. gerichtliche Schritte geltend gemacht werden könnten.

Je nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere auch um ein weiteres kooperatives und vertrauensvolles Vertragsverhältnis zu erhalten, ist es legitim, dem Auftraggeber nicht nur einmal die Möglichkeit zu geben, seinen rückständigen Zahlungsverpflichtungen außergerichtlich nachzukommen bzw. nicht sofort Zinsen geltend zu machen.

Der Auftragnehmer ist aber nicht verpflichtet, mehrfache Mahnungen vorzunehmen, damit er Zinsen fordern bzw. eine gerichtliche Geltendmachung durchführen kann.

Für den Fall, dass in dem Vertrag wirksam keine vom Gesetz abweichende Regelung vereinbart wurde (z. B. Pflicht für eine mehrfache Mahnung, längere Zahlungsfrist usw.) und der Auftraggeber nicht Verbraucher ist, kommt der Auftraggeber spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet (§ 286 Abs. 3 BGB).

Ab diesem Zeitpunkt können daher auch ohne Mahnung Zinsen gefordert werden.

Gemäß § 288 BGB betragen die Verzugszinsen bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Zusätzlich kann eine Pauschale von 40,00 € geltend gemacht werden.

Für vor dem 28.07.2014 abgeschlossene Verträge gilt noch ein Verzugszins von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Die Pauschale von 40,00 € ist dann auch noch nicht anwendbar.

Gegenüber Verbrauchern beträgt der Verzugszins zumindest auch 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Zinsen in dieser Höhe sind derzeit ansonsten nicht zu erzielen.

Im Verhältnis zwischen Auftraggebern und Bauunternehmen verweisen Auftraggeber aber oft darauf, dass § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B als Voraussetzung für die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen regelt, dass der Auftragnehmer nach Fälligkeit der Rechnung eine angemessene Nachfrist noch setzen muss.

Seit einigen Jahren ist aber in der VOB/B zusätzlich geregelt, dass der Auftraggeber ohne diese Nachfristsetzung spätestens 30 Tage nach Zugang der Rechnung in Zahlungsverzug kommt.

Wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart wurde und der Auftraggeber Verwender ist, greift er mit dem Einwand der fehlenden Nachfristsetzung zur Abwehr von Verzugszinsen nicht erfolgreich durch, da gemäß § 307 BGB in diesem Fall die Regelung der Inhaltskontrolle nicht standhält.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 05.06.2014, Aktenzeichen VII ZR 166/12 diesen Grundsatz nochmals bestätigt.

2. Nur im Ausnahmefall ist das Ingenieurbüro an eine unter den Mindestsätzen der HOAI liegende Honorarvereinbarung nicht gebunden

Zur vorgenannten Regelung gemäß § 7 Abs. 5 HOAI 2013 wurde hier im Kammerreport schon oft ausgeführt.

Sofern Verbraucher (insbesondere Eigenheimbauer usw.) mit dem Ingenieurbüro eine Honorarvereinbarung abschließen, die unter den Mindestsätzen der HOAI ist, liegt zwar auch eine unwirksame Honorarvereinbarung vor.

Das Ingenieurbüro wird aber eine nachträgliche höhere Honorarforderung auf der Grundlage der Mindestsätze gegenüber einem Verbraucher schwer durchsetzen können, da diese Forderung dann gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Der Verbraucher, der regelmäßig keine Kenntnis vom Mindestpreischarakter der HOAI hat, wird hier von der Rechtsprechung als schützenswert eingestuft, da er auf die Honorarabrede vertraut hat.

Anders ist dieses aber bei Bauherren, bei denen die Kenntnis des Mindestpreischarakters der HOAI erwartet werden kann.

Einwendungen dahingehend, dass man die weiteren Kosten (Differenz zwischen vereinbarten Honorar und Honorar auf Grundlage Mindestsatz) nicht weiterreichen könne (z. B. gegenüber Fördermittelgeber oder Hauptauftraggebern), greifen dann nicht.

Auch ist die Nachforderung des Ingenieurbüros im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Bauvorhabens zu prüfen. Wenn die Nachforderung dann als relativ geringfügig einzustufen ist, liegt Unzumutbarkeit einer Nachzahlung ohnehin nicht vor.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Urteil vom 21.10.2014, Aktenzeichen 10 U 70/14 diesen Grundsatz nochmals bestätigt.

Johannes-Meinhart Wienecke
Rechtsanwalt

Datum: 01. Februar 2015